Zynaptiq Unchirp Testbericht
Wundermittel gegen Kompressionsartefakte?
Von Felix Baarß
Zynaptiq Unchirp Test-Fazit
4.5
DELAMAR
SCORE
Tool zur Restauration stark komprimierter Audiodateien.
Dieses Werkzeug ist in der Lage, stark verlustbehaftete Signale aufzupolieren und bietet interessante Optionen zur Transientenbearbeitung.
PRO
- Dechirping funktioniert sehr gut
- Äußerst umfangreiche, mächtige Transientenbearbeitung
- Frequenzspezifische Bearbeitung der meisten Parameter (v.a. Transienten)
- Presets für zahlreiche Szenarien
- Relativ niedrige CPU-Belastung
CONTRA
- Beschriftungen und einige Regler könnten größer sein
- Kein deutsches Handbuch
Für wen?
Fortgeschrittene Musiker, Post-Produzenten, Sounddesigner, Forensiker sowie alle, die miese MP3s zuverlässig restaurieren und/oder Transienten bearbeiten wollen.
Was ist es?
Stark komprimierte Audiodateien wie MP3s mit Bitraten von 96 kb/s und weniger weisen Störgeräusche (»Artefakte«) auf (beispielsweise Videos auf YouTube in minderer Qualität). Das für Windows & Mac OS X erhältliche Plugin Zynaptiq Unchirp möchte diese Nebengeräusche entfernen bzw. stark abschwächen. Das hochfrequente »Zwitschern« (englisch: »chirping«), das mit stark verlustbehafteter Kompression einhergeht, ist hier namensgebend. Die meisten Effekte können frequenzspezifisch eingesetzt werden, wobei Du Filterkurven mit beliebig vielen Knoten zeichnen kannst.
Neben der klanglichen Restauration von komprimierten Audiodaten sollen sich auch Signale wiederherstellen lassen, die zu stark mit einem De-Noiser »entrauscht« wurden. Alternativ kannst Du auch technisch mehr oder minder makellosen Signale veredeln, was die Transienten und die hochfrequenten Anteile betrifft.
Das Plugin ist zum Preis von 399,- Euro (inkl. MwSt.) über die Website des Entwicklers erhältlich.
ANZEIGE
Zynaptiq Unchirp Test
Erster Eindruck und generelle Bedienung
Die graphischen Oberfläche von Zynaptiq Unchirp ist kontrastreich, was die Bedienung klar erleichtert. Prima: Bei gedrückter Shift-Taste ist die Feinjustierung der kontinuierlichen Parameter möglich. Allerdings hätte ich mir die Schrift und die Schieberegler etwas größer gewünscht, stellenweise musste ich schon die Augen leicht zusammenkneifen und Feinarbeit mit dem Mauszeiger vollführen.
PASSEND DAZU
- Zynaptiq Wormhole: Plugin für abgefahrene Sounds aller Art
- Akai MPX16 Testbericht: Sampler und Controller mit 16 Drum Pads
- Elektron Analog Four Testbericht: Analoger Synthesizer mit digitalen Extras
- Exponential Audio Phoenix Verb Testbericht: Algorithmischer Halleffekt
- Yamaha MX49 Testbericht: Komplettpaket für Einsteiger
Farbkodierungen erleichtern die gezielte Anwahl der den Parametern zugewiesenen Frequenzkurven. Einer der Transientenregler ist grün, also klicke ich sofort auf den Reiter mit der grünen Aufschrift, um zur entsprechenden Kurve zu gelangen und die Transienten frequenzspezifisch zu formen.
Es gibt diverse Kurvenformen für die Filter. Die Standardeinstellung mit ihren relativ weichen, aber nicht übertrieben rundgelutschten Flanken ist in den meisten Fällen die beste Wahl. In der folgenden Galerie ist diese auf dem Bild rechts unten zu sehen:
Zum schnellen Einstieg gibt es eine Vielzahl von Presets, ob nach Genre oder nach Codec (LAME etc.) mit diversen Bitraten geordnet. Fein.
Die Komponenten von Zynaptiq Unchirp
Der mit »Musical Noise« beschriftete Regler dient dazu, Rauschen bzw. betriebsame Nebengeräusche im Hintergrund zu entfernen. Da sich das Zeitfenster für die Erkennung dieser Klanganteile verstellen lässt, wird genug Flexibilität geboten, zudem funktioniert die Reduktion so intelligent, dass der Output auch bei gehobener Effektintensität nicht dumpfer wird.
»Dechirping« ist der eingangs erwähnte, namensgebende Prozess des Entzwitscherns. :) Will heißen: der Entfernung eines der typischsten Phänomene stark verlustbehafteter Kompression, das entfernt an plätscherndes Wasser erinnert. Auch hier funktioniert die Erkennung sehr gut und das Zeitfenster kann verstellt werden, um »Zwitscherartefakte« von beliebiger Länge zu erfassen.
Es folgt die sehr ausgefeilte Sektion zur Bearbeitung und Synthese von Transienten. Vor allem durch drei (!) der oben erwähnten Kurven zur frequenzspezifischen Bearbeitung lassen sich die Transienten punktgenau formen – eine für den Schwellenwert der Erkennung, eine für die ursprünglichen Transienten und eine für die synthetisierten. Außerdem kannst Du die ursprünglichen insgesamt verstärken oder abschwächen sowie das allgemeine Mischverhältnis aus originalen und synthetischen Transienten bestimmen. Stattlich.
Schließlich gibt es einen Treble-Boost zum Kontern der nach dem Encodieren oder De-Noising teils erheblichen Höhenabschwächung. Anders als bei einem EQ, der hier nichts verstärken könnte, werden hier psychoakustische Tricks und Obertonanreicherungen genutzt, um Höhen zu erzeugen. Funktioniert gut, auch wenn es mir manchmal etwas zu künstlich klingt.
Globale Parameter
Am Ende der Signalkette findest Du einen Dry/Wet-Regler – mische das Originalsignal (Dry) mit dem Signal, das durch die oben beschriebenen Effekte bearbeitet wurde (Wet). Dieser Kniff ist mir zur finalen Feinabstimmung stets willkommen. Dazu kommt ein Gain-Regler zur Verstärkung/Abschwächung des Outputs, denn die Bearbeitung bringt meist eine gewisse Änderung in der Lautheit mit sich.
Ein eminent nützliches Feature stellt der Knopf »I/O DIFF« bereit: Mit ihm hörst Du, was durch deine Einstellungen vom Signal entfernt wurde (bzw. hinzugefügt im Fall einer Transientensynthese). Das ist vom Prinzip her vergleichbar mit den Vorhör-Buttons für Sidechain-Kompressoren. Sofern Du das Plugin sorgfältig konfiguriert hast, lässt sich hier in ganzer Pracht bewundern, wie gut es funktioniert – der reinste Gruselkabinett an Artefakten kommt ans Licht und Du hörst, dass Zynaptiq Unchirp ganze Arbeit leistet.
Es gibt die Möglichkeit, in einem zuschaltbaren M/S-Modus nur das Seitensignal bearbeiten zu lassen. Ein optionaler HD-Modus sorgt für akkurateren Sound und benötigt naturgemäß mehr Prozessorleistung, aber bei unserer nicht mehr ganz taufrischen dDAW 2012 waren das lediglich 3%.
»Sync« dient dazu, sämtliche Effekte mit den Transienten zu synchronisieren – stufenlos regelbar. »Warmth« gefällt mir auch sehr gut, da es in stufenlos regelbarer Intensität Zufallsmodulationen einführt, die das Timing der Wirkungsphasen vom Dechirping und der Entfernung des musikalischen Rauschens betreffen. So kann der Sound deutlich natürlicher gestaltet werden, wobei aber auch die Transienten etwas glattgebügelt werden, also Vorsicht.
Abgerundet wird Zynaptiq Unchirp durch einen Brickwall-Limiter und einen Bypass-Schalter, der sich stets nützliches Accessoire für DAWs ohne An/Aus-Schalter auf den Plugin-Fenstern erweist.
Unterstütze unsere Arbeit mit einem Kauf bei Thomann*
* Affiliate Link: Du bezahlst den normalen Preis und wir erhalten eine Provision, wenn Du etwas kaufst. Danke!
Zynaptiq Unchirp Test-Fazit
Allein für das einwandfrei funktionierende »Dechirping« und die Entfernung verwandter Nebengeräusche wäre Zynaptiq Unchirp hochattraktiv, wenn auch für mich persönlich nicht zu diesem Preis – bei allen, die das professionell brauchen (etwa Forensiker), sieht das wohl anders aus, denn was das Tool leistet, ist diesem Preis angemessen.
Ebenso starke Argumente liefern die beispielhaft umfangreiche Transientenbearbeitung und die Frequenzkurven für fünf der Parameter (drei davon haben mit den Transienten zu tun). So ist es nicht nur ein mächtiges Werkzeug zur Restauration, sondern aber auch zum Sounddesign Tutorial.
Auch in der B-Note überzeugt das Plugin, so gibt es etwa eine Ladung diverser Presets für etliche Szenarien und geordnet nach Codec plus Bitrate. Darüber hinaus ist die CPU-Belastung auch im HD-Modus recht niedrig.
Ein Modus, der für moderne Bildschirme mit hohen Auflösungen besser geeignet ist, wäre fein. Oder zumindest größere Beschriftungen und Regler, die mit der Maus leichter zu treffen sind. Weiterhin ist kein deutsches Handbuch erhältlich, was manchen Anwender zumindest anfangs vor Hürden stellen könnte.
Alles in allem haben wir es mit einem technisch eindrucksvollen und einzigartigen Werkzeug zu tun, das eine kleine Lücke schließt und nicht nur für Forensiker weit mehr als eine Machbarkeitsstudie darstellt. Gerade wer sich Audio-Samples aus in niedriger Qualität encodeten YouTube-Videos (oder ähnlichem Material) herausarbeiten möchte, wird mit diesem Plugin sicherlich sehr zufrieden sein.
So beschließe ich meinen Zynaptiq Unchirp Testbericht auf delamar mit sehr guten viereinhalb von fünf Punkten. Reife Leistung!
Features Zynaptiq Unchirp Review
- Hersteller: Zynaptiq
- Plugin für Windows & Mac OS X
- VST, AU, AAX, RTAS
- 32 & 64 Bit
- Für Restauration & Sounddesign
PASSEND ZUM Zynaptiq Unchirp Test
- HOFA IQ-Series Limiter V2 Test
- HOFA IQ-Series Transient Test
- Noiseworks GainAim Test
- D16 LuSH 2 Test
- IK Multimedia Amplitube Metal Test