XLN Addictive Keys Testbericht
Drei virtuelle Pianos plus Effekte & Co.
Von Felix Baarß
XLN Addictive Keys Test-Fazit
4.5
DELAMAR
SCORE
Flügel, Klavier und E-Piano. Dieses virtuelle Piano-Trio ist zugänglich gestaltet, komfortabel und bietet viele Möglichkeiten zur Klanggestaltung.
PRO
- Schneller Einstieg, klare Bedienung
- Praktisch keine Ladezeiten, auch beim Instrumentenwechsel
- Mehrfachmikrofonierung und schöne Effektsektion
- Einfacher MIDI-Recorder mit Export
- Cloud-Anbindung mit Versionierung und Wiederherstellung
CONTRA
- Plugins werden unweigerlich in das Standardverzeichnis installiert
- Letzte klangliche Feinheiten des echten Pianoklangs fehlen
Für wen?
Alle, die möglichst reibungslose Performances mit Pianosounds hinlegen wollen.
Was ist es?
Bei XLN Addictive Keys handelt es sich um ein Plugin mit den Klängen von Konzertflügel, Klavier und E-Piano, das Musikern, Produzenten und Songschreibern einen zügigen Workflow zum Komponieren und zum Festhalten musikalischer Ideen bieten will. Es schickt sich an, für die Produktion aller Musikstile geeignet zu sein. Diverse Effekte stehen zur Verfügung, zudem wurden die Instrumente mit zahlreichen Mikrofonen abgenommen, deren Klangbilder zum Variationsreichtum beitragen.
Das Programm läuft unter Windows und Mac OS X und lässt sich auch in einer eigenständigen Version (»stand-alone«) betreiben, während sich die Einbindung in deine DAW-Software über die Schnittstellen VST, AU und RTAS realisieren lässt.
ANZEIGE
XLN Addictive Keys Test
Erster Eindruck
Der Installer lädt die benötigten Programmdateien herunter, nachdem Du dich eingeloggt bzw. direkt über den Installer erst einmal einen Account bei XLN Audio kreiert hast. Das klappt nach Eingabe der Seriennummer und einiger Angaben zum verwendeten Computer (es werden immerhin zwei gleichzeitige Installationen erlaubt) einwandfrei; die Download-Server waren bei meinem Test auch rasend schnell, so dass die Prozedur nach einer kleinen Kaffeepause bereits erledigt ist.
PASSEND DAZU
- Universal Audio UAD-2 Satellite Thunderbolt OCTO Testbericht: Donnerwetter!
- Kawai VPC1: Edler Keyboard Controller mit 88 Tasten
- MixVibes Cross Testbericht: DJ-Software mit Timecode-Unterstützung
- Free Audio Plugins: Voxengo jetzt auch für Mac
- Drumagog Test: Drum Replacement vom Feinsten
Fein: In der Übersicht meiner lizenzierten Produkte bzw. Add-Ons wird direkt angezeigt, ob die bei mir installierten Versionen auf dem neuesten Stand sind oder ob Updates bereitstehen. Nicht so fein: Die Plugins werden ungefragt in das von mir seit jeher verschmähte VST-Standardverzeichnis (bei Windows unter \Programme\Steinberg\Vstplugins) installiert.
Das eigentliche Programm lädt in einem Wimpernschlag, auch der Instrumentenwechsel geht rasch vonstatten. Nach dem gegebenenfalls nötigen Einrichten von Audio Interface und MIDI-Keyboard steht die Entscheidung an, ob Du einen Konzertflügel, ein Klavier oder ein E-Piano spielen möchtest. Kurze, knackige Infos zu diesen drei virtuellen Instrumenten stimmen ein und umreißen, wie sie aufgenommen wurden, anstatt mich mit zu vielen Informationen zuzuschütten.
Die PDF-Handbücher – es gibt eine Schnellstartanleitung und eine ausführliche Version – sind gut gelungen, leserlich gestaltet und mit erhellenden Bildern versehen.
Zur Erkundung
Zu allen drei Instrumenten gibt es je drei Ansichten, auf denen Presets nebst passenden kleinen Sequenzen verlinkt sind. Nettes Bouquet. Die »Producer«-Abschnitte bieten dabei zusätzlich vier einfache Klangregler – Klangfarbe (eine Art Balance-Filter), Timbre, Dämpfung und Effektstärke, beim E-Piano stattdessen standesgemäß Verzerrung, Hall und Tremolo. Diese Regler bieten eine willkommene Möglichkeit, den Sound schnell umzuformen, ohne erst in die komplexe Editieransicht (siehe unten) zu wechseln.
Nach meinen oben geschilderten, überwiegend positiven ersten Eindrücken ist dies ein weiteres Beispiel für das gehaltene Versprechen des unmittelbaren Einstiegs und schnellen Workflows, den die Entwickler in ihrer Produktbeschreibung mehrfach versprechen.
Editierung
Unter »Edit« findest Du alle Parameter und Stellschrauben, um den Klang ganz nach deinen Wünschen zu formen. Den Anfang machen genrebedingt grundlegende Instrumenteneinstellungen wie Pedalgeräusche oder Korpus- und Saitenresonanzen.
Es folgen die Tonhöhen-, Filter- und Lautstärkeneinstellungen, jeweils mit eigener grafisch editierbarer Hüllkurve. Die meines Erachtens für das Spiel von Tasteninstrumenten sehr wichtigen Einstellungen zur Umsetzung der Anschlaghärte sind im Falle von XLN Addictive Keys zur Genüge editierbar: Die Velocity kann hier in jeweils frei bestimmbarer Stärke Auswirkungen auf die genannten Hüllkurven haben, außerdem lässt sich noch der Velocity-Umfang eingrenzen.
Die Entwickler haben sogar ein kleines Modul eingebaut, mit dem Du analoges Rauschen einstreuen kannst, von einem Neumann-Mikro über Vinyl- und Bandrauschen bis hin zum Big Muff und einem Jupiter 8.
Der 3-Band-EQ ist angenehm schlicht und bietet das für mich immer sehr nützliche Feature, mit dem sich die Flankensteilheiten des mit dem Mauszeiger anvisierten Bandes per Mausrad schnell justieren lassen. Und die Effektauswahl? Zwei der folgenden Effekte kannst Du in beliebiger Kombination gleichzeitig verwenden: Kompressor mit Verzerrung, Chorus, Phaser, Tremolo.
Ab und zu hätte ich mir gewünscht, das Routing der Module umordnen zu können, um beispielsweise das schöne Vinylknistern nicht vom Chorus in die Mangel genommen wird. Ja, das ist durchaus Meckern auf hohem Niveau, da das Angebot hier für den Preis insgesamt doch reichlich ist, gerade wenn man den Preis betrachtet.
Die drei Instrumente wurden sehr aufwändig mit einem Potpourri von dynamischen, Röhren-, Bändchen- und Grenzflächenmikrofonen an mehreren Stellen im Raum abgenommen. So entstanden teils sehr unterschiedliche Klangeindrücke von den Instrumenten, von intimen Nahaufnahmen bis hin zu distanzierten, epischeren Klängen mit viel Raumanteil.
Aufgepasst: Im Mixer kannst Du nun bis zu drei Aufnahmen mischen und mit jeweils eigenen EQ- und Effekteinstellungen versehen. Die klanglichen Möglichkeiten werden dadurch exponentiell erweitert. Und dann kommt zudem der Master-Effektkanal darüber. Eins noch: Ein in doppelter Ausführung enthaltener Zwitter aus Delay und Reverb ist auch dabei, dessen Möglichkeiten wie so oft am besten über einen Screenshot transportiert werden:
Im Bereich »Session Settings« gibt es Optionen, mit denen Du das Spielverhalten nach deinen Wünschen anpassen kannst. Die Tonhöhe jeder einzelnen Taste lässt sich um ±50 Hundertstelhalbtonschritte verstimmen, Einstellungen für das Modulationsrad und Aftertouch lassen sich tätigen, Du kannst die Velocity-Kurve verbiegen, vom Kammerton A abweichen und mehr. Falls es noch Zweifel an der Tauglichkeit für Profimusiker geben konnte, sollten diese hiermit ausgeräumt sein.
Klang der XLN Addictive Keys
Was die Aufnahmen der nicht-elektronischen Pianos angeht, ist die Klangqualität der einzelnen Mikrofonierungen sehr überzeugend und ich mag die Option, die Aufnahmen mehrerer Mikrofone ineinander zu mischen. Es ist wohl so, dass manche arrivierten Libraries hier und da eindringlicher, brillanter, in den Saitenresonanzen flirrender oder sonst wie besser klingen. Doch oft ist das auch Geschmackssache und abhängig von deinem Händchen als Feinschleifer der Voreinstellungen. Einige Klänge des E-Pianos haben mich jedenfalls begeistert und der Flügel hat es durchaus in sich.
À propos Feinschliff: Bei einigen Presets hielt ich es für nötig, Änderungen bei der Umsetzung sanfter Anschläge vorzunehmen, genauer gesagt die Einschwingphase bei sehr leisen Tönen minimal zu verlängern. Es genügt, den Regler Vel > Attack auf ca. 3% zu stellen. Anspruchsvolle Gemüter werden wohl an diversen Ecken und Enden merken, dass ein paar Korrekturen nötig sind, um das Spiel realistischer, ausdrucksstärker zu gestalten, aber gottlob bietet das Programm die Möglichkeiten, dies auch zu tun.
Bei naturalistischen Klängen ist es empfehlenswert, einen externen Faltungshall mit hochwertigen Impulsantworten zu nutzen, beispielsweise wenn Du die Erstreflexionen des Klangs kontrollieren möchtest – die Einstellmöglichkeiten in Addictive Keys sind hier eventuell nicht so ausgefuchst.
Grand Piano Roomy Pop
Grand Piano Jazzish
Upright Piano Come On Up
Upright Piano Honky Lady
E-Piano Seven 3
E-Piano Lounge
Memos
Ideen festhalten, damit sie nicht davonflattern – mit den Memos in XLN Addictive Keys soll das gelingen. Dieses Feature umfasst nichts anderes als einen kleinen MIDI-Recorder, mit dem Du deine Eskapaden auf dem MIDI-Keyboard aufzeichnen und die entstandenen Sequenzen innerhalb eines Presets speichern kannst. Einfach und gut.
Wenn Du die Software im eigenständigen Modus zu betreiben pflegst, kann diese Funktion viel wert sein. Innerhalb der DAW steht ja immer jederzeit eine MIDI-Spur zur Aufnahme bereit, doch im Stand-alone-Modus eben nicht. En detail betrachtet möchte ich noch positiv hervorheben, dass über den Memo-Browser eine Drag-and-Drop-Funktion zur Verfügung steht. Damit kannst Du aufgenommene Sequenzen ganz einfach in so gut wie jede handelsübliche DAW bzw. in den Explorer/Finder von Windows/Mac OS ziehen. Genau wie in Toontrack EZdrummer, feine Sache.
Ab in die Wolke
Der in der eben erwähnten Memofunktion realisierte Gedanke des universellen Ideenspeichers wird noch einmal dick und fett von der Cloud-Anbindung des Programms unterstrichen. Du brauchst nichts zu konfigurieren: Über die Daten deines Accounts, in den Du dich bei der Installation einloggen musstest, werden alle Presets und Memos automatisch in die digitalen Wolken katapultiert und auf dem Server des Herstellers zusammen mit deinen sonstigen Benutzerkontodaten abgelegt.
Dank der dadurch ermöglichten Synchronisierung hast Du auf allen Computern Zugriff auf denselben einheitlichen Bestand von musikalischen Skizzen und Klangeinstellungen. Verschiedene Versionen eines Presets oder Memos werden archiviert, gelöschte Daten für etwaige Wiederherstellungen konserviert. Zu guter Letzt gibt es noch die Möglichkeit, Daten mit anderen Nutzern auszutauschen.
So reibungslos wie hier habe ich die Implementierung der ominösen Cloud selten erlebt.
Unterstütze unsere Arbeit mit einem Kauf bei Thomann*
* Affiliate Link: Du bezahlst den normalen Preis und wir erhalten eine Provision, wenn Du etwas kaufst. Danke!
XLN Addictive Keys Test-Fazit
Die größte Stärke von XLN Addictive Keys ist der erfrischend schnelle Einstieg und die Komfortfunktionen, generell die einladende Art des Programms. Das Interface steht dem Workflow nicht im Weg, die Ladezeiten sind verschwindend gering und den auf hübsch aufbereiteten Seiten präsentierten Presets werden jeweils eigene kleine Beispielmelodien zur Seite gestellt. Abgerundet wird das Ganze durch die simple Memofunktion und die Vorzüge der Cloud-Dienste.
Das soll aber nicht heißen, dass die klanglichen Möglichkeiten dahinter zurückstehen. Die mischbaren, mit verschiedenen Mikros realisierten Aufnahmen und die umfangreiche Effektsektion eröffnen weite Spielräume.
Wer übrigens weniger auf Libraries und Klangbastelbuden abzielt, aber mehr in Richtung Kompositionswerkzeug gehen will, sollte zu Toontrack EZkeys greifen. Wenn Du aber eher die weiter oben erwähnten Qualitäten zu schätzen weißt, bekommst Du mit XLN Addictive Keys ein fabelhaftes Programm, für das der Straßenpreis von knapp 150 Euro mehr als gerechtfertigt ist.
Ab und an verursachte das Programm bei mir dann doch ein kleines Stirnrunzeln. Bzw. erst einmal die Installationsroutine, die mich nicht wählen ließ, in welches Verzeichnis die Plugins installiert werden sollen. Später gab es dann wenig zu meckern, doch ein paar fehlende klangliche Feinheiten im Vergleich mit anderen Libraries fielen mir auf.
Nach Abwägung aller Erkenntnisse vergebe ich sehr gute viereinhalb von fünf Punkten im XLN Addictive Keys Testbericht.
Features XLN Addictive Keys Review
- Hersteller: XLN Audio
- Flügel, Klavier und E-Piano
- Windows & Mac OS X
- VST, RTAS, AU & stand-alone
- Mehrfach mikrofoniert
- Effektsektion
- Memo-Recorder
- Cloud-Anbindung
PASSEND ZUM XLN Addictive Keys Test
- HOFA IQ-Series Limiter V2 Test
- HOFA IQ-Series Transient Test
- Noiseworks GainAim Test
- D16 LuSH 2 Test
- IK Multimedia Amplitube Metal Test