SONiVOX Twist Testbericht
Das sind ja ganz neue Obertöne!
Von Felix Baarß
SONiVOX Twist Test-Fazit
4.0
DELAMAR
SCORE
Ungewöhnliches Sample-Instrument.
Dieser Synthesizer bietet interessante Obertonkontrollen zur experimentellen Klanggestaltung.
PRO
- Ungewöhnliche Sounds abseits ausgetretener Pfade
- Extras wie Arpeggiator und Effekte
- Einfach, schnell erlernte Bedienung
- Feine Optionen rund um MIDI Learn
CONTRA
- Obertonregelung oft mau oder musikalisch kaum verwertbar
- Eingeschränkte klangliche Bandbreite, wenig Kontrolle
Für wen?
Experimentierfreudige Sounddesigner.
Was ist es?
Der SONiVOX Twist ist ein virtueller Synthesizer für Windows und Mac OS X. Die Schnittstellen VST, RTAS und AU werden unterstützt, zudem lässt sich der Twist eigenständig (»standalone«) betreiben, also ohne die Bindung an Cubase, Ableton Live, FL Studio und wie sie alle heißen.
Die graphische Oberfläche dieses virtuellen Instruments will mit Einfachheit und riesigen Drehreglern punkten. Ein Chorus, ein mit dem Tempo deines Hosts synchronisierbares Delay und ein Reverb sind an Bord. Eine eigens entwickelte, zum Patent angemeldete Syntheseform namens »Spectral Morphing Synthesis« mit Obertonkontrollen in zwei Layern kommt zum Einsatz – die Hauptattraktion der Software. Mehr als 200 Presets werden mitgeliefert.
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SONiVOX Twist Test
Erster Eindruck
Die Online-Autorisierung ging relativ zügig vonstatten; eine Quasi-Offline-Variante steht auch zur Verfügung. In der Bestätigungs-E-Mail findet sich ein Link zu einer Sektion auf der Website von SONiVOX, in der ich das Update auf Version 1.2 herunterladen konnte. Das wäre allerdings gar nicht nötig gewesen, denn die zuvor bereitgestellte Setup-Datei war bereits auf dem neuesten Stand. Einerlei, weiter im Text.
PASSEND DAZU
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Das Interface ist mit 1.150 Pixeln Breite angesichts der wenigen darauf versammelten Bedienelemente geradezu gewaltig. Einerseits wird damit den hohen Auflösungen und großen Bildschirmen Rechnung getragen, andererseits könnte das auf den Displays von Laptops, die technisch nicht mehr ganz taufrisch sind, problematisch werden.
Ich für meinen Teil freue mich über die großzügigen Dimensionen und mache mich daran, die Funktionen der fünf prominenten Monsterpotis zu erkunden.
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Hauptansicht
Im Folgenden sei nur kurz umrissen, was sich in den drei Bereichen abspielt, die über die drei schlicht-schön und eindeutig benannten Buttons »Sound«, »Rhyhtm« und »Effects« zu erreichen sind.
Zunächst zur Beschreibung der Hauptansicht, in der ich die Klangarchitektur beleuchten möchte. Es gibt zwei Schichten für die Klangerzeugung, die nicht nur im Englischen, sondern auch im Audio-Neudeutsch stets »Layer« genannt werden. Diese können mit jeweils zwei Parametern beeinflussen – einmal der Frequenzbereich für die erzeugten Obertöne, die über den Grundklang gestülpt werden, und andererseits der Regler für die Intensität und Art dieser Obertöne, wobei diese in der Mittelstellung (»auf 12 Uhr«) ganz deaktiviert sind, ganz nach links gedreht ungerade und ganz nach rechts geleiert gerade daherkommen.
Ganz in der Mitte residiert der sicher nicht nur für mich bei jedem Synthesizer eminent wichtige Cutoff-Regler des internen Filters, zudem gesellen sich fünf kleinere Potis für die Filterkontrolle hinzu. Bei der Filterhüllkurve verfolgte der Hersteller einen interessanten Ansatz – man überließ es den Entwicklern der einzelnen Presets, wie die Filterhüllkurve jeweils ausgestaltet sein soll. Du kannst nun nur noch bestimmen, wie stark diese Filterhüllkurve appliziert werden soll, deren Form lässt sich nicht verändern. Dazu kommen, hurra, ein LFO für das Filter (steuerbar sind hier die Taktrate im synchronisierten Modus, die freie Geschwindigkeit und die Intensität) und ein Regler für die Filtergüte bzw. das »Q« oder die Flankensteilheit…warum gibt es eigentlich so viele Synonyme für diesen Begriff? Nicht zuletzt hier zeigt sich, dass dem Twist hier und da ein paar weitere Optionen gutgetan hätten, etwa weitere Filtermodi wie Hoch- oder Bandpass.
Abgerundet wird die Hauptsektion durch einen Gesamtlautstärkeregler, ein Schieberegler für das Glide (in diesem Fall ein Synonym für Portamento) sowie die virtuellen Repräsentationen des Pitch- und Modulationsrädchens nebst Keyboard. Das war’s bereits.
Obertonregelung in der Praxis
Die Daseinsberechtigung des Twist sind also die Obertonregler. In der Praxis zeigte sich besonders bei einigen Sounds, dass diese Signalbearbeiter in der Lage sind, hochinteressante Sounds zu zaubern. So gelang es mir beispielsweise, einen angezerrt grummelden Bass in einen unheimlichen und majestätischen Sound zu verwandeln, der an Hans Zimmer gemahnt, wie ich finde:
Bass dry
Bass wet
Oft war es aber auch so, dass eher ein Krächzen, ein hohles metallisches Scheppern oder sonstige schwer zu schreibende Klangkost entstand. Mag sein, dass ich noch etwas mehr Zeit mit den Obertonreglern verbringen müsste, doch so viel lässt sich sagen: Es ist nicht leicht, bei manchem Quell-Sample gar schier unmöglich, den Sound so hinzubiegen, dass etwas musikalisch Sinnvolles dabei herausspringt.
Arpeggiator
Der Twist bietet eine relativ einfache Rhythmussektion – streng genommen handelt es sich um einen Arpeggiator und nicht um einen Step-Sequenzer, da die Sequenzen nur abgespielt werden, solange Du eine Taste gedrückt hältst. Hier gibt es maximal 32 Steps, bei denen Du die Velocity und die Tonhöhe der Schritte (max. ±12 Halbtöne) verstellen und den Takt von 1/1 bis 1/32 bestimmen kannst.
Mit der »Intelligent Rhythm Control« kannst Du deine live gespielten Noten quantisieren (hier nur zum nächstfolgenden Taktschritt, sonst müsste der Synthie ja hellsehen können) und dabei den menschlichen Hang zum Zuspätkommen bis zu einem gewissen, von dir festlegbaren Punkt zulassen, ohne dass die Quantisierung anspringt. Nettes Gimmick.
Erfahrene Musiker und Produzenten, die den Twist als Plugin in einer DAW eingebunden nutzen, werden angesichts des Arpeggiators sicher nicht in Jubelstürme ausbrechen, schließlich gibt es da externe Alternativen, die potenter sind – darunter auch solche, die kostenlos erhältlichen. Für die Standalone-Version ist diese Sektion jedoch ein nützliches Helferlein, keine Frage.
Effekte
Für meine eher experimentellen Eskapaden mit dem SONiVOX Twist bot es sich an, dass gleich ein Delay, ein Chorus und ein Reverb implementiert sind. Wie praktisch immer solltest Du von integrierten Effekten nichts Außergewöhnliches erwarten – im Vergleich zu spezialisierten Plugins sind die Möglichkeiten freilich stark begrenzt.
Dennoch ist eigentlich alles dran, was nötig ist. Will heißen: Das Delay lässt sich mit dem Tempo deines Hosts synchronisieren und bietet Hoch- & Tiefpassfilter, während der Halleffekt und der Chorus jeweils separate Regler für Dry und Wet bieten. Das lässt sich durchaus sehen. Chorus und Delay bieten gute Brot- und Butter-Kost, was den Sound angeht, während der Reverb mich vom Sound uns seiner Praxistauglichkeit wirklich überrascht hat.
Sonstiges
Ein proprietäres Preset-Dateiformat mit der Endung SVX steht zur Verfügung, doch lassen sich auch ohne Probleme FXP-Dateien für einzelne Presets und FXB-Dateien für Bänke speichern und laden. Positiv hervorheben möchte ich den Umstand, dass die Voreinstellungen für den Arpeggiator unabhängig von denen der sonstigen Klangkontrollen sind. Beim Blättern durch die Presets bleiben die Einstellungen hier also unverändert. Sie können in einem weiteren proprietären Dateiformat gespeichert und geladen werden.
Ganz ausgezeichnet gelungen sind die MIDI-Learn-Funktionen: Nach dem Rechtsklick auf ein beliebigen virtuellen Regler der Haupt- und Effektsektion steht ein Kontextmenü bereit, in dem sich Befehle für MIDI Learn und Unlearn (Entfernen einer Zuweisung) befinden. Die gesamte MIDI-Learn-Konfiguration last sich innerhalb einer Datei speichern.
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SONiVOX Twist Test-Fazit
Der SONiVOX Twist ist ganz sicher kein Synthie für Brot- und Butter-Sounds. Eigentlich handelt es sich auch eher um ein Sample-Instrument mit einer Handvoll Effekten, wobei hier die zwei Layer mit den Obertonreglern die stilbildenden Elemente darstellen. In den besten Momenten des Twist werden viele unweigerlich die Ohren spitzen und sich ob der merkwürdigen, selten oder gar nie zuvor gehörten Klangwelten überrascht zeigen, sofern sie auch nur entfernt an experimentellen, atmosphärischen Sounds sind.
Zu den grundsätzlichen Bearbeitungsmöglichkeiten gesellen sich die drei Effekte Delay, Chorus und Reverb – die Zahl der Parameter und das klangliche Spektrum sind hier durchaus beachtlich – sowie ein Arpeggiator, der ein schönes Extra für die Erstellung lebhafter Sequenzen darstellt.
Die Bedienung ist fix erlernt und gestaltet sich einfach – kein Wunder angesichts der überschaubaren Oberfläche mit ihren wenigen Kontrollen, darunter den unübersehbar platzierten Riesenpotis. Die MIDI-Learn-Funktionen zählen ganz klar zu den komfortabelsten, die ich bisher in virtuellen Effekten und Instrumenten erlebt habe.
Bei allem Lob muss aber betont werden, dass sich die Obertonfixierung des Twist nicht selten eher als »proof of concept« denn als wirklich musikalisch sinnvolles oder klanglich überzeugendes Feature herausstellt. Zuweilen sind die Resultate unspektakulär und erscheinen außerhalb betont spröder avantgardistischer Klangexperimente kaum verwertbar. Auch habe ich an einigen Stellen ein paar tiefergehende Eingriffsmöglichkeiten in den Sound vermisst, um die nicht immer restlos überzeugenden Quell-Samples stärker umzubiegen.
Summa summarum bleibt ein guter Eindruck, also gibt es im SONiVOX Twist Testbericht vier von fünf Punkten. Ein interessantes, mit 129,- Euro bezahlbares Produkt, das Räume zur klanglichen Exploration eröffnet.
Features SONiVOX Twist Review
- Hersteller: SONiVOX
- Virtueller Synthesizer
- Plugin für Windows & Mac OS X
- Standalone & VST, RTAS, AU
- Sample-basiert
- Obertonregelung auf 2 Layern
PASSEND ZUM SONiVOX Twist Test
- SONiVOX Wobble Test
- HOFA IQ-Series Limiter V2 Test
- HOFA IQ-Series Transient Test
- Noiseworks GainAim Test
- D16 LuSH 2 Test