Exponential Audio Phoenix Verb Testbericht
Algorithmischer Halleffekt
Von Felix Baarß
Exponential Audio Phoenix Verb Test-Fazit
4.5
DELAMAR
SCORE
Algorithmischer Halleffekt.
Dieser Reverb ist flexibel einstellbar und klingt richtig fein, hat bei Bedienung und Design aber noch etwas Luft nach oben.
PRO
- Dichter Sound, auf Wunsch mit großzügigem Raumeindruck
- Zahlreiche Parameter für Feineinstellungen
- Viele Presets als gute Startpunkte
- GUI auf Wunsch in doppelter Größe
- Niedrige Prozessorbelastung
CONTRA
- Teils grobe Parametersprünge
- Nicht alle Parameter sofort zugänglich
Für wen?
Fortgeschrittene und Profis, die einen weitreichend konfigurierbaren algorithmischen Hall suchen.
Was ist es?
Beim Exponential Audio Phoenix Verb handelt es sich um einen algorithmischen Halleffekt, der als Plugin für Windows und Mac OS X nutzbar ist. Derzeit werden die Schnittstellen VST, AU, RTAS und AAX unterstützt, wobei die Kompatibilität jedoch nicht durch die Bank weg gewährleistet ist – mehr dazu auf der Website des Herstellers. Das Plugin eigne sich für Anwendungen, in den ein natürlich anmutender Hall gewünscht ist, etwa bei klassischer Musik, Jazz, generell bei akustischer Musik und für Percussion.
Frühe Reflexionen, Einschwingphase und Hallfahne können in getrennten Sektionen bearbeitet werden lässt sich verstellen. Hunderte, mit eigenen Schlagwörtern klassifizierbare Presets für alle typischen Hallarten (Räume, Kammern, Hallen und Plattenhalleffekte) in jeweils mehreren Größen und/oder Klangfarben) stehen zur Verfügung.
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Exponential Audio Phoenix Verb Test
Installation und erster Eindruck
Der Installationprozess des Plugins geschieht sehr zügig und mit wenigen Klicks. Schön, dass die Möglichkeit besteht, sich das Zielverzeichnis auszusuchen; nach meiner Erfahrung immer noch keine Selbstverständlichkeit, so seltsam das klingen mag. Die Aktivierung per iLok ist ein Thema für sich, für das die Hersteller nicht verantwortlich sind.
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Der Erstkontakt mit der graphischen Oberfläche ist zunächst wenig verheißungsvoll – besonders ansprechend dürfte das GUI nur für wenige Menschen sein. Entschädigend wirkt das auf Wunsch in doppelten Abmessungen erstrahlende Interface (per Druck auf das kleine Plussymbol zuschaltbar).
Doch es gibt weit wichtigere Kriterien als die reine Ästhetik der graphischen Gestaltung. Zum Beispiel die Bedienbarkeit, siehe vorletztes Kapitel.
Ein deutsches Handbuch gibt es (noch) nicht – verschmerzbar und verständlich angesichts des relativ kleinen Ein-Mann-Unternehmens, das hinter dem Exponential Audio Phoenix Verb steckt.
Frühe Reflexionen, Hallfahne und Co.
Zu den Basics gehören die üblichen Parameter für das Pre-Delay und die Ausklangzeit. Gut, dass diese jederzeit zu erreichen sind. Zu denen komme ich in den folgenden Abschnitten.
Zunächst möchte ich die die Sektion mit drei Parametern für die frühen Reflexionen betrachten – auch wenn diese im Phoenix Verb etwas unorthodox erst an dritter Stelle aufgelistet ist. Es finden sich Potis für die Lautstärkedistribution der Echos, die zeitliche Verteilung und damit auch die Zeitspanne, innerhalb der alle Reflexionen verklungen sein sollen sowie die Tiefpassfilterung der späteren Reflexionen. Mit letzterem Feature lässt sich der manchmal zu metallische Sound der frühen Echos gegen Ende hin etwas abschmirgeln, was den Sound so richtig schön rund macht, sofern das gewünscht ist. Fein.
Es folgt der Abschnitt »Rvb Attack«, in dem die Art des Halleffekts bestimmt werden kann – wie gewöhnlich ein Dreigespann aus Plate (Klang einer Hallplatte) sowie Chamber und Hall für kleinere und größere virtuelle Hallräume. Auch die Diffusion wird hier eingestellt. Vor allem kann hier aber die Einschwingphase des Halleffekts geregelt werden. Diese besteht, genau wie die frühen Reflexionen, aus mehreren Echo-Instanzen, wobei die Distribution auf der Zeitachse, eine stufenlos zumischbare Tiefpassfilterung (graduell ansteigend mit den späteren Echos) und der Lautstärkenanstieg bzw. -abfall geregelt werden können. Das habe ich in dieser differenziert ausgearbeiteten Form noch nicht gesehen und ist sehr wohl eine Ansammlung von Parametern, mit denen der Klang subtil bis entscheidend gefärbt werden kann. Sehr schön!
Next stop: »Rvb Tail«, also die Abteilung für die Hallfahne. Verschiedene Raumgrößen (einstellbar von 4 bis 40 Metern) können simuliert werden, was in meinen Ohren sehr glaubhaft geschieht, vom kleinen Heizungskeller bis hin zu riesigen Kathedralen. Dämpfung und Filterung finden sich auch in dieser Sektion, wirklich angetan bin ich aber vor allem von dem Regler für die Stereobreite der Hallfahne. Von Mono bis hin zu einem sehr weiträumigen Effekt stehen fünf Einstellungen zur Verfügung; eine stufenlose Regelung wäre die Krönung gewesen, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Der Sound ist klasse, die Dichte und Samtigkeit der Hallfahnen eindrucksvoll, die Vielseitigkeit habe ich schon angesprochen. Als Startpunkte dienen die mit Schlagwörtern versehenen Presets, unter denen sich übrigens auch einige ungewöhnliche Effektklänge und Voreinstellungen für die Postproduktion befinden.
Analyse, Pegelregler und Filter
Die Analysesektion mit den kleinen Stereo-Pegelanzeigen für In- und Output, der Spektraldarstellung und der darauf projizierten Filterkurve stellt durchaus einen netten Mehrwert, wenn auch kein essentielles Feature dar.
Ich kann durchaus nachvollziehen, warum die Entscheidung für einen vereinten Dry/Wet-Regler gefällt wurde, die Bedienung ist dadurch unmittelbarer. Allerdings käme ich hier mit einem separaten Regler für Dry besser zurande; ein Feature, das auch Kollege Paul in seinem ArtsAcoustic Reverb Testbericht bei einem vergleichbaren Plugin (das jedoch nicht so flexibel konfigurierbar ist) lobend herausstrich. Zudem wird durch die im Phoenix Verb verwendete lineare Crossfade-Kurve die Dry-Lautstärke bei 50% um die Hälfte leiser ausgegeben; bei der Nutzung als Send-Effekt hat das zugegebenermaßen keine Relevanz, denn dann wird der Dry/Wet-Regler gänzlich deaktiviert, aber ich möchte auch mit Inserts gerne komfortabler arbeiten.
Für diese Preisklasse ausreichend flexibel kommt das Filter daher. So gibt es jeweils Flankensteilheiten von 6 und 12 dB/Oktave für den Hoch- und Tiefpassmodus.
Bedienung
Die Drehregler sind schön groß, die Parameterwerte lassen sich nach einem Klick auch exakt per Tastatur eintippen und das Justieren per Mausrad funktioniert. Einzig das Zurücksetzen eines Parameters auf den im Preset voreingestellten Wert (üblicherweise per Doppelklick oder Strg+Klick bzw. Cmd+Klick) könnte noch implementiert werden. Viele Presets stehen zur Verfügung. Sehr schön: Der Dry/Wet-Verhältnis bleibt beim Preset-Wechsel unverändert, hier wurde mitgedacht.
Leider sind die Parametersprünge sehr groß – ein halbes Dezibel bei den Level-Reglern für frühe Reflexionen & Hallfahne bzw. die 100-Hz-Sprünge bei der Grenzfrequenz des Multimodusfilters sind mir zu grobmaschig. Was nicht so schlimm wäre, gäbe es einen Tastaturmodifikator, um in den ersehnten Modus zur Feinjustierung zu wechseln. Das ist aber nicht der Fall.
Zumindest in der großen Version hätte man beispielsweise die beiden Sektionen für die Einschwingphase und die Hallfahne locker zusammenlegen können, sofern die Regler wieder etwas kleiner gestaltet worden wären; sie wären dann übrigens immer noch reichlich dimensioniert. So ist stets erst ein Klick nötig, um in die gewünschte Unterabteilung zu kommen.
Sounds – Exponential Audio Phoenix Verb Testbericht:
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Exponential Audio Phoenix Verb Test-Fazit
Das Exponential Audio Phoenix Verb überzeugt dank des dichten Klangs, mit dem sich eindrucksvolle virtuelle Räume ausbreiten lassen. Zu den Features lässt sich sagen, dass das Plugin erfreulich viele Möglichkeiten zur Feinjustierung des Klangs bietet, ob bei den frühen Reflexionen oder der Hallfahne. Besonders der sich graduell schließende Tiefpassfilter für die späten Erstreflexionen und der Regler für die Stereobreite sind praktische Gadgets auf der Suche nach dem perfekten Sound.
Wer sich davon überfordert fühlt und dennoch knapp 200 Euro für einen wunderbar klingenden Halleffekt investieren möchte, kann die Presets durchblättern und an den stets sichtbaren Reglern für Pre-Delay und Ausklangzeit sowie am Filter und an der Mischung der Signalanteile drehen.
Das Interface lässt sich bei Bedarf in der Größe verdoppeln, so wird auch den aktuell üblichen hohen Auflösungen moderner Bildschirme Rechnung getragen. Weiterhin fällt auf, dass die Prozessorbelastung für einen so hochwertigen, dichten Klang recht niedrig ausfällt. Für mindestens eine Instanz sollte auf einem auch nur halbwegs modernen Audio PC stets Platz sein.
Die graphische Oberfläche könnte ein Facelifting vertragen, wirklich ansehnlich ist sie nicht gerade. Doch das ist drittrangig, als gravierender habe ich jedoch empfunden, dass nicht alle Parameter auf einmal zugänglich sind, obwohl durchaus genug Platz wäre, um zumindest zwei der Sektionen zusammenzulegen. Auch sind die Parametersprünge teils recht grob und die Möglichkeiten der Pegelregelung für die Nutzung als Insert-Effekt nicht optimal gelöst.
Summa summarum haben wir hier ein toll klingenden, vielseitig konfigurierbaren Halleffekt mit ein paar ungeschliffenen Kanten vor uns. Wir sind gespannt auf das, was noch kommen möge und verbleiben im Exponential Audio Phoenix Audio Testbericht einstweilen bei viereinhalb von fünf Punkten.
Features Exponential Audio Phoenix Verb Review
- Hersteller: Exponential Audio
- Algorithmischer Halleffekt
- Plugin für Windows & Mac OS X
- VST, AU, RTAS & AAX
- iLok benötigt
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