Eventide H3000 Factory Testbericht
Modularer Multieffekt für Bastler
Von Felix Baarß
Eventide H3000 Factory Test-Fazit
4.0
DELAMAR
SCORE
Multieffekt-Plugin für Experimentierfreudige.
Die Umsetzung der oft gepriesenen Hardware überzeugt und bietet sehr viel Raum für furiose Klangeskapaden.
PRO
- Abgefahrene Effekte möglich
- Sehr weitreichende Modulationsoptionen
- Viele Möglichkeiten zum Triggern
- Schnelle, frei zuweisbare Parametermodulation per Softkeys
- Verhältnismäßig geringe Prozessorlast
CONTRA
- Effektmodule mit Monobearbeitung, keine Stereo-Verlinkung
- Sidechaining nur für AU & AAX
- Verschenktes Potential bei der GUI-Gestaltung
Für wen?
Fortgeschrittene Frickler und Klangforscher, die es ganz genau wissen wollen.
Was ist es?
Bei Eventide H3000 Factory handelt es sich um ein Multieffekt-Plugin für Windows & Mac OS X, das für die Schnittstellen VST, AU und AAX zur Verfügung steht und dem Hardware-Effektgerät Eventide H3000 nachempfunden ist. Für die grundlegenden Module – je zwei Delays, Pitch Shifter und Multimode Filter – stehen zahlreiche Modulationsquellen zur Verfügung. Die Module können wie bei einem modularen Synthesizer mit Patch-Kabeln verknüpft werden. Für den Betrieb ist ein Dongle vom Typ iLok2 erforderlich.
Das Plugin ist für 349,- US$ über die Website des Herstellers erhältlich. Zudem wird ein Crossgrade für Nutzer von Anthology II und früheren Versionen von H3000 Factory zur Verfügung, das mit 175,- US$ zu Buche schlägt.
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Eventide H3000 Factory Test
Erster Eindruck
Nachdem die zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Testberichts aktuelle Version 2.0.6 schnell installiert war und die Registrierung per iLok ebenso reibungslos verlief, konnte es losgehen.
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Zunächst fällt auf, dass die Schrift stellenweise sehr klein geraten ist, andererseits wird so kostbarer Platz auf dem Bildschirm gespart. Das gelingt auch dank der drei umschaltbaren Reiter (man könnte sie auch »Tabs« nennen), hinter denen sich jeweils sehr reich bestückte Kontrollsektionen befinden.
Doch dem steht wiederum entgegen, dass im oberen Bereich unnötig Platz verschwendet wird – die drei Knöpfe für »Program«, »Expert« und »Function« sind durch die erwähnten Reiter weiter unten überflüssig. Etwas frech ist auch das Nummern-Pad: Es dient nur ästhetischen Zwecken und bietet keinerlei Funktionalität. Diese getreue Nachbildung der Hardware-Bedienoberfläche ist unglücklich und mit einem frischen, für die Arbeit am Computerbildschirm optimierten GUI-Design wäre viel gewonnen. Doch genug davon, gehen wir zur Hauptsache über – den klanggestalterischen Möglichkeiten.
Struktur
Die Komponenten des Plugins sind modular aufgebaut. Zuerst die Modulationsquellen: linker und rechter Kanal des Stereo-Eingangssignals, Noise-Generator (weißes Rauschen), Sidechaining-Eingang (leider nur für AU & AAX), »Mod Knob« zur Nutzung des großen schwarzen Drehreglers als manueller Modulator und ein Funktionsgenerator, bei dem es sich um einen Sammlung komplexer, teils trigger-basierter Modulationsquellen handelt.
Weiter geht es mit den zentralen Effektmodulen. Hier gibt es je zwei Filter, Pitch-Shifter und Delays. Interessant wird es mit den zusätzlichen Bausteinen zur Modifizierung der Modulationssignale – je zwei Amplitudenmodulatoren, LFOs, Hüllkurvengeneratoren und Blöcke zur Regelung der Modulationsintensität beliebiger Quellen sowie vier Mixereinheiten.
Am Ende stehen die Module für den Output auf dem linken und dem rechten Kanal, in mindestens eines davon muss der Signalfluss also stets münden, damit das Plugin Signale ausgibt.
Übergeordnet finden sich Regler für die In- und Output-Pegel, ein Dry/Wet-Regler zur Mischung des trockenen und des vom H3000 bearbeiteten Signals in beliebigen Anteilen. Dazu kommt eine globale Tempokontrolle mit der Möglichkeit zur Host-Synchronisation und zum Einstellen der Taktrate.
Schließlich sind noch die vier »Soft Keys« interessant, die quasi als frei zuweisbare, jeweils exklusiv wirkende An/Aus-Schalter für bestimmte Parameter fungieren können.
Module
Sehr bemerkenswert ist der Function Generator. Hier gibt es neben klassischen Wellenformen auch triggerbare einzelne Schwingungsdurchgänge verschiedener Art. Auch Fortgeschrittenes wie Sample & Hold mit zufallsgenerierten Werten bei jedem Triggern steht zur Verfügung. Wer das nach einigem Studium und in Verbindung mit musikalisch sinnvollen Parametern schließlich planvoll einzusetzen weiß, dem eröffnen sich ganz neue Welten. Diese Sektion birgt wohl einige der stärksten Argumente für den Kauf dieses Plugins.
Bei den LFOs gibt es eine reichhaltige Palette an Wellenformen, teils mit musikalisch sinnvollen Abwandlungen und Kombinationen der prototypischen Formen Sinus, Sägezahn und Co. Das Triggering der LFOs kann lediglich manuell ausgelöst werden, ein automatisches Neu-Triggern der LFO-Welle bei 0:00.000 des DAW-Projekts ist leider nicht implementiert. Wohlmeinend könnte man das unter »analoges Feeling« verbuchen, ich empfinde das jedoch eher als Dämpfer, den ich nach heutigem Stand der Technik und in einem Plugin zu diesem Preis lieber noch nachgeliefert bekommen würde.
Das Delay geht bis zu 600 Millisekunden, modulieren lassen sich hier die Delay-Zeit und die Intensität des integrierten Tiefpassfilters. Per Triggersignal lässt sich aus dem Delay auch ein statischer Stottereffekt machen – nett für die Live-Anwendung.
Die Flexibilität der Filter ist zufriedenstellend, es werden die üblichen Modi für Tief-, Hoch- und Bandpass geboten. Die graphische Darstellung der Filterkurve nehme ich sehr gerne mit. In zwei dedizierten Slots lassen sich die Frequenz und Resonanz (»Q«) über die Modulationsquellen beeinflussen, die abseits von LFO und Co. zur Verfügung stehen – die Softkeys, Pitch- und Modulationsrad, MIDI-Expression-Pedal und mehr, jeweils mit bestimmbaren Mini- und Maximum der Intensität. Der Sound gefällt mir insgesamt sehr gut.
Das Pitch-Shifting ist in Hundertstelschritten zwischen -4.800 bis +1.200 regelbar, es steht also der volle Spielraum zwischen »vier Oktaven tiefer« und »eine Oktave höher« zur Verfügung. Prima, dass hier gleich noch Kontrollen für die zeitliche Verzögerung um x,x Millisekunden an Bord sind. So lassen sich auch sehr schnell Effekte wie Split Harmonizer für Vocals, Stereoverbreiterungen und mehr realisieren.
Die Signalverarbeitung in allen Modulen, die zwischen den Inputs und Outputs stehen, geschieht in Mono. Der zunächst erfreuliche Umstand, dass je zwei Module der oben erwähnten Effekttypen vorhanden sind, wird dadurch in vielen Fällen schon wieder aufgezehrt. Parameterwerte lassen sich nicht per Copy & Paste übertragen, auch gibt es keine Möglichkeit zur Stereoverlinkung. So muss für ein einfaches Stereo-Routing mit jeweils gleichen Einstellungen für den linken und den rechten Kanal alles zweimal eingestellt werden muss – und dann gegebenenfalls in einem der beiden Module immer wieder nachjustiert, um die Einstellungen des anderen zu spiegeln.
Bedienung
Cool: Die Effektmodule im »Program«-Tab lassen sich per Drag & Drop verschieben. Nach einem Klick auf ein Modul öffnet sich rechts eine Ansicht, in der die jeweiligen Parameter zugänglich sind. Feineinstellungen lassen sich dort bei gedrückter Strg-Taste (bzw. »Ctrl« beim Mac) tätigen, auch das Verstellen von Parameterwerten mit der Maus ist möglich. Die frei zuweisbaren Softkeys sind eine fabelhafte Möglichkeit, sich die wichtigsten Parameter zurechtzulegen und diese mit dem großen schwarzen Drehregler zu modulieren. Zudem lassen sich die Slots im Display beliebig benennen.
Es gibt leider kein Undo/Redo, was sich beim Ziehen der virtuellen Patch-Kabel schmerzlich bemerkbar macht. Denn hier kannst Du komplexe Verschaltungen mit einem unbedachten Mausklick auf mehrfach belegte Buchsen zunichtemachen – längst nicht jede DAW bietet die Möglichkeit eines Undo/Redo von Parameteränderungen in Plugins.
Fortgeschrittenes
Parameterintensitäten und Trigger-Impulse diverser Module, die klassischerweise als reine Modulationsquellen fungieren, lassen sich ihrerseits durch eine Vielzahl von Quellen steuern. So dürften wirklich alle gut versorgt sein, die Erfahrung haben und genau wissen, was sie mit dem Sound anstellen wollen – dank der Trigger-Möglichkeiten auch in Live-Situationen.
Im mit »Expert« beschrifteten Reiter finden sich noch einmal sämtliche Effektparameter aller Module in der Übersicht, schnelle Korrekturen sind möglich. Sehr schön.
Darüber hinaus hast Du unter »Function« die Möglichkeit, Modulationsquellen wie die Softkeys, Pitch- bzw. Modulationsrad und Co. anzugeben – auch hier für alle Module auf einen Blick.
Sehr schade: Sidechaining funktioniert nur mit den AU- und AAX-Versionen. Nun, vielleicht wird das noch nachgereicht, die Migration auf native Plugin-Formate ist ja noch nicht allzu lang her.
Abschließend ist erwähnenswert, dass das H3000 Factory auch von sich aus Klänge erzeugen kann. Die kommen ziemlich bizarr daher und viele davon hantieren mit starkem Feedback. Von spacig bis gespenstisch ist hier alles dabei, sehr schön.
Sounds im Eventide H3000 Factory Testbericht
Chaos Generator
LFO Warper
Devine Shuffle
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Eventide H3000 Factory Test-Fazit
Mit dem Eventide H3000 Factory ist es dem Hersteller geglückt, die Qualitäten der Hardware in Software zu übersetzen, auch wenn einige Algorithmen fehlen. Wie bei wohl kaum einem anderen Plugin sind derart abgefahrene Effekte möglich, die mit Glück und noch mehr Geschick sehr charakterstark tönen und eine Fundgrube experimenteller Klänge auftun.
Die Modulationsmöglichkeiten der sechs eigentlichen Effektmodule sind gewaltig. Dabei fällt immer wieder auf, dass trigger-basierte Aktionen eine bedeutende Rolle spielen, was gerade im Function Generator für interessante Eingriffsmöglichkeiten jenseits all der automatisch ablaufenden Prozesse sorgt. Die Softkeys bieten schließlich einen willkommenen Schnellzugriff auf gewünschte Parameter.
All das nimmt deinen Prozessor, sofern er auch nur halbwegs aktuell ist, relativ dezent in Anspruch. Hochkomplexe Patches ringen etwa dem delamar Audio PC 2012 nicht mehr als ein müdes Lächeln ab und auch deutlich schwächere Systemen dürfte so schnell nicht aus der Puste kommen.
Die ausschließlich in Mono realisierbare Signalverarbeitung der Effektmodule ohne Stereo-Link machte das Patching entweder umständlich und unübersichtlich (all die Kabel!) oder schränkte es in gewissen Situationen ein, in denen ich für die Bearbeitung meines mein Stereo-Eingangssignals mehr als ein Modul eines bestimmten Effekttyps verwenden wollte.
Weitere Limitierungen: das ausschließlich in AU & AAX vorhandene Sidechaining, das ausschließlich manuelle Triggering der LFOs und das teils verschwenderisch gestaltete GUI mit seinen folglich winzigen Bedienelementen.
Alles in allem überzeugt mich das Plugin mit all seinen Möglichkeiten jedoch so gut, dass es die entsprechende Wertung bekommen soll – vier von fünf Punkten sind’s im Eventide H3000 Factory Testbericht auf delamar.
Features Eventide H3000 Factory Review
- Hersteller: Eventide
- Multieffekt
- Filter, Pitch, Delay & Modulation
- Modulare Verschaltung
- 464 Presets
- Windows & Mac OS X
- VST, AU, AAX
- iLok 2 erforderlich
PASSEND ZUM Eventide H3000 Factory Test
- Eventide Tverb Test
- Eventide 2016 Stereo Room Test
- Eventide Omnipressor Test
- Eventide Blackhole Test
- HOFA IQ-Series Limiter V2 Test