Faszination Synthesizer oder
Der Versuch Leidenschaft in Worte zu fassen (Interview)
Von Davina Brandstädter am 25. Juni 2018
Darf es etwas Synthi sein?
Der Synthesizer ist nicht nur ein sehr vielseitiges Instrument, sondern wie es scheint, besitzt jedes Model auch seinen ganz eigenen Charakter. Wir haben Meister der Klangsynthese gefragt, was sie am meisten an diesem speziellen elektronischen Werkzeug fasziniert, wie sie sich an die große Palette der Soundgestaltung herantasten und welche Synthesizer für sie im Vordergrund stehen.
Wie kamst Du auf den Synthi? Was begeistert dich daran?
Kebu: Als Kind habe ich ein wenig Klavier gespielt, wechselte aber später zur Gitarre, als ich anfing mich für Rockmusik zu interessieren. Nichtsdestotrotz war ich besser im Klavierspiel und merkte, dass Keyboarder in Rock Bands gefragt waren. So fing ich in der High-School an, mit Synthesizern zu hantieren.
Begeistert hat mich vor allem die Tatsache, dass jeder Synthi seinen vollkommen einmaligen Klang hat; selbst bei Modellen, die auf dem Papier erst einmal ähnlich erscheinen. Für mich ist es daher äußerst aufregend, die Identität eines Synthesizers zu entdecken und seinen Platz im Mix zu finden.
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Je nachdem, welchen Synthie man in den Händen hat, beinhaltet dieser doch wieder ein neues Universum; unendliche Weiten. Das ist wie in die Sterne gucken.
Katja Ruge: Ich bin ein Kind der 80er und mit elektronischer Musik groß geworden. Aber mich machen die alten analogen Maschinen visuell sehr an, so ist dann vor einigen Jahren die Liebe neu entbrannt bzw. da fing ich an mich intensiver mit Ihnen zu beschäftigen.
In erster Linie ging es mir darum Stems für meine DJ Sets zu kreieren und dann bin ich hängen geblieben und habe angefangen mich öfters mit Frank im Studio zu treffen und Klangentdeckung zu betreiben. Eine Freundin hat uns den unseren ersten Remix-Job gegeben, das hat uns sehr viel Spaß gemacht. Die manchmal schlimmen Plug In-Sounds auszutauschen gegen schöne analoge.
Katja Ruge
Die Musikerin und Fotografin Katja Ruge bezeichnet sich selbst als »Synth Music Lover«. Dabei beginnt ihre Liebe bereits beim Look der alten, analogen Synthesizer-Maschinen.
Im Rahmen ihrer Kompositionsserie „Kann denn Liebe Synthie sein?“ („Can Love Be Synth?“) startete sie daher ebenfalls eine fotographische Reihe zu kultigen Synthesizern wie dem Korg MS-20, dem Roland CR-78 oder dem altberüchtigten Minimoog. Ihre musikalischen Kompositionen reichen von 80er Synthpop, New Wave, Italo Disco bis hin zu Nu-Disco, Indie-Electronics, Outrun, Cosmic und Dark Disco.
Was unterscheidet einen Synthesizer deiner Meinung von anderen Instrumenten?
Kebu: Obwohl es einige legändere Marken und Modelle an Synthesizern gibt, bin ich nicht der Meinung, dass man die klangliche Bandbreite, die ein Synthesizer zu bieten hat, an einem einzigen Ideal festmachen sollte. Genau das unterscheidet ihn auch von allen anderen Instrumenten.
Während es beispielsweise zig verschiedene Arten von Gitarren gibt, liegt doch allen das gleiche einfache Prinzip der Klangerzeugung zugrunde: eine gezupfte, vibrierende Saite. Bei Synthesizern hingegen existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten zur Klangerzeugung, weshalb auch der Unterschied zwischen einzelnen Synthesizern enorm sein kann. Zwei verschiedene Modelle sind manchmal wie zwei komplett unterschiedliche Instrumente.
Katja Ruge: Jedes Musikinstrument, von der Klangschale bis zum Synthesizer hat seinen eigenen wunderbaren Sound. Je nachdem welchen Synthesizer man in den Händen hat beinhaltet dieser doch wieder ein neues Universum; unendliche Weiten. Das ist wie in die Sterne gucken.
Welcher war dein erster Synthesizer? Welche(n) benutzt Du aktuell?
Kebu: Mein erster Synthesizer war ein Kawai K1 II, den ich gehasst habe! Er eignete sich sicherlich ganz gut für bestimmte Arten von Sounds, aber nicht für Rock; und dafür hätte ich ihn gebraucht. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich allerdings noch nicht, dass Synthesizer so unterschiedlich sein konnten.
Somit war es für mich zum damaligen Zeitpunkt einfach der falsche Synth. Heute nutze ich ausschließlich analoge Synthese um Musik zu produzieren und zu entdecken. In meinem Studio habe ich daher in inzwischen etwa 30 analoge Synthesizer gesammelt.
Katja Ruge: Ich bin ja in der glücklichen Lage im Synthesizerstudio Hamburg, das Sunny Vollherbst und Frank Husemann gehört auf eine Vielzahl von sehr kultigen, wertvollen, raren Original Maschinen zugreifen zu können.
Meine erste Drum Machine war die Roland TR-606, die mir ein Freund geschenkt hat, weil sie schon seit Ewigkeiten bei ihm herumlag.
Mein erster gekaufter war ein Teil des Roland System 100. Das gute Stück ist immer in Gebrauch, unfassbar hübsch und soundmäßig einfach gewaltig.
Kebu
Mit seinem Debutalbum „To Jupiter and Back“ landete der Klangkünstler der melodischen Synthesizer-Musik 2012 direkt in den Top 30 der finnischen Album-Charts. Allein 2017 gab er europaweit rund 50 Konzerte.
Durch seine kunstfertige Spielweise auf analogen Synthesizern zieht er sein Live-Publikum in den Bann und räumte im gleichen Jahr den Preis „Bester Künstler“ beim Schallwelle Award (Deutscher Preis für Elektronische Musik) ab. In seinem zuletzt veröffentlichten 2-seitigen Album „Perplexagon“ vereinte er 70er, 80er und moderne Elektromusik und schaffte es damit in die Top 6.
Was ist dir grundsätzlich an einem Synthesizer wichtig?
Kebu: Für mich ist das allerwichtigste an einem Synthesizer, dass er einen eigenen Charakter besitzt – seinen individuellen Sound.
Katja Ruge: Analog und alt sollte er sein. Es gibt viele tolle Nachbauten und Neues, aber da mich der visuelle Part nicht unwesentlich interessiert, bleibe ich bei den alten Maschinen.
Kreierst Du deine Sounds gezielt für ein Projekt oder lässt Du dich von zufällig entstandenen Sounds zu Projekten/Songs inspirieren?
Zwei verschiedene Modelle sind manchmal wie zwei komplett unterschiedliche Instrumente.
Kebu: Beides. Wenn ich ein neues Stück anfange, werde ich manchmal durch das Spielen mit einem Klang oder Synthesizer inspiriert. Manchmal jedoch wache ich auch mitten in der Nacht mit einer Melodie im Kopf auf und habe dabei oft eine klare Vorstellung, welche Art von Sound ich dafür brauche.
Katja Ruge: Ich mache ja zusammen mit Frank Husemann Musik, der sich natürlich unfassbar gut auskennt, da er damit schon so lange Musik macht. Davon profitiere ich natürlich sehr und lerne bei jedem Studiotag ein wenig dazu wie was klingt. Wir beide gehen aber eher intuitiv und voller Neugierde jedes Mal an die Maschinen. Ab und zu will da auch was raus, worauf man nie kommen würde; mich begeistert das persönlich immer sehr.
🎬 Kebu Live Performance
Wer ist dein persönliches Vorbild aus der Welt der experimentellen Klangerzeugung?
Kebu: Ich würde sagen Jean Michel Jarre. Er hat in seinen Alben der ersten beiden Jahrzehnte die individuellen Charaktere seiner Synthesizer ohne Frage sehr gut zum Einsatz gebracht.
Katja Ruge: Mich begeistern tatsächlich eher die Produzenten die es verstehen einer Band einen bestimmten Sound zu geben. Martin Hannett und Martin Rushent sind für mich wirklich Magier gewesen und damit der Sound den sie kreiert haben wie z.B. für die Bands Joy Division und The Human League.
Was macht deinen persönlichen Sound aus?
Kebu: Für meine ersten beiden Alben habe ich mehr oder weniger das gleiche Setup an Sythies genommen. Diese Auswahl hat bereits einen großen Teil meines Sounds bestimmt. Zudem bringe ich die meisten dieser Instrumente mit zu meinen Live-Konzerten.
Katja Ruge: Wie es aus der Maschine raus kommt so werden die Sounds auch benutzt. Lediglich das wunderbare Roland Chorus Echo RE-301 wird eigentlich immer dazu gezogen um es etwas spaciger und runder klingen zu lassen.
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Welchen Synthesizer kannst Du für einen Einsteiger empfehlen? Welcher eignet sich eher für Fortgeschrittene?
Kebu: Vor kurzem ergab sich für mich eine Zusammenarbeit mit Roland, daher konnte ich mich mit deren Produkten recht gut vertraut machen. Um die Grundlagen der subtraktiven Synthese zu verstehen, würde ich den Roland System 8 empfehlen.
Er ist sehr einfach zu bedienen und klar strukturiert: für jede Funktion gibt es einen Kopf oder Regler. Der Klang ist ziemlich überzeugend und es lassen sich durch das Plug-In Konzept verschiedene Tonerzeugungen nachladen. Daher ist er auch für den fortgeschrittenen Spieler gut geeignet.
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Jenen mit kleinerem Budget kann ich den Roland JD-Xi ans Herz legen. Er enthält einen analogen und zwei digitale Synthesizer sowie eine Drum Maschine, die allesamt gleichzeitig genutzt werden können. Wem dieses Konzept gefällt, aber gerne ein wenig tiefer in die Soundprogrammierung eintauchen möchte, dem rate ich zum Roland JD-Xa.
Dein persönlicher Favorit unter den Synthies?
Kebu: Mein persönlicher Favorit ist der KORG Mono/Poly. Er hat einen sehr speziellen Klang und Charakter, der sich nur schwer mit irgendeinem anderen Synthesizer nachbilden lässt. Ich habe mich bereits oft durch seine Sounds inspirieren lassen, weshalb er ein wichtiger Bestandteil meiner Songs ist.
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Katja Ruge: Der Polivoks, ein russischer Synthesizer. Ich verstehe kein Wort was darauf steht, er ist auch echt limitiert im Sound, aber wenn er einen guten Tag hat (und ich auch) kommt da der Wahnsinn raus.
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Was machen deine Waves?
Tauchst Du ebenfalls gern in die Tiefen des synthetischen Sound-Universums ein? Als Bastler oder Zuhörer? Was fasziniert dich persönlich an dieser Musik? Wir sind gespannt zu erfahren, wie und auf welchen Geräten Du deine Sounds und Kompositionen erstellst. Die Möglichkeiten sind grenzenlos … wir freuen uns auf deine Kommentare!