Songwriting lernen
In 15 Minuten zur eigenen Akustik-Ballade
Von Julius Busch am 14. März 2017
Praxis Workshop: Songwriting lernen
In den letzten 20 Jahren hat sich im Musikbusiness einiges getan, vor allem technisch. Heute kann Jeder in seinem eigenen Homestudio eine Band aufnehmen, während vor zehn Jahren noch der Gang ins Studio nötig war.
Praktischerweise gibt es sogenannte Arranger-Pianos. Diese haben schon vorab eine große Menge an Sounds und Stile eingespeichert. Sie sind dazu ausgelegt, möglichst schnell und einfach Musik zu spielen – häufig im Umfeld von Entertainern und Alleinunterhaltern.
Was die wenigsten wissen: Sie sind bestens dazu geeignet, um eigene Songideen in Windeseile als Skizze oder Vorproduktionen umzusetzen. In unserem Workshop zeigen wir dir, wie Du Songwriting lernen kannst an einem solchen Piano.
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Was Du im Songwriting Workshop lernst:
- Du lernst den kompletten Weg des Songwriting
- Du lernst, wie man mit einem Arranger Piano Songs schreiben kann
- Du lernst den Ablauf dieses Prozesses kennen
Songwriting lernen mit einem Arranger-Piano
Ein Arranger-Piano wie der Yamaha Tyros kann all das, was ein Audio PC auch könnte. Diese Arranger Workstation gehört zur Oberklasse ihrer Kategorie, was sich leider auch im Preis widerspiegelt.
Dafür geht der Tyros keinerlei Kompromisse ein und liefert eine absolut einwandfreie Performance. Leider werden Arranger-Pianos als Instrumente der Alleinunterhalter abgestempelt und somit völlig unterschätzt.
Zum Yamaha Tyros 5 Testbericht »
Schritt für Schritt zur eigenen Akustik-Ballade
Teil 1: Der stilistische Rahmen
Ich habe mich für eine melancholische Ballade entschieden, die gut zum regnerischen Wetter draußen passt. Alle einzelnen Schritte lassen sich auch auf das Komponieren mit einer Gitarre anwenden – je nachdem was Du zur Verfügung hast – der Prozess ist der gleiche. So kannst Du das Songwriting lernen auch ohne ein Piano zu besitzen!
1 – Welchen Stil soll mein Stück haben?
Zunächst solltest Du für deinen Song ein Genre auswählen. Egal ob Pop oder R’n’B, die Soundbibliothek im Tyros unterstützt dich bei jedem Stil. Ich möchte eine Ballade mit akustischen Instrumenten schreiben.
2 – Das richtige Tempo
Das Tempo wird später maßgeblich die Stimmung beeinflussen, die dein Stück vermittelt. Du hast die Wahl: Ein höheres Tempo (110 – 145 BPM) regt natürlich zu Aktivität an oder ist zum Tanzen geeignet.
Mit sinkendem Tempo (50-100 BPM) wird die Stimmung erst nachdenklich und dann, bei einem sehr niedrigen Tempo, oft auch depressiv. Ein langsameres Tempo kann auch eher im Radio laufen.
In meiner Ballade wähle ich mir ein mäßiges Tempo von 90 BPM und einen 4/4 Takt.
3 – Tonart
Die Antwort auf diese Frage entscheidet nun endgültig, welche Stimmung dein Song vermitteln wird. Eine Tonart in Dur kann fröhlich klingen, während Tonleitern in Moll entweder traurig oder episch wirken.
In meinem Fall möchte ich eine für Balladen typische nachdenklich-traurige Stimmung vermitteln. Daher wähle ich für mein Stück G-Moll.
4 – Akkorde
Vor allem Pop-Songs basieren auf einfachen Akkordstrukturen. Oft benutzen Künstler für ihre Stücke nur ein Set aus vier Akkorden welche immer wieder in verschiedenen Variationen wiederholt werden.
Ein gutes Beispiel hierfür ist „Radioactive“ von den Imagine Dragons:
Andere Komponisten benutzen zwei oder mehr Sets von Akkorden, um Kontraste zwischen den einzelnen Teilen des Liedes herzustellen. Auch ich werde in diesem Stück zwei Sets von Akkorden verwenden. Ein Set für den Chorus und ein anderes für die Strophen.
Strophe: Bb – Dm – Eb – (Bb – F)
Chorus: Gm – Eb – Bb – F
5 – Dramaturgischer Aufbau
Der dramaturgische Aufbau ist der Bauplan des Stücks – das Arrangement. In welcher Reihenfolge kommen Chorus und Strophen? Gibt es Elemente wie Pre-Chorus oder Intro? Diese Fragen beantworte ich, bevor ich mich ans Komponieren mache.
In meinem Fall habe ich mir folgenden Aufbau überlegt:
Teil 2: Das Komponieren
Der Stil und der Rahmen unserer Akustik-Ballade ist jetzt festgelegt. Beginnen wir, unser Konzept kompositorisch auszuarbeiten. Der Tyros bietet uns zu diesem Zweck die Möglichkeit, 16 MIDI- oder Audio-Spuren parallel aufzuzeichnen.
1 – Rhythmus und Beat
Der Tyros stellt für diesen Schritt eine riesige Palette verschiedener Drum-Loops bereit. In seinem Menü kannst Du zwischen elf „Styles“ mit jeweils 60 Loops auswählen, eigene Loops erstellen oder über einen USB Stick importieren. Praktisch ist, dass Du jeden Loop in der Geschwindigkeit beliebig anpassen kannst.
Für meinen Song habe ich in der Rubrik Ballade eine passende rhythmische Begleitung gefunden und sie an mein Tempo angepasst. Der Rhythmus ist einfach und nicht zu aufdringlich.
2 – Bass
Jedem Stück liegt ein Bass zu Grunde, welcher zumeist die Grundtöne der jeweiligen Akkorde spielt. Auch hier bietet der Tyros eine große Auswahl an virtuellen Instrumenten. Von Kontrabass bis zu einem Synthesizer ist alles dabei.
Aus den acht akustischen Bässen habe ich mir nur einen recht klar klingenden ausgesucht. Um zu testen, ob dieser zum Beat passt, habe ich diesen mit dem Bass begleitet.
3 – Begleitung Klavier
Auf dem Bass bauen nun andere Instrumente auf. Für meine Ballade möchte ich ein akustisches Klavier und eine Streichergruppe als Begleitung. Bei Rock würdest Du bspw. zwei E-Gitarren benutzen.
Beim Klavier habe ich jetzt die Qual der Wahl, da mir der Tyros über 50 verschiedene Pianos anbietet, aus denen ich mir eines aussuchen muss. Letztendlich habe ich mich für ein Pop Grand-Piano á la Say Something von Christina Aguilera entschieden und dieses sofort an meinem Drum-Loop ausprobiert.
4 – Begleitung Streicher
In vielen Sound-Bibliotheken klingen die Streicher oft sehr synthetisch. Der Tyros glänzt in diesem Fall jedoch mit verblüffend realistisch klingenden Streichern, welche zudem in klassischen Gruppen wie Celli und Violinen unterteilt sind.
Streicher sind schon allein wegen der Hörgewohnheiten vieler Menschen optimal dafür geeignet, das Piano zu begleiten. Für meine Ballade entscheide ich mich für ein klassisches Streicher Quartett.
5 – Melodie oder Gesang
Hast Du einen Text für deinen Song geschrieben? Dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, diesen auf eine Melodie zu übertragen und ihn in dein bisheriges Arrangement einzusetzen. Andernfalls sind nun die musikalischen Themen und Soli an der Reihe.
Meine Soli werden von Flöten und französischen Hörnern gespielt. Letztere tragen die melancholische Stimmung sehr gut und die Flöte setzt sich in den Höhen gut als Solist durch.
Die beiden Instrumente treffen sich im Chorus, während die Flöte in den Strophen alleine spielt. Für Strophe und Chorus spielen die Soloinstrumente die dafür festgelegten Themen in Variationen.
Leichte Variationen sind sehr wichtig, da die Melodien schnell langweilig werden. Beim Tyros hast Du zudem die Möglichkeit, die Eintönigkeit mittels der Modulation zu verhindern. Die Modulation macht den Klang der Instrumente ausdrucksstärker und realistischer.
6 – Lückenfüller und weitere Solostellen
An den Stellen, in denen die Soloinstrumente pausieren oder die Dynamik der Akustik-Ballade nicht ausfüllen, füllen wir die Lücken mit den Begleitinstrumenten auf.
Versuche, die Stimmung weiter auszuarbeiten. Die Begleitinstrumente können für kurze Zeit kleinere Soli (Fill Ins) oder einfach nur lauter spielen.
Ich habe kleine Improvisationen in den Noten der jeweiligen Akkorde benutzt und bin dabei gleichzeitig etwas lauter geworden.
7 – Mehr dramaturgische Elemente
Zuletzt musst Du dein gesamtes Stück nochmal überarbeiten. Damit gehst Du sicher, dass dein Song-Arrangement an jeder Stelle genau das aussagt, was Du bezweckst. Erst im Kontext aller bisherigen Schritte kannst Du einzelne Abschnitte hervorheben und in die Trickkiste mit den Stilmitteln greifen.
Bei Songs mit Gesang füge ich an dieser Stelle oft mehrstimmige Hintergrundgesänge ein. Teilweise kommen weitere Instrumente hinzu.
In meiner Akustik-Ballade werde ich im Pre-Chorus und im letzten Chorus gezupfte Streicher einfügen, um den Rhythmus weiter zu unterstreichen. Und fertig ist das Arrangement. Vermutlich denkst Du jetzt, dass Songwriting lernen gar nicht so schwierig ist. Die richtige Routine kommt aber erst mit der Übung – also ran an die Tasten!
Fazit nach 15 Minuten Songwriting
Jetzt haben wir ein fertiges Arrangement vorliegen, eine erste Skizze. Jetzt können wir das Stück auf einem USB-Stick speichern oder es direkt an den PC schicken. Ich habe mein Arrangement als MIDI-File exportiert und es mir in Notenschrift ausdrucken lassen.
Auf diesem Weg kann ich meinen selbst geschriebenen Song nun an die Band geben, damit diese üben kann. Ich habe meinen Song auch als WAV-File exportiert für alle, die keine Noten lesen können und natürlich für mich als Skizze.
Dank der Technik wird das Musizieren immer einfacher und jeder kann das Songwriting lernen. Wir können heute Musik produzieren, ohne Noten zu schreiben oder Musiker anzuheuern. Viel schneller als mit einem Arranger-Pianos wie dem Tyros wird es nicht mehr, im Alleingang Musik zu komponieren und diese vorzuproduzieren.