Snare Drum Phasing Tutorial
Mehr Punch & Durchsetzungsvermögen
Von Jens Vogel
Mehr Punch für deine Snare Drum
Der folgende Ratgeber führt dich sicher durch die Untiefen deines Frequenzgangs und bringt deinen Song zurück in harmonische Gefilde. Mithilfe dieses Tutorials für die Bearbeitung deiner Drum-Aufnahmen erhältst Du eine klare und kräftige Snare Drum, die sich prägnant im Mix durchsetzen kann.
Was Du zunächst wissen solltest:
- Die eigentliche Ursache für den Einbruch im Klangbild wird als Phasing bezeichnet.
- Phasing entsteht durch zeitlich versetzte Überlagerung ähnlicher Signale oder Signalanteile. Je größer die Ähnlichkeit, desto stärker der Effekt.
Erfahre in den folgenden Abschnitten, wie das Phänomen zu Stande kommt und wie deine DAW-Software dir dabei helfen kann, die volle Kontrolle über den Sound der Snare Drum zurück zu gewinnen.
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Wie entsteht Phasing?
Bei der Schlagzeugabnahme mit mehreren Mikrofonen wird die Snare Drum häufig aus unterschiedlichen Winkeln und Entfernungen aufgenommen. Je mehr Mikrofone verwendet werden, desto größer die Gefahr, dass der Klang darunter leidet. Aber warum wird die Snare nicht noch fetter und lauter, wenn Du einzelne gut klingende Signale miteinander mischst?
Gute Frage. Schauen wir uns mal an, was passiert, wenn eine Snare Drum mit zwei Mikrofonen (von oben und unten) sowie zusätzlich von den Overheads abgenommen wird:
Dies ist die vergrößerte Wellenform-Darstellung eines einzelnen Schlags. Es wird dir auffallen, dass das Signal bei den Overheads zeitlich verzögert ankommt. Dies ist auf den größeren Abstand zur Schallquelle zurückzuführen. Die Überlagerung der zeitlich versetzten Signale erzeugt einen hörbaren Kammfiltereffekt – auch als Phasing bezeichnet.
Eine weitere Entdeckung wirst Du machen, wenn du dir die Auslenkungsrichtung der Wellenformen einmal genau anschaust. Teppich und Schlagfell weisen unterschiedliche Polaritäten auf.
Zur Verdeutlichung eine vereinfachte Darstellung des obigen Beispiels:
Die Wellenberge und Wellentäler der Teppich- und Schlagfellspuren sind gegenläufig. Die Ursache hierfür findest du in der Mikrofonpositionierung bei der Abnahme der Snare Drum.
Stellen wir uns einmal in Zeitlupe vor, was passiert, wenn ein Drumstick das Fell trifft: Kurz nachdem sich das Schlagfell (oben) nach innen bewegt, wird das Resonanzfell (unten) nach außen gedrückt. Die Membranen beider Mikrofonkapseln bewegen sich daher in verschiedene Richtungen und als Resultat werden entgegengesetzte Wellenformen aufgezeichnet.
Dieser Polaritätsfehler tritt immer dann auf, wenn Mikrofon-Einsprechrichtungen aufeinander zeigen – also bei einer Überschneidung der Aufnahmebereiche. Die Folge ist eine partielle Auslöschung jener Frequenzen, die von beiden Mikrofonen in etwa gleich laut aufgenommen werden.
Das Problem identifizieren
Das sogenannte Snare Phasing ist somit in der Tat nicht ein einzelnes Phänomen. Du hast es hier mit zwei verschiedenen Problemstellungen zu tun. In diesem Abschnitt erfährst Du, was zu tun ist, um beides in den Griff zu bekommen.
Zuerst einmal gilt es, zweifelsfrei festzustellen, ob deine Snare-Aufnahme ein Polaritätsproblem hat und ob eine Phasigkeit vorliegt, die sich negativ auf den Klang auswirkt. Der Regelfall ist, dass beides in Kombination auftritt. Aber es gibt auch Ausnahmen. Daher ist eine eingehende Prüfung deiner Tracks unerlässlich.
Für die Fehlersuche- und -korrektur bietet es sich an, die von deiner DAW bereitgestellten Features zur Klang-Visualisierung zu nutzen. Dies ist gerade dann hilfreich, wenn die Thematik Neuland für dich ist und dir die klanglichen Eigenheiten der beiden Phänomene noch nicht sehr vertraut sind (siehe auch die Tool Box für weitere Plugin-Empfehlungen).
Prüfen auf Polaritätsfehler
Geh folgendermaßen vor, um die Polarität grafisch zu prüfen:
Zu vergleichende Spuren auf Solo stellen (z.B. Snare Top & Snare Bottom).
Eine Stelle suchen, die auf beiden Spuren in etwa gleich laut aufgenommen wurde.
In die Wellenform zoomen.
Ausrichtung der Amplituden prüfen.
Ein Polaritätsfehler liegt vor, wenn Du bei den Transienten mehrerer lauter Schläge (mindestens drei bis vier ansehen) entgegengesetzt verlaufende Wellenformen findest.
Wenn Du genügend Hörerfahrung hast und den Klangunterschied sicher einschätzen kannst, empfehle ich die Beurteilung nach Gehör vorzunehmen (siehe Abschnitt »Manuelle Korrektur«).
Prüfen auf Phasenfehler
Während Du einen gefundenen Polaritätsfehler in jedem Fall korrigieren solltest, trifft dies nicht zwingend auf Phasenabweichungen zu, da diese Phasigkeiten unter Umständen auch erwünscht sein können. Laufzeitunterschiede kommen gezielt zum Einsatz, um räumliche Tiefe zu erzeugen (zum Beispiel bei Stereofonie-Anordnungen oder Raummikrofonen).
Achtung: Die unbedachte Kompensation von Laufzeitunterschieden kann die räumliche Wahrnehmung deiner Drums schmälern. Hier ist Probieren angesagt.
Um eine Phasenabweichung grafisch zu identifizieren, gehst Du wie folgt vor:
Markante Ausschläge suchen und in allen Spuren identifizieren.
An den Beginn der Wellenform zoomen.
Lage der Wellenberge und Wellentäler vergleichen – Liegen diese horizontal übereinander?
Bestätige die festgestellte Abweichung durch die Kontrolle weiterer Schläge.
Gibt es überall ähnliche Abweichungen, können diese gezielt kompensiert werden.
Auch hier ist es möglich, ausschließlich nach Gehör vorzugehen. Dies wird dringend empfohlen, da die grafische Lösung nicht sehr genau ist und verhältnismäßig viel Zeit beansprucht. Der folgende Abschnitt zeigt dir, was zu tun ist, um Polarität und Phase wieder ins Lot zu bringen.
Manuelle Korrektur – So wird’s gemacht
Da die größten klanglichen Nachteile durch Polaritätsfehler entstehen, sollten diese immer zuerst korrigiert werden. Der Vorgang wird am Beispiel der Snare Top und Snare Bottom Spuren erklärt.
1. Korrektur der Polarität
Beide Spuren Mono summieren, auf Solo stellen und Loop-Wiedergabe auswählen.
Auf einer Spur die Polarität umkehren (hierfür gibt es Plugins oder eine integrierte Funktion in deiner DAW. Außerdem verfügen die meisten Equalizer über eine Option zur Polaritätsumkehrung. Halte Ausschau nach diesem Symbol: ø).
Sollte sich der Sound nicht sofort ändern, achte darauf, dass deine Spuren gleich laut sind und das Panorama mittig ist.
Klingt die Snare nach dem Umschalten voller und kräftiger oder wird sie eher leiser und dünner? Verwende die Einstellung, die dir eher zusagt. Richte dein Augenmerk auf den unteren Mittenbereich. Als zusätzlichen Indikator kannst du die Pegelanzeige am Master Bus verwenden.
2. Korrektur der Phasenlage (optional)
Korrektur nach Gehör – Anpassung der Direktmikrofone an die Overheads:
Snare Top/Bottom sowie die Overheads zu je einer Bus-Spur zusammenfassen.
Alle Kanäle mittig pannen und auf den Bussen jeweils ein Sample-Delay einfügen.
Bbeide Busse um ca. 1.000 Samples verzögern (das entspricht etwa 20 ms bei einer Samplerate von 44,1 kHz). Dies gibt dir die Freiheit, dich zeitlich vor und zurück zu bewegen.
Nun startest Du erneut die Loop-Wiedergabe und beginnst in kleinen Schritten den Delay-Wert der Direkt-Bus-Spur zu ändern. Bewege den Slider erst in eine Richtung und merk dir den Wert, der die größte Klangverbesserung bringt. Wiederhole den Vorgang für die andere Richtung. Vergleiche beide Settings und entscheide dich für eines.
Nachdem Du die ideale Einstellung für deine Tracks gefunden hast, ermittle die Differenz zwischen beiden Delays. Entferne das Delay vom Overhead Bus und ersetze den Delay-Wert der Direkt-Spur mit der ermittelten Differenz.
Die Korrektur der Busse ist damit abgeschlossen. Die Prozedur kann für alle Spuren mit Laufzeitunterschieden durchgeführt werden. Alternativ zur Verwendung von Delay-Plugins, kannst Du auch einzelne Clips innerhalb deiner DAW verschieben.
Was hat’s gebracht?
Hier siehst Du die Vorteile einer Polaritätskorrektur. Die Darstellung erfolgt mittels Analyzer auf dem Master Bus.
Dir wird auffallen, dass der Grundtonbereich nach der Korrektur um einiges aufgeräumter aussieht. Der Grundton selbst hat einen 15 dB höheren Pegel. Die ersten Obertöne wurden hingegen deutlich reduziert. Deine Snare gewinnt an Tiefe und Definition. Durch den konkreteren Druckbereich (hier um 200 Hz), wird sie sich besser im Mix durchsetzen.
Hier siehst Du die Vorteile einer anschließenden Phasenkorrektur:
Der Obertonverlauf ist nach der Korrektur deutlich gleichmäßiger. Deine Snare Drum wird lauter, klingt ausgeglichener und bekommt einen definierten Ton.
Auf einen Blick
Polaritätsfehler
- Aufgenommene Wellenformen bewegen sich in entgegengesetzte Richtungen.
- Mono-Summierung ergibt ein Signal, das mess- und hörbar leiser ist als jedes der beiden Ausgangs-Signale.
- Äußern sich in einem »dünnen« Klang, dem es v.a. an unteren Mitten bzw. Bässen fehlt (reduzierter Grundton, kein Body, geringes Sustain).
- Werden sehr deutlich, wenn sich beide Mikrofonkapseln auf derselben Achse befinden und aufeinander zeigen.
- Korrektur erfolgt durch Polaritätsumkehrung einzelner Spuren.
Phasenfehler
- Wellenformen beginnen zeitlich nacheinander.
- Mono-Summierung ergibt Kammfiltereffekt.
- Äußert sich akustisch in einem hohlen, metallischen Klang – nimmt Druck und Transparenz – hörbarer Verlust von Höhen und unteren Mitten, nicht so deutlich wie beim Polaritäts-Effekt.
- Verschiebung des Stereobildes im Mix, Verlust einer stabilen Mitte.
- Wird von Phasigkeit oder einem phasigen Klang gesprochen, so ist damit die akustische Auswirkung des Kammfilters gemeint.
- Vorrangig bei der Überlagerung von Snare Direktmikrofonen mit Overheads oder Raummikrofonen.
- Korrektur erfolgt durch zeitliches Verschieben einzelner Spuren.
Kann ich das Problem von vornherein vermeiden?
Prinzipiell ist eine komplette Vermeidung ausgeschlossen. Allerdings ist es möglich, Vorkehrungen zu treffen, um die Klangeinbußen zu minimieren.
Die häufigsten Ursachen für falsche Polarität und Phasing einer Aufnahme sind:
- falsch gepolte Kabel in deiner Signalkette
- Polarität im Mixer-Kanal versehentlich gedrückt und mitaufgenommen
- defekter Mixer-Kanal
- zu viele Mikrofone auf eine Schallquelle gerichtet
- ungeeignete Mikrofon-Anordnung
Die ersten drei Punkte sind mit etwas Achtsamkeit kontrollierbar. Die passende Mikrofonierung zu finden ist bereits ein eigenes Thema wert. Dennoch bekommst Du einen kurzen Überblick worauf du schauen solltest.
Achtung, Aufnahme!
Polaritätsfehler lassen sich nicht vermeiden, wenn die Snare Drum von oben und unten abgenommen wird. Allerdings lassen sie sich leichter korrigieren, wenn Du darauf achtest, die Mikrofone nicht in einem Winkel zueinander, sondern möglichst direkt aufeinander zeigen zu lassen (parallele Achsen).
Dies mag aus klanglichen Aspekten nicht immer vertretbar oder sinnvoll sein. Die folgende Abbildung zeigt einen möglichen Kompromiss:
Die denkbar schlechteste Anordnung ist eine 90° Ausrichtung der beiden Kapseln zueinander. Hier wird eine Polaritätsumkehrung keine große Verbesserung bringen.
Ähnlichkeiten mit der folgenden Positionierung sollten daher vermieden werden:
Phasigkeiten lassen sich reduzieren, indem du sicherstellst, dass sich deine Direktmikrofone im gleichen Abstand zur Snare befinden. Ebenso sollte die Entfernung beider Overheads zur Snare Drum identisch sein. Verwende ein Maßband oder eine Schnur, um die Strecke von der Mikrofonkapsel zum Mittelpunkt der Snare zu bestimmen.
Verschiebe die Mikrofone so lange, bis die Abstände gleich sind. Als Hilfsmittel kannst Du auch einen Korrelationsgradmesser verwenden.
Nicht jede Mikrofonierung erfordert eine zwingende Polaritätsumkehrung. Benutze deine Ohren und wähle das, was für dich am besten klingt.
Tool-Box
Plugins zur grafischen Analyse der Phasenlage:
Zur grafischen Darstellung der Phasenlage werden sogenannte Korrelationsgradmesser oder Vectorscopes verwendet. Es sind zahlreiche Plugins erhältlich, die eine oder beide Funktionen beherrschen.
- Nugen VisLM
- Waves PAZ
- iZotope Insight, Ozone
- Flux Stereo Tool [Freeware]
Plugins zur Phasenkorrektur:
Diese teilweise recht kostspieligen Plugins sind nicht zwingend erforderlich. Sie können sich jedoch als recht nützlich erweisen, wenn es mal wirklich schnell gehen muss.
- Little Labs IBP Phase Alignment Tool
- Sound Radix Auto Align, Pi
- Waves InPhase
»If it ain’t broke, don’t fix it«
Die oben beschriebenen Ansätze sind Empfehlungen. In der Praxis solltest Du stets von Fall zu Fall entscheiden, was dein Mix benötigt und was zu viel des Guten ist. Achte besonders auf Aspekte wie Räumlichkeit, Transparenz und die Abbildung im Stereopanorama. Eine übereifrige Anpassung der Phasenlage lässt deine Snare Drum schnell flach und künstlich klingen.
Gerade wenn der schmutzige Garagensound dein Ziel ist, kann es überzeugender wirken, die zeitliche Anpassung der Snare-Spuren etwas lockerer anzugehen, als bei einer geschniegelten Pop-Produktion.
Und vergiss bei alledem nicht, dass die Snare Drum den Mix voranbringen sollte und nicht umgekehrt ;) In diesem Sinne, fröhliches Polarisieren!
So holst Du das Beste aus deiner Snare Drum
Bist Du selbst für die komplette Drum-Produktion verantwortlich, stell sicher, dass die beschriebenen Probleme bereits in der Aufnahmephase minimal gehalten werden.
- Verschiebe die Mikros und achte auf Anzeichen eines phasigen Sounds.
- Teste schon vor der Aufnahme Polaritätswechsel einzelner Spuren.
- Vermeide ein Übersprechen der Snare auf andere Mikros, so gut es geht.
- Störendes Übersprechen lässt sich nachträglich entfernen, indem Du Tom- oder Hihat-Spuren von Hand editierst. Alternativ kannst Du auch einen Ducker mit Snare-Sidechain verwenden.
- Nutze zusätzliche Snare-Samples, um deinen Sound anzureichern. Hierbei tritt kein Phasing auf, da die Signale von unterschiedlichen Schallquellen stammen. So kannst Du bewusst mit zeitlichem Versatz arbeiten, um deine Snare noch „größer“ erscheinen zu lassen.