Gitarrensoftware
Vor- und Nachteile softwarebasierter Gitarreneffekte
Von Carlos San Segundo
Gitarrensoftware: Vor- und Nachteile softwarebasierter Gitarreneffekte
Alles, was Du heute noch für einen fetten Gitarrensound benötigst, sind eine Gitarre (mit Kabel), ein passendes Audio Interface, ein Audio Computer und eine Gitarrensoftware zur Amp-Simulation. Die Möglichkeiten und die Flexibilität der Erstellung und des Editierens deines Gitarrenklangs sind überzeugend, aber es gibt nicht nur Vorteile beim Verwenden von Gitarrensoftware am Computer.
Beginnen wir zunächst mit den Vorteilen der Gitarrensoftware:
Pro Gitarrensoftware: Niedrige Anschaffungskosten
Allein dir einen Gitarrenverstärker als Stack zuzulegen kann locker an die 5.000 Euro herankommen. Und dann besitzt Du nur einen Verstärker und nur dessen einen Klang. Dazu müsstest Du nun auch noch diverse Effekte, die ein oder andere Gitarrenbox, einen Haufen abgefahrener Stompboxes (Bodeneffekte) und natürlich auch noch die notwendige Verkabelung anschaffen.
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Ein Gitarren-Plugin kostet wenige hundert Euro und bietet dir eine ungeahnte Vielfalt an Gitarrenklängen, Effekten und Verstärkern. Dazu kommen noch die Emulationen unterschiedlicher Mikrofone, die ebenfalls ein Vermögen kosten.
Ein Audio Interface und ein Audio Computer sind in den meisten Fällen ja schon vorhanden. Aber selbst, wenn Du die Kosten zusammenrechnest liegst Du noch deutlich unter den Kosten für ein „echtes“ Gitarrensetup.
Kurzum: Die Anschaffungskosten für echtes Musik Equipment für deine Gitarre würde dich ein Vermögen kosten.
Pro Gitarrensoftware: Flexibilität
Das Erstellen neuer Klänge, das Ändern von Einstellungen und das Austauschen der Effektreihenfolgen sind ein echter Traum bei der Verwendung von solcher Gitarrensoftware. Mit wenigen Klicks ist der Gitarrenverstärker getauscht, ein neuer Distorsion-Bodeneffekt eingebunden oder das virtuelle Mikrofon durch ein besseres ersetzt.
Mit echtem Gitarren Equipment kann jede einzelne dieser Aktionen bereits eine Menge Zeit in Anspruch nehmen und wäre deutlich unpraktischer zu handhaben.
Pro Gitarrensoftware: Keine Anschlusssorgen
Ist es bei echtem Gitarren Equipment noch ein echtes Problem manch Effekte miteinander zu verkoppeln, so fällt dies bei der Verwendung einer virtuellen Amp-Simulation gänzlich weg. Impedanzen, Pegel und dergleichen sind Probleme von gestern.
Pro Gitarrensoftware: Die Studioarbeit
Über die Flexibilität haben wir bereits etwas weiter oben gesprochen. Aber in der Studioarbeit kommen noch weitere Vorteile hinzu. So kann der Klang zu jedem Zeitpunkt in der Musikproduktion noch nachträglich geändert werden (sofern Du die Effekte nicht bereits in eine Datei gerechnet hast).
Hier kann die echte Hardware nicht mithalten. Denn einmal aufgenommen, kann der Klang nur noch geringfügig im Nachhinein geändert werden. Auf jeden Fall aber kannst Du den Klangcharakter nicht mehr ändern.
Dazu kommt, dass alle Einstellungen als Preset abgespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgerufen werden können – Total Recall. Klarer Pluspunkt für die Gitarren Plugins.
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Contra Gitarrensoftware: Latenz
Zwischen dem Spielen einer Note auf deiner Gitarre und dem Erklingen derselben aus deinem Musikprogramm entsteht immer eine kleine Verzögerung, die sich Latenz nennt. Diese Verzögerung ist die Zeit, die dein Audio Computer benötigt, um das Audiosignal zu verarbeiten.
Lies auch „Latenz in der Musikproduktion: Was ist Latenz?„
Eine solche Latenz existiert bei einem echten Verstärker nicht und manche Gitarristen schwören darauf, selbst kleinste Latenzen in ihrem Spiel noch zu spüren.
Allerdings muss der negative Faktor Latenz relativiert werden, denn die Treiber der Audio Interfaces heutzutage bieten mitunter so kleine Latenzen wie 2-3 Millisekunden. Das ist etwa so viel, als ob Du dich einen Meter vom Lautsprecher entfernt befindest.
Contra Gitarrensoftware: Bedienung
In die Kostenerwägungen am Anfang des Artikels haben wir keinerlei MIDI-Controller eingerechnet, der uns eine Oberfläche und echte Kontrollelemente für die Bedienung der Gitarrensoftware bieten könnte. Und das ist durchaus ein Vorteil für echte Gitarrenhardware. Denn hier ist für jeden Parameter auch ein Potentiometer, Drehregler, Fader oder ein Schalter vorhanden.
Das Einstellen des Gitarrenklangs artet oftmals in einer Friemelei an den vorhandenen Bedienelementen der Software aus, die nicht selten viel zu klein ausgelegt sind.
Contra Gitarrensoftware: Hi-Z Eingang am Audio Interface
Ein kleiner Nachteil, der hier aber nicht verschwiegen werden soll, ist die Notwendigkeit eines eigens für die E-Gitarre konzipierten Eingangs am Audio Interface. Diese nennen sich Hi-Z und sorgen dafür, dass die Gitarre in optimaler Klangqualität aufgenommen werden kann.
Viele aktuelle Soundkarten besitzen in der Zwischenzeit einen solchen Eingang, nicht selten als Kombobuchse für Mikrofon, Line-Pegel und Gitarre.
Contra Gitarrensoftware: Der Live-Faktor
Einmal zusammengestellt und verkabelt kann ein Hardware-Gitarrensetup einfach auf die Bühne gestellt und sofort genutzt werden. Bei der Verwendung von Gitarrensoftware kommen da leider noch andere Faktoren wie die Stabilität des genutzten Audio Computer sowie die Verlässlichkeit der genutzten Musiksoftware hinzu.
Anders gesprochen: Computer stürzen ab und nach Murphy’s Gesetz immer im ungünstigsten Moment. In der Zwischenzeit ist dieser Faktor nicht mehr so relevant wie noch vor wenigen Jahren, da die Betriebssysteme und die Treiber sehr ausgereift scheinen. Zudem gibt es diverse Hardware, auf der Gitarrenplugins und andere Musiksoftware anstandslos gefahren werden können.
Contra Gitarrensoftware: Nichts klingt wie ein echter Gitarrenverstärker
Gibt eigentlich nichts mehr anzufügen. Die rohe Gewalt eines lauten Gitarrenverstärkers und die Dynamik der Röhren je nach Anspiel sind nach wie vor unerreicht. Und diese können sich je nach Gitarrist auch stark auf die Performance beim Einspielen und damit auf die Qualität des Endprodukts auswirken.
Andererseits können die wenigstens Menschen bei der aktuellen hohen Klangqualität der Gitarrensoftware noch den Unterschied zwischen Software und Gitarrenverstärker heraushören, wenn die Gitarren erst einmal in einem Mix drin sitzen.
Und was ist deine Meinung zur Gitarrensoftware?
Ich spreche mal in erster Linie für mich. Wenn ich zuhause sitze und Gitarren für meine Produktionen aufnehme, dann verwende ich meistens die Gitarrensoftware. Viel zu einfach ist die Arbeit mit dieser und viel zu gemütlich, um den Gitarrenverstärker anzuwerfen. Zudem kommt in meiner häuslichen Umgebung der Faktor Nachbar hinzu, den ich nicht dauerhaft mit einer Gitarrenaufnahme sonntags um 2 Uhr morgens verärgern wollte.
Für die echten Produktionen greife ich dann doch manchmal noch zu einer hybriden Lösung und schleife dei Gitarrensoftware als Vorverstärker und mittels Reamping (lies hier auch das Reamping Tutorial) in die Röhrenendstufe und greife das Signal mit echten Mikrofonen ab. Der rohen Power wegen.
Live ginge für mich kein Weg am echten Gitarrenverstärker vorbei – da brauche ich auch keine 100 Bodeneffekte, um meinen Gitarrenklang zu reproduzieren.
Und was ist mit dir? Wie findest Du den Klang der Gitarrensoftware? Kann er mithalten mit einem echten Gitarrenverstärker? Wie stehst Du zur Debatte? Schreib mir dein Feedback in die Kommentare und diskutier mit den anderen delamari über den heiligen Gral! :)