Amp Mikrofonierung & Recording
Gitarrenverstärker aufnehmen (mit Video)
Von Carlos San Segundo am 02. Januar 2021
Darauf kommt es bei der Amp Mikrofonierung an
Das Geheimnis eines guten Gitarrensounds ist das Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Faktoren – angefangen beim Gitarristen und seinem Talent. Wir alle haben schon stundenlang an Spuren gearbeitet, nur um zum Schluss festzustellen, dass sie einfach nicht richtig geil klingen wollen.
Und wenn es nun um die Qualität des Gitarristen beim Einspielen der Parts und Takes geht, dürfte es weiterhin kaum verwundern, wie viele professionelle Produzenten nach Aufnahmeschluss noch einen Studiogitarristen bitten, die Parts richtig tight einzuspielen. Meistens unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit, versteht sich.
Was im professionellen Sektor beim Amp aufnehmen vielleicht noch machbar ist, lässt sich beim Homerecording leider nicht ganz so einfach umsetzen. Hier müssen wir mit den Künstlern arbeiten, die da sind, vielleicht sind wir gar selbst der Gitarrist. Die gute Nachricht lautet: Damit lässt sich auch vorzüglich arbeiten. Wichtig ist, dass die Performance so flüssig und gut vom Timing her sein sollte, wie irgendwie umsetzbar.
PASSEND DAZU
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Es ist besser, ein (Amp) Recording zu vertagen oder einen Take weitere zwanzig Male einzuspielen, statt sich mit einem suboptimalen Ergebnis zufrieden zu geben.
Inhaltsverzeichnis:
Gitarrenverstärker aufnehmen
- Vorbereitungen
- Gitarre & Amp
- Die richtige Gitarre
- Pflege der Gitarre
- Gitarrensaiten wechseln
- Gitarrenverstärker/Cabinet wählen
- Gitarrensound einstellen
- Tipps zum Amp aufstellen
- Die richtigen Mikrofone
- Technik / 1 Mikrofon
- Zwei Mikrofone
- Phasenauslöschungen vermeiden
- Die 3:1 Daumenregel
- XY-Mikrofonierung
- Mehr Raumklang
- Vorne/hinten mikrofonieren
- Typische Mikrofon-Kombinationen
- Weitere Methoden
- Praxistipps
Vorbereitungen zum Gitarrenverstärker aufnehmen
Der Gitarrenverstärker steht, die Gitarre ist eingestöpselt – und los? Langsam, langsam – denn genau wie die Performance des Gitarristen elementar für den Sound ist, verhält es sich auch mit dem Rest der Kette: Gitarre, Verstärker, Raum und die gewählten Mikrofone. Nur wer sich die Zeit nimmt, diese sorgsam auszuwählen und einzurichten, wird mit wirklich guten Ergebnissen zählen können.
Wer in seinem eigenen Homestudio den Gitarrenverstärker aufnehmen möchte, muss sich einen großen Teil der Arbeit in der Regel ohnehin nur ein einziges Mal machen. Es reicht, einmal einen, vielleicht zwei gute Plätze für das Aufstellen des Amps zu finden. Diese können dann immer wieder verwendet werden.
Und wer kann schon mehr als ein bis zwei unterschiedliche Gitarren bzw. Amps sein Eigen nennen?
Gitarre & Amp vorbereiten
1. Die richtige Gitarre wählen
Die Gitarre ist die Quelle des Klangs, sie muss bereits für sich genommen gut klingen und in Schuss sein. Wer beispielsweise auf der Suche nach einem fetten Rhythmusklang für einen Rock-Song ist, wird eher bei einer Les Paul fündig als bei einer alten Stratocaster. Soll es mehr Twang haben für etwas in Richtung Country? Dann ist vielleicht eine Telecaster die bessere Wahl.
Der Tenor lautet: Jede Gitarre bringt ihren eigenen Sound mit sich. Und so sehr Du an den Reglern, dem Amp, beim Gitarre mikrofonieren oder später im Mix am Sound drehst – der Grundsound bleibt und lässt sich nicht beliebig verändern. Eine günstige Stratocaster für 300 Euro wird immer mehr nach Strat klingen als die 2.000 Euro Les Paul mit zig Verbiegungen im Mix.
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2. Pflege der Gitarre
Kratzende Potis und defekte Schalter können ein Amp Recording im ungünstigsten Moment zunichte machen. Zwar setzt nicht jeder Gitarrist diese während seines Spiels ein, doch besser ist es, diese immer in Schuss zu halten. Ein Gang zum Gitarrenbauer oder Musikalienhändler deiner Wahl einige Wochen vor der Aufnahme ist empfehlenswert.
Wenn es um die Stimmung geht, spielen nicht nur frische Saiten eine große Rolle. Auch die Einstellung vieler Gitarren lässt zu wünschen übrig und sollte von Zeit zu Zeit überprüft werden. Nichts ist ärgerlicher als ein tolles Gitarrensolo, das zwar richtig gespielt wurde, und doch irgendwie schräg klingt. Deswegen: Oktavreinheit überprüfen.
Mehr zum Thema: Gitarre einstellen und justieren »
3. Gitarrensaiten wechseln
Alte Saiten klingen matt, es fehlt ihnen an Brillanz. Während einige mir bekannte Jazzmusiker genau auf diesen runden Sound schwören, so ist das für viele andere Produktionen fehl am Platz. Oftmals fehlt es alten Saiten an Stimmstabilität, was sich später in den Takes unerwünscht hörbar macht.
Wenn Du dir unsicher bist, dann ist der sichere Weg, die Saiten vor der Aufnahme zu wechseln – jedoch nicht direkt davor. Neue Saiten arbeiten noch und dehnen sich. Du bemerkst das daran, dass sie sich zu Beginn schnell verstimmen. Besser ist es, sie am Abend zuvor oder zumindest einige Stunden vor der eigentlichen Aufnahme zu wechseln.
Dickere Gitarrensaiten bedeuten mehr Kraft in deinem Ton. Sie sind natürlich auch etwas schwerer zu spielen, klingen aber auch besser.
Wie das Gitarrensaiten aufziehen gelingt
4. Gitarrenverstärker & Cabinet wählen
Aufnehmen kannst Du nur das, was später im Raum auch zu hören ist. Deswegen ist es wichtig, auch den Verstärker und das Cabinet entsprechend auszusuchen. Es stellt sich also spätestens jetzt die Frage, nach welcher Art von Gitarrensound gesucht wird. Jeder Amp hat seinen eigenen Klangcharakter, eigene Stärken und Schwächen – wähle den, der am besten zu deiner Musik passt.
Was allgemein nicht ganz so bekannt zu sein scheint, ist das Ausmaß des Einflusses der gewählten Box – oder besser gesagt der Speaker. Diese formen den Klangcharakter auf ihre ganz eigene Art und Weise. Es lohnt sich, unterschiedliche Lautsprecher am selben Gitarrenverstärker zu testen.
Hier sind einige Tipps dazu:
- Große Speaker sorgen für einen kompakteren, tighteren Klang
- Ein kleiner Amp, voll aufgedreht kann sehr aufgebauscht klingen
- Je kleiner der Durchmesser der Speaker, desto mehr Höhenanteil
- Je größer das Cabinet, desto voller der Sound (tendenziell)
- Geschlossene Boxen sorgen für mehr Bass
- Offene Boxen füllen schneller den Raum, können aber schwieriger zu mikrofonieren sein
Als kleinen Vorgeschmack hörst Du hier drei Beispiele für verschiedene Boxensounds:
Flexibel Gitarre aufnehmen
Für die Soundtüftelei im Studio setzen wir eine besonders flexible Lautsprecherbox ein: Die LaRoqua 212 STUDIO ist ein handgefertigtes 2×12″-Cabinet des jungen Boutique-Herstellers aus Hessen. Im Foto über diesem Kapitel siehst Du es abgelichtet. In unserem Studio nutzen wir die Variante mit zwei voneinander getrennten Kammern und einer geteilten Rückwand.
Eine der Kammern ist offen, die andere geschlossen. Und damit es wirklich vielseitig im Klang wird, ist die eine Kammer mit einem Celestion G12M und die andere mit einem WGS ET65 Speaker ausgestattet. Der Sound der Speaker ist entsprechend verschiedenartig und die Abnahme mit separaten Mikrofonen ermöglicht vielfältige Klangmischungen.
Es stehen noch drei weitere Konfigurationen der 2x12er Box zur Verfügung:
- Komplett geschlossene Rückwand
- Offene Rückwand
- Flexible Rückwand
Lesetipp: Tutorial zum Gitarren Recording»
Es folgen Klangbeispiele mit einem Röhrenverstärker.
Ballade – Speaker mit geschlossener Kammer
Ballade – Speaker mit offener Kammer
Progression – Speaker mit geschlossener Kammer
Progression – Speaker mit offener Kammer
Rock – Speaker mit geschlossener Kammer
Rock – Speaker mit offener Kammer
5. Gitarrensound einstellen
Ein Mikrofon kann nur den Klang aufnehmen, der von Musiker, Gitarre, Effekten und Amp wiedergegeben wird. Deswegen müssen jetzt auch der Amp und etwaige Effekte so eingestellt werden, dass der Sound nahezu perfekt im Raum klingt.
Ein guter Startpunkt ist, alle Regler in eine neutrale Stellung (meistens 12 Uhr) zu stellen und dann das Volumen auf die gewünschte Lautstärke zu bringen. Wenn der Amp einen Regler für das Mastervolumen hat, dann sollte dieser auf ein angenehmes Abhör-Level gebracht werden. Als nächstes kannst Du den Grad der Verzerrung mit dem Gain einstellen.
Die anderen Regler kannst Du jetzt einzeln bewegen und darauf achten, wie sich der Klang des Verstärkers verändert und in welchem Rahmen dies geschieht. Vorgeschaltete Effekte interagieren mit deinem Gitarrenverstärker und mit den Reglern.
Hier einige Tipps:
- Mehr Sustain erhältst Du durch mehr Gain (Verzerrung)
- Je mehr Gain, desto weniger Dynamik – Punch geht verloren
- Stelle Gain nach Gusto ein, nimm es danach wieder etwas zurück
- Aggressive Gitarren haben oft weniger Gain, als Du denkst
- Mehr Mitten bedeutet bessere Durchsetzungskraft im Mix
- Oftmals klingt es besser, wenn der Treble-Regler an Effekten heruntergeregelt wird
- Pedale sollten das Signal nur leicht verstärken oder gleich laut bleiben
- Presence ist nicht Treble – Presence macht den »Biss« des Sounds
Mehr zum Amp einstellen: Live-Setup Gitarrenverstärker »
Tipps zum Aufstellen beim Amp Recording
1. Raum auswählen
Wer beim Gitarrenverstärker aufnehmen wirklich gute Ergebnisse erzielen möchte, sollte sich bewusstmachen, dass der Amp mit dem Raum interagiert. Das bedeutet, dass sich der Gitarrensound von Raum zu Raum deutlich unterscheiden kann.
Hast Du also mehr als eine Option, nimm dir einmal die Zeit und höre dir den Sound in allen verfügbaren Räumen an. In welchem Raum klingt der Sound lebendig? Welcher Raum wird durch den Klang richtiggehend aktiviert?
2. Position im Raum
Aber auch wenn Du nur einen Raum zur Verfügung hast: die Position im Raum spielt eine große Rolle. Bei der Amp Mikrofonierung geht es nämlich darum, diesen im Kontext mit dem Raum aufzunehmen – nicht nur das Gerät für sich. Es geht hier um das Gesamterlebnis. Je nachdem, wo der Amp aufgestellt wird, gewinnt oder verliert der Gitarrensound an Leben.
Der Grund dafür sind die Schallreflektionen von Boden, Wänden und Decke. Diese treffen etwas später am Mikrofon ein und sorgen hier für Phasenauslöschungen, die den Klang prägen.
Mehr zu Phasenverschiebung & -auslöschung »
3. Tipps zum Gitarrenverstärker aufstellen
1. Kippen
Wenn Du den Amp leicht nach hinten kippst, strahlen die Speaker vom Boden weg. Das verringert die Phasenauslöschungen bei der Mikrofonierung.
2. Erhöht aufstellen
Noch besser ist es, den Amp weiter vom Boden zu entfernen und erhöht aufzustellen. Auch hier kannst Du den Amp leicht kippen, damit er nicht parallel zu Wänden bzw. Boden schallt. Für einen guten Sound benötigt das Gerät einen festen Stand.
3. Weg von der Ecke
Da die Schallreflektionen in einer Ecke besonders stark sind, gilt diese Daumenregel fast immer. Der Sound kann stellenweise dröhnend daherkommen.
Ein gewisser Abstand von jeglichen Wänden ist ohnehin geraten.
4. Klatschtest
Laufe im Raum herum und klatsche dabei laut in die Hände. Wo auch immer das Klatschen flatterig klingt und im Raum zu stehen scheint (Flatterechos), ist kein guter Ort.
5. Entkoppeln
Für einen schönen, mittigen Gitarrenklang kannst Du den Amp vom Boden entkoppeln. Damit gelangen weniger tiefe Frequenzen über Körperschall in den Raum.
Auch für die Aufnahme von Soli (in denen Bass nicht benötigt wird) bietet sich diese Technik an.
Mikrofone zur Amp Mikrofonierung
1. Dynamisch vs. Kondensator
Für viele Tontechniker ist neben der Platzierung die richtige Mikrofonwahl entscheidend. Einige gehen sogar so weit zu sagen, dass sie genauso wichtig wie die Auswahl von Musiker, Gitarre, Amp und der Lautstärke beim Einspielen ist. Ganz so weit würde ich nicht mitgehen wollen, doch zusammen mit der richtigen Platzierung kann die Mikrofonwahl natürlich die Performance des Gitarristen positiv beeinflussen.
Welches ist also das richtige Amp Recording Mic, mit dem sich die E-Gitarre richtig mikrofonieren lässt?
Klassischerweise empfiehlt sich der Griff zu einem dynamischen Mikrofon. Diese können mit einem hohen Schalldruckpegel umgehen und punkten vor einem Amp zusätzlich durch die geringere Empfindlichkeit. In den letzten Jahren sind Bändchenmikrofone für die Amp Mikrofonierung wieder in Mode gekommen. Diese sind ebenfalls dynamisch, bieten aber generell etwas mehr Wärme im Klang.
Kondensatormikrofone kommen ebenfalls immer wieder zum Einsatz – und das zurecht. Auch wenn durch ihre höhere Empfindlichkeit die Gitarrenaufnahmen bisweilen zu viel Höhen mitbringen und ermüdend wirken. Gleichwohl nehmen sie tiefe Frequenzen stärker als dynamische Mikrofone auf, was nicht bei allen Musikstilen erwünscht ist.
2. Dynamische Mikrofone zur Gitarrenaufnahme
Shure SM57
Vielleicht das beliebteste Mikrofon für den Gitarrenverstärker. Es verträgt einen hohen Schalldruckpegel und der Frequenzgang passt sehr gut für das mittige Gitarrensignal. Laute Sounds erfahren einen gewissen Kompressionseffekt, tiefe Frequenzen werden durch den Roll-Off bei 200 Hz in Grenzen gehalten. Eine Absenkung bei 300-500 Hz hilft, den Matsch im Sound loszuwerden.
Sennheiser MD 421
Ebenfalls sehr beliebt für den Zweck bietet dieses dynamische Mikrofon einen breiteren Frequenzgang mit mehr Höhen und mehr Tiefen als das SM57. Ein fünfstufiger Bassschalter dient zur Konturierung der Frequenzen. Insgesamt klingt das MD 421 heller und weniger komprimiert, außerdem nimmt es den Schall wesentlich gerichteter als das SM57 auf.
Sennheiser e906
Dieses dynamische Mikrofon ist speziell für die Aufnahme von Gitarrenverstärkern gemacht worden. Durch sein flaches Design lässt es sich sogar am Kabel vom Amp abhängen – ohne Mikrofonstativ. Es ist bissiger und detailreicher im Klang als das SM57. Auch nimmt es durch die Supernierencharakteristik zielgerichteter auf und kann unterschiedliche Klangnuancen durch geringe Änderungen der Position hervorbringen.
Electro-Voice RE20
Viele amerikanische Produzenten setzen das dynamische RE20 vor dem Gitarrenverstärker ein. Es kann einen sehr großen Schalldruck vertragen und trotzt weitestgehend dem Nahbesprechungseffekt. Der Frequenzgang ist relativ flach und unüblich breit für die Gattung.
Was ist ein dynamisches Mikrofon?
3. Kondensatormikrofone für die Gitarrenaufnahme
AKG C414
Das C414 ist vielleicht das flexibelste Kondensatormikrofon am Markt, es klingt praktisch in jeder Situation gut. Mit den fünf Richtcharakteristika lassen sich zudem ganz unterschiedliche Amp Mikrofonierungen realisieren. Es kommt mit einem durchsetzungsfähigen Sound.
Neumann U 87 Ai
Das »Usi« ist für diesen Job ebenfalls sehr beliebt. Genau wie das C414 hat es einen breiten Frequenzgang und kann sowohl oben als auch unten mehr als ein dynamisches Mikrofon mitnehmen. Es kommt mit drei Richtcharakteristika und einem ebenfalls durchsetzungsfähigen Klang.
Was ist ein Kondensatormikrofon?
4. Bändchenmikrofone zum Gitarre aufnehmen
beyerdynamic M160
Der Produzent Eddie Kramer sagte in einem Interview, dass dieses Bändchenmikrofon das beste Modell für die Gitarrenaufnahme sei. Es klingt weicher und wärmer als ein Kondensatormikrofon, verträgt aber dennoch 128 dB SPL an Schalldruck.
Royer R-121
Dieses Modell packt mit 135 dB SPL sogar etwas mehr Schalldruck als das M160, was es ebenfalls zu einer guten Wahl zum Gitarrenverstärker aufnehmen macht. Es kommt mit einem warmen, cremigen Klang, der vielerorts als natürlich charakterisiert wird.
Technik zum Gitarre mikrofonieren
Bis hierhin haben wir uns mit den vorbereitenden Schritten auf dem Weg zur perfekten Gitarrenaufnahme bzw. Amp Mikrofonierung beschäftigt. Wichtig: Vorbereitend bedeutet vor allem, dass diese Schritte sehr ernst zu nehmen sind. Zumindest dann, wenn tolle Ergebnisse gewünscht sind.
In diesem Teil beschäftigen wir uns damit, wie die eigentliche Gitarrenaufnahme am Verstärker vonstattengeht, welche Techniken möglich sind und wie der Gitarrensound dadurch beeinflusst wird.
Speaker auswählen
Nutzt Du einen Amp oder ein Cabinet mit nur einem einzigen Speaker, erübrigt sich dieser Punkt. Denn Du kannst ohnehin nur diesen einen mikrofonieren. Viel häufiger kommen aber zwei oder mehr Speaker in der Gitarrenbox verbaut – manchmal sogar unterschiedliche Modelle. Und da stellt sich die Frage: Vor welchen Speaker stelle ich mein Mikrofon?
Es ist wichtig, sich jeden Speaker einzeln anzuhören. Zumindest soweit das möglich ist. Du kannst im Normalfall die Speaker nicht separat an- oder ausschalten, so dass Du immer eine Mischung hörst. Einen guten Eindruck des Klangs erhältst Du also nur, wenn Du nah mit dem Ohr an die Gitarrenbox kommst.
Wichtig, auch wenn es auf der Hand liegt: Für diesen Test muss der Amp entsprechend leise eingestellt werden. Deine Ohren werden es dir danken.
Selbst wenn dein 4×12 Cabinet mit vier Speakern des gleichen Modells ausgestattet sein sollte, wirst Du folgendes feststellen. Jeder einzelne hat einen eigenen Klang, zumindest eine andere Klangnuance. Auch wenn sie eigentlich gleich klingen sollten. Das mag an der Positionierung des Amps im Raum, der Lage der Speaker im Cabinet, der Verkabelung oder am aktuellen Mondzyklus liegen.
Hör dir alle in Ruhe an und entscheide, welcher dir am besten gefällt oder deiner Vorstellung am nächsten kommt.
Axiale Ausrichtung des Mikrofons
Beim Ausrichten des Mikrofons vor dem Gitarrenlautsprecher kommt schließlich eine Menge vom resultierenden Sound zusammen. Grundsätzlich hast Du drei Möglichkeiten, die wir hier besprechen wollen: On-Axis, Off-Axis und angewinkelt.
Wichtig: Der Klang am Rand des Lautsprechers unterscheidet sich von dem in der Mitte.
1. On-Axis
On-Axis bedeutet ins Deutsche übersetzt: auf der Achse, koaxial. Das Mikrofon wird also direkt vor den Speaker gestellt – die Mitte der Kapsel liegt auf der Achse des Speakers.
Für den Sound bedeutet das:
- Relativ scharf und präsent
- Sehr definiert und brillant
- Nahbesprechungseffekt könnte eintreten
2. Off-Axis
Genau wie bei der ersten Methode ist das Mikrofon auch hier rechtwinklig zur Bespannung des Lautsprechers angeordnet, parallel zur Achse des Speakers. Allerdings kommt es nicht auf der Achse zu liegen, sondern seitlich davon.
Der Sound klingt dadurch:
- Etwas wärmer, weniger hell
- Je nach Mikrofon wirkt es stumpfer, insbesondere bei der Richtcharakteristik Niere/Acht
3. Angewinkelt
Eine einfache Methode, um beide doch recht unterschiedlichen Sounds zu kombinieren. Hierzu wird das Mikrofon einfach statt senkrecht mit einem Winkel von etwa 45° zur Bespannung aufgestellt. Und zwar in Richtung Achse, um den klareren, brillanteren Klang mitzunehmen.
Entfernung zum Lautsprecher
Einen weiteren maßgeblichen Einfluss auf den Klang der Gitarrenaufnahme hat die Entfernung des Mikrofons zum Speaker. Dabei gibt es kein Gut oder Schlecht – es geht darum, was mit der Gitarre im Mix passieren soll.
Je näher das Mikrofon am Speaker, desto näher und intimer klingt die Aufnahme. Im Zweifelsfall ist direkt an der Bespannung bzw. 1-2 Zentimeter dahinter der einfachste Weg, um gute Ergebnisse zu erlangen. Insbesondere im Homestudio, das nicht über eine optimierte Raumakustik verfügt.
Nah dran bedeutet auch, dass mehr Bass seinen Weg in die Aufnahme findet. Nicht zuletzt auch wegen der Richtcharakteristik Niere, die häufig beim Gitarre aufnehmen verwendet wird. Außerdem ich der Schalldruck größer, je näher Du an den Speaker rückst – das kann bei wirklich lauten Amps selbst die geduldigsten Mikrofone an den Rand bringen.
Je weiter entfernt Du das Mikrofon vom Speaker platzierst, desto weniger akzentuiert die tiefen Frequenzen. Gleichzeitig bekommst Du mit wachsender Entfernung mehr davon mit, wie der Gitarrenverstärker insgesamt klingt (im Gegensatz zum Speaker alleine). Mit steigender Entfernung kommt also mehr Raumklang in die Aufnahme.
Generell kommt es darauf an, mit unterschiedlichen Platzierungen beim Verstärker aufnehmen zu experimentieren, um ein Gefühl für den Sound zu bekommen. Selbst kleine Änderungen von 1-2 Zentimetern können bereits einen deutlichen Unterschied machen.
Zur Erinnerung:
- Nah dran = einfacher, weniger Probleme
- Nah dran = intimer Klang, mehr Bass
- Weiter entfernt = Klang des Amps im Raum
- Weiter entfernt = weniger akzentuierter Bass
Zwei Mikrofone zum Amp Recording
Am häufigsten kommen bei Profis Techniken zum Einsatz, die mit zwei Mikrofonen arbeiten. Zum einen sind hierbei viele unterschiedliche Klangtexturen und Nuancen möglich. Zum anderen bieten diese Kombinationen mehr Farbe, wenn Du die Lautstärke der beiden Spuren ausbalancierst.
1. Phasenauslöschungen vermeiden
Sobald zwei Mikrofone bei einer Aufnahme im Spiel sind, besteht die Gefahr von Phasenauslöschungen und Kammfiltereffekten. Das sind unerwünschte Einflüsse im Klang, die durch unterschiedliche Laufzeiten des Schalls aus dem Verstärker zu den Mikrofonen entstehen.
Mehr dazu: Was ist der Kammfiltereffekt?
Um unerwünschte Phasenprobleme zu vermeiden, platzierst Du die Mikrofone möglichst nah beieinander – so dass der Klang bei beiden gleichzeitig eintrifft. Für einen schnellen Problemcheck, nutzt Du den Polaritätsschalter am Vorverstärker: Klingt der Sound dünner?
2. Die 3:1 Daumenregel
Nicht immer sollen oder können die Mikrofone bei der Amp-Mikrofonierung direkt nebeneinander platziert werden. Hier kommt die 3:1 Daumenregel zum Tragen, die von vielen professionellen Tontechnikern genutzt wird und Abhilfe schafft.
Sie besagt, dass der Abstand zwischen beiden Mikrofonen (mindestens) drei Mal so groß wie der Abstand vom ersten Mikrofon zum Speaker sein muss.
Viele Tontechniker glauben, dass hiermit die Phasenauslöschungen minimiert werden. Das ist allerdings nur ein Nebeneffekt. Technisch gesehen funktioniert diese Regel, weil der Pegel am weiter entfernten Mikrofon geringer ist.
Wenn Du den Pegel des entfernten Mikrofons im Vorverstärker oder Mix anhebst, werden die Probleme mit der Phase wieder hörbar. Deswegen kommst Du nicht umhin, den vorherigen Schritt zu überprüfen.
3. XY-Mikrofonierung
Sehr schöne Ergebnisse lassen sich durch eine XY-Anordnung der Mikrofone erzielen. Wenn Du es auf eine Stereoaufnahme abgesehen hast, sollten beide Mikrofone baugleich sein. Aber dieses Stereoverfahren kann auch zum Layering genutzt werden: Hierbei werden die Gitarrenaufnahmen beider Mikrofone zu einem Monosignal, einer Textur zusammengefasst. Und hier kannst Du unterschiedliche Modelle nutzen.
Die beiden Mikrofone werden mit ihrer Membran rechtwinklig zueinander angeordnet. Durch die Unterschiede in der Pegelintensität des auftreffenden Schalls in dieser Anordnung bleibt die Phasenproblematik außen vor.
Du kannst diese zwei Möglichkeiten zur Platzierung ausprobieren:
Frontal, On-Axis
Betrachtest Du beide Mikrofone als einen einzigen Aufbau, so kommt die virtuelle Achse koaxial auf die des Speakers zu liegen. Die Mikrofone sind nun im 45° Winkel zum Speaker aufgestellt. Bei dieser Technik kannst Du die Entfernung zum Speaker verändern – nicht aber die koaxiale Anordnung (wegen der Phasenlage).
Frontal / seitlich
Dein Hauptmikrofon wird parallel zur Speaker-Achse aufgestellt, das zweite Mikrofon ist senkrecht dazu und damit parallel zur Bespannung. Du kannst die Position frei wählen und verschieben.
4. Mehr Raumklang
Wer nicht nur den intimen Klang beim Close Miking sucht, kann das zweite Mikrofon in größerer Entfernung aufstellen und erhält dadurch mehr vom Raumeindruck. Gleichzeitig sorgt das erste Mikrofon durch seine nahe Aufstellung für ausreichend Druck und Präzision. Der Raumeindruck kann beim Abmischen in der DAW durch den Pegel der zweiten Spur nach Gusto verändert werden.
Achte hierbei auf die 3:1 Daumenregel, die wir weiter oben besprochen haben. Bei einer Entfernung von 15 bis 20 Zentimetern zum Speaker sollte der Raum schon gut hörbar sein.
Ein guter Platz ist auch dort, wo der Klang aller Speaker zusammenläuft. Probiere hier einen Abstand von 45 bis 60 Zentimetern aus und vergleiche, ob der Gesamtklang voller oder dünner wird. Je nachdem musst Du die Platzierung anpassen.
5. Vorne/hinten mikrofonieren
Wenn deine Box hinten offen ist, kannst Du dir das für einen ganz anderen Sound zunutze machen. Das zweite Mikro wird für die Amp Mikrofonierung der Rückseite genutzt. Dieses Setup produziert einen eher unüblichen Sound, der aber gut für den Mix genutzt werden kann – gleich ob zu einer Monospur zusammengefasst oder im Stereopanorama links/rechts verteilt.
Eines der beiden Audiosignale muss natürlich in der Polarität gedreht werden. Denn das eine hört eine Vorwärtsbewegung der Membran, während das andere eine Rückwärtsbewegung hört.
6. Typische Kombinationen für zwei Mikrofone
Du kannst jede erdenkliche Kombination aus zwei Mikrofonen nutzen, um deinen Gitarrenverstärker aufzunehmen. Es gibt keine festen Regeln, doch in zahlreichen Interviews werden einige Kombinationen besonders häufig genannt:
- dynamisch / dynamisch : SM57 / SM57 oder MD421 / SM57
- dynamisch / Kondensator : SM57 / U87 oder SM57 / C414
- dynamisch / Bändchen : SM57 / R121 oder SM57 / M160
Weitere Methoden
Es liegt auf der Hand, dass es noch unzählige weitere Möglichkeiten gibt, um den Gitarrensound zu verfeinern. Hier möchte ich einige kurz ansprechen, die mir einer Nennung würdig erschienen.
1. Viele Mikrofone – ein Sound
Einige Tontechniker begnügen sich nicht mit dem Klang zweier Mikrofone und greifen auf 3, 4 oder auch 5 Modelle zurück. Alle werden zum Close Miking genutzt und simultan auf unterschiedliche Spuren aufgezeichnet. Dabei kommt nicht nur der Klang der unterschiedlichen Modelle, sondern auch die unterschiedliche Platzierung zum Tragen.
2. Unterschiedliche Speaker
Es ist auch denkbar, zwei unterschiedliche Speaker mit jeweils einem Mikrofon aufzunehmen. Das ist vor allem dann notwendig, wenn sich die Mikros aufgrund ihrer Größe nicht direkt nebeneinander platzieren lassen.
Tipp: Manche Hersteller von Gitarrenboxen bzw. -verstärkern schalten bisweilen Speaker gegenphasig (Brian Setzer nutzt ein solches Setup zum Beispiel). In diesem Fall muss die Polarität des einen Signals gedreht werden.
3. Zwischen zwei Gitarrenboxen
Eine eher wild anmutende Technik ist es, ein Mikrofon in die Mitte zwischen zwei sich gegenüberstehenden Gitarrenboxen zu stellen. Die beiden Cabinets müssen natürlich gegenphasig sein, damit sich der Sound nicht auslöscht – auch bei unterschiedlicher Bauart.
4. DI-Signal / Reamping
Wer die Möglichkeit hat, sollte neben der Amp-Mikrofonierung noch ein DI-Signal parallel aufnehmen. Dieses kann später zum so genannten Reamping genutzt werden. Die zusätzlichen Signale können mithilfe von Layering zugemischt werden oder die eigentliche Aufnahme komplett ersetzen.
Mehr zum Thema: Reamping Tutorial – Auf dem Weg zum perfekten Gitarrensound »
Praxistipps – Positionierung des Mikrofons vorm Amp
Nach so viel Theorie haben wir hier einige nützliche Praxistipps zum Gitarren-Amp mikrofonieren in deinem Homestudio zusammengetragen. Sie sollen dir helfen, dass deine Gitarrenaufnahmen schneller und besser gelingen.
1. Taschenlampe nutzen
Unterschiedliche Hersteller nutzen verschiedene Arten und Stoffe zur Bespannung ihrer Gitarrenverstärker. Während bei einigen Modellen der Sitz der einzelnen Lautsprecher klar sichtbar ist, wird es bei anderen schwer abzuschätzen, wo der Speaker beginnt bzw. aufhört.
Deswegen bietet es sich an, eine kleine Taschenlampe griffbereit hinzulegen. Wenn Du diese direkt an die Bespannung hältst und seitlich schaust, kannst Du die einzelnen Speaker schnell erkennen.
2. Markierungen
Damit Du nicht jedes Mal bei der Amp Mikrofonierung bzw. bei der Platzierung der Mikrofone erneut zur Taschenlampe greifen musst, kannst Du dir mit etwas Malerkrepp behelfen. Keine Sorge, der Einfluss auf den Klang ist zu vernachlässigen und das Malerkrepp lässt sich anstandslos nach Fertigstellung entfernen. Markiere die folgenden drei Positionen am Speaker deiner Wahl:
- Mitte / Achse
- Übergang Kalotte / Membran
- Äußerer Rand der Membran
3. Was fast immer funktioniert
Es gibt viele unterschiedliche Herangehensweise, um den perfekten Gitarrensound zu finden. Mit etwas Erfahrung wirst auch Du deinen eigenen Weg finden.
Einige Tontechniker beginnen grundsätzlich mit einer sehr nahen Platzierung, andere probieren zunächst immer eine weiter entfernte Platzierung mit 15-20 cm Entfernung aus. Eine Methode, die sehr häufig gute Ergebnisse liefert, ist folgende:
- Such die Stelle aus, an der die Kalotte auf die Membran trifft
- Jetzt gehst Du noch 1-2 cm weiter raus in Richtung Rand
- Winkel das Mikrofon um 45° in Richtung Achse an
4. Profitechnik: Shavering
Aus einem Interview mit Produzent Keith Olsen (Santana, Scorpions, Whitesnake, uvm.) kommt diese Technik, die dir hilft, die beste Position zum Gitarrenverstärker aufnehmen zu finden – und zwar ohne eine zusätzlich helfende Hand. Er nannte sie in diesem Interview »Shavering«, weil es ihn an den Sound eines Rasierapparats erinnert.
Wichtig: Für diese Technik muss die Gitarre ausgestöpselt werden, um dein Gehör zu schützen. Anwendung auf eigene Gefahr.
Sobald der Sound steht, wird die Gitarre ausgestöpselt, die Studiomonitore ausgeschaltet und stattdessen ein Kopfhörer angeschlossen und aufgesetzt. Der Amp wird in der Lautstärke voll aufgedreht, damit das Eigenrauschen besser hörbar wird.
Das Mikrofon bewegst Du jetzt langsam vor dem Speaker hin und her, das Rauschen sollte über die Kopfhörer vernehmbar sein. Je nach Position verändert sich der Frequenzgang des Rauschens im Kopfhörer. So kannst Du schnell eine passende Stelle aussuchen, an der das Mikrofon zur Gitarrenaufnahme platziert wird. Zum Beispiel:
- Wo der Sound am brillantesten ist
- Wo der Sound am dumpfsten ist
- Wo das Rauschen ausgewogen klingt
Beim ersten Mal Shavering solltest Du an allen drei Stellen den Gitarrensound aufnehmen. Die gemachten Ampaufnahmen kannst Du dann vergleichen und selbst hören, wie sich der Klang an der entsprechenden Stelle verändert.
Video
Amp Mikrofonierung & Recording: Gitarrenverstärker aufnehmen
Download der Soundbeispiele (WAV)
Den Link zum Download haben wir hier auch gleich parat. Da hörst Du die Unterschiede der Gitarren-Amp Mikrofonierung, da der Sound je nach Mikrofonposition vor dem Amp anders klingt.
Hier klicken zum Herunterladen »