Vocal Producing Tutorial
Wie machst Du einen Chor aus einer Stimme?
Von Thorsten Sprengel am 05. Oktober 2021
1. Verdopple die aktuelle Stimme
Was macht einen Chor aus? Genau! Viele unterschiedliche Stimmen, die mehr oder weniger gut singen und alle etwas anders klingen. Sie variieren in Klangfarbe, Geschlecht und in Tonhöhe. Wenn es besonders harmonisch und episch klingen soll, können wir später die einzelnen Stimmen auch noch unterschiedliche Melodien singen lassen.
Wir beginnen mit den Grundlagen und das sind die Dopplungen der aktuellen Stimme. Dazu machst Du als erstes zwei Kopien deiner Spur.
Diese verteilst Du nach links und rechts im Stereopanorama.
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Als Nächstes verstimmst Du die linke Seite um neun Cent eines Halbtons nach oben und die rechte Seite um neun Cent eines Halbtons nach unten.
Jedes Musikprogramm hat diese Funktion eingebaut.
2. Verzögere die beiden erzeugten Spuren
Du kannst jetzt einen schwebenden Effekt hören, der aber noch sehr statisch klingt. Deswegen musst Du als nächstes die beiden kopierten Spuren auch noch zeitlich verändern und sie leicht verzögern.
Die linke Seite ziehst Du dabei um 25 ms nach vorne. Sie spielt also 25 Millisekunden vor der Hauptstimme. Und mit der rechten Seite machst Du das genaue Gegenteil. Sie spielt 25 Millisekunden nach der Hauptstimme.
Das klingt mit der Verzögerung schon besser. Als Nächstes musst Du die zusätzlichen Stimmen rechts und links etwas leiser machen, um den Klang weiter zu verbessern. Ziehe beide Seiten um etwa 7 dB leiser nach unten.
3. Erzeuge weitere Spuren
In einem großen Chor mit vielen Menschen würden noch mehr Leute die Melodie in derselben Stimmlage singen.
Du hast jetzt zwei Möglichkeiten:
1) Du kannst jetzt entweder beide Spuren noch ein weiteres oder mehrere Male kopieren.
Die Spuren mit jeweils eigenen Werten musst Du auch verstimmen und zeitlich verzögern.
2) Du lädst dir das kostenlose Plugin Vocal Doubler beim Hersteller herunter.
Setze es jeweils einmal links und einmal rechts auf deine Spuren und stelle alle Parameter auf Anschlag.
4. Mache aus den erzeugten Spuren tiefe Stimmen
Kopiere jetzt die beiden Chor Spuren rechts und links auf neue Spuren und übernehme dabei alle getätigten Einstellungen und das Vocal Doubler Plugin.
Damit der Chor so natürlich wie möglich wird, obwohl wir nur eine einzige Aufnahme nutzen, musst Du die beiden Spuren im Panorama einmal herumdrehen. Die Spur, die links war, kommt nach rechts und die, die rechts war, kommt nach links.
Dreh die beiden Spuren nicht ganz nach außen, sondern lass sie etwa auf halben Wege stehen.
Jetzt transponierst Du die beiden Spuren um zwölf Halbtöne nach unten, also um eine ganze Oktave.
Dadurch erreichst Du, dass die beiden Stimmen zwar noch dieselben Töne singen. Dies machen sie aber eine Oktave tiefer.
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Um einen natürlicheren Klang zu erhalten, lässt Du die kleineren Verstimmungen um wenige Cent eines Halbtons bestehen. Niemand singt perfekt. Für diese Schritte brauchst du nicht unbedingt ein Plugin.
Die beiden tiefen Stimmen sollten jetzt noch zu laut und zu breit sein. Stelle sie deshalb deutlich leiser bis auf etwa -17 dB und setze beide noch etwas mehr in Richtung Mitte. So in etwa auf ein Drittel des Weges.
Das Ergebnis klingt dann so:
5. Erstelle höhere Stimmen
Nun sollte schon ein Chor-Effekt entstanden sein. Diesen kannst Du aber noch epischer machen. Dafür brauchst Du zusätzlich einige höhere Register.
Um diese zu erzeugen, wiederholst Du die letzten Schritte. Dieses Mal musst du die Spuren aber um 12 Halbtonschritte nach oben transponieren.
Kopiere wieder die ersten beiden Chor-Spuren und verändere das Fein-Tuning um einige Cent in unterschiedliche Richtungen für eine größere Natürlichkeit.
6. Nutze das MAutoPitch Plugin
Wenn dir der Klang der erzeugten hohen Spuren nicht gefällt, kannst Du diesen mit dem kostenlosen Plugin MAutoPitch verbessern.
Dieses ist ein Autotune Plugin. In unserem Fall verwenden wir es, um die Stimmen natürlicher klingen zu lassen.
Dazu musst Du die Formanten anpassen. Setze das Plugin an den Anfang der einen Tonspur.
Ziehe die Formanten so lange herunter bis dir das Ergebnis gefällt.
Dasselbe machst Du dann auch auf der anderen Seite und mischst die beiden Spuren leise zum restlichen Chor.
Sie sollten im Mix bei etwa -12 dB landen.
7. Mische deine Spuren ab
Es kann vorkommen, dass dir der Chor jetzt zu sprunghaft vorkommt. Das kommt darauf an, wie die Noten eingesungen wurden. An dieser Stelle kannst Du versuchen dies durch Abmischen zu verbessern.
Dafür legst Du zunächst eine Gruppenspur an und routest alle Chor-Spuren dort hinein.
Auf die Gruppenspur setzt Du einen Multiband-Kompressor.
Und zusätzlich legst du einen Equalizer darauf.
Mit dem Equalizer schneidest Du jetzt erst unten bei etwa 150 Hz die Frequenzen ab, die Du nicht brauchst.
Dann solltest Du bei etwa 250 Hz einen High Shelf reindrehen.
Das gibt deinem Chor bei 5-6 kHz auch mehr Luft.
8. Erstelle Sopranstimmen
Oben fehlen noch die ganz hohen Stimmen, die in einem Chor meistens von Frauen sehr hoch im Sopran gesungen werden. Wiederhole dafür die eben schon beschriebenen Schritte ein weiteres Mal und erstelle wieder zwei Spuren. Diese singen dieses Mal aber gleich zwei Oktaven über der Hauptstimme.
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Passe bei diesen Spuren wieder die Lautstärke, das Panning und die Formanten an. Vor allem aber solltest Du diese Stimmen nicht zu laut machen, weil sie alleine sehr unnatürlich klingen.
9. Ergänze Harmoniestimmen
Der Chor aus einer Stimme sollte jetzt schon richtig gut klingen, aber es fehlen noch die Harmoniestimmen. Das sind Stimmen, die nicht einfach dieselbe Melodie singen, die die Hauptstimme singt. Sie singen andere Melodien, die zur Musik und in die Tonart passen.
In unserem Fall spielt die Pianobegleitung a-moll, F-Dur, a-moll und eine Variation von G-Dur. Es können nun mindestens die Töne aus dem Dreiklang ergänzt werden.
Um diese neuen Melodien zu erstellen, brauchst Du ein Plugin, mit dem Du die Tonhöhe einzelner Noten verändern kannst.
Welche Plugins kannst Du zum Erstellen der neuen Melodien benutzen?
- In Reaper: ReaTune
- In FL Studio: NewTune
- In Cubase: Variaudio
- In Studio One: eingeschränkte Version von Melodyne
- Autotune
- RealTune
In unserem Fall verwenden wir Melodyne.
Lege jetzt erst einmal eine weitere Kopie der Hauptstimme an und bearbeite diese mit Melodyne. Als Erstes begradige alle Töne. Das klingt zunächst sehr unharmonisch.
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Wenn du nicht weißt, welche Töne harmonisch zu deiner Hauptstimme passen, kannst du dies durch Ausprobieren herausfinden. In unserem Fall wissen wir, dass in unserem ersten Akkord die Töne a, c und e beinhaltet sind. Das entspricht a-moll. Wir nutzen einfach diese drei Töne, ändern aber deren Abfolge ab, damit sie nie den Ton singen, den die Hauptstimme gerade singt.
Also wenn die Hauptstimme gerade ein a singt, dann soll die Zweitstimme ein c oder ein e singen, aber nicht das a. Und so machen wir das auch für alle anderen Akkorde in unserem Song.
Unsere Zweitstimme singt jetzt das:
Das passt noch immer zur Begleitung, weil es ja nur die drei Töne aus dem Akkord sind. Und zusammen mit der Hauptstimme klingt das jetzt so:
Als Nächstes kopieren wir jetzt diese neue Spur. Wir transponieren sie um eine Oktave nach unten und um eine nach oben. Dann mischen wir sie wieder zu unserem Chor hinzu.
Nun erstellen wir auch noch eine dritte Stimme. Bei dieser nutzen wir aber alle Töne der Tonleiter a-moll, der Tonart unseres Musikstücks. Die geht in etwa so:
Jetzt wird es Zeit, alles zusammen und abgemischt zu hören:
Und schon hast Du aus nur einer einzelnen Stimme einen ganzen Chor erzeugt.
Drei Extra Tipps
- Schneide alle Atemgeräusche aus dem Chor heraus, dann stören sie nicht
- Wenn Du mehrere Takes und Aufnahmen deiner Melodie machst, klingt es viel natürlicher als in unserem Beispiel
- Verändere deine Position vor dem Mikrofon bei der Aufnahme, dann musst Du nicht mehr viel Abmischen
Plugins, Tools und Apps, die automatisch einen Chor aus einer Stimme machen können:
Hat dir unser Tutorial geholfen? Hast Du noch weitere Tipps, wie man einfach einen Chor aus einer Stimme machen kann? Schreib uns in die Kommentare!