PA-System Ratgeber
Von Alexander Cevolani am 21. Januar 2020
Der Dschungel der PA-Systeme
Aktive Fullrange-Lautsprecher, Säulen-PAs, Line Arrays, gestacked, geflogen, DSP-Steuerung, Neodym-Magnete usw. – wenn Du Dich mit PAs in all ihren Formen und Anwendungsbeispielen beschäftigst, stößt Du auf verschiedene Technologien, Konzepte und beeindruckende Watt-Zahlen, auf programmierbare DSP-Equalizer und Linienstrahler, die den kompletten Zuschauerraum bis in die hinterste Reihe gleichmäßig mit Schall abdecken können.
Als Musiker oder Tontechniker kannst Du in diesem ständig wachsenden Wirrwarr schnell den Überblick verlieren. Zeit, für etwas Durchblick im PA-Dschungel zu sorgen.
Auf den folgenden Seiten erfährst Du, welche PA-Konzepte derzeit den Markt dominieren, wozu und für wen sie sich eignen und wie Du das passende PA-Setup für deine Anforderungen findest, ohne Dich von der Masse an Fachbegriffen und Features direkt verunsichern zu lassen.
PASSEND DAZU
- Gitarrensaiten
- Digitalpiano
- Gitarre gebraucht kaufen: 5 Tipps für die Second Hand Gitarre
- DJing: Tutorials, News & Reviews für DJs
- 9 Dinge, die Du beim Musik selber machen vermeiden solltest
Inhalt: PA-System Ratgeber
PA-System Ratgeber: Grundlagen
Eine PA (Public Address) hat den Zweck, eine bestimmte Menge an Zuschauern mit Musik und/oder Sprache zu beschallen. Dazu bedient sie sich zweier Komponenten: Verstärker und Lautsprecher. Diese können entweder gemeinsam in einem Gehäuse untergebracht sein oder separat kombiniert werden.
Als »aktiv« bezeichnete PA-Systeme bieten integrierte Verstärker
Häufig wird angenommen, die Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Lautsprechersystemen beziehe sich darauf, ob ein Lautsprecher eine integrierte Verstärkerelektronik besitzt.
»Aktiv« ist ein Lautsprecher jedoch nur dann, wenn die darin befindliche Frequenzweiche, die das eingehende Signal auf mehrere Wege (Woofer, Hochtöner) aufteilt, aktiv arbeitet, d.h. aufteilt und erst im Anschluss an die integrierten Verstärker weiterführt. Grundsätzlich kannst Du aber davon ausgehen, dass sämtliche PA-Lautsprecher, die Du unter der Bezeichnung »aktiv« auf dem Markt vorfindest, über einen integrierten Verstärker verfügen und Du somit keine separaten Endstufen benötigst.
Zudem verfügen moderne aktive Lautsprecher größtenteils über einen eingebauten DSP (Digital Signal Processor). Ein DSP liefert Dir die – je nach Ausführung des DSPs mehr oder weniger umfangreiche – Kontrolle über das Audiosignal im Lautsprecher. Das beginnt bei den Pegeln für die einzelnen Wege, geht über die Einstellung der Limiter, Equalizer und Delays und führt bis zur Fernsteuerbarkeit aller Einstellungen durch spezifische Apps der Hersteller.
Typen von PA-Systemen
- Direktabstrahlende Fullrange-Systeme aus Topteil und Subwoofer im 3-Wege-Design (Subwoofer, Woofer, Hochtöner)
- Line Arrays
- Säulen-PAs
Die klassische PA-Anlage
Während im professionellen Tour-Betrieb ab einer bestimmten Raum- und Zuschauergröße die Line Arrays zum Beschallungsstandard gehören, siehst Du bei Kneipen- und kleineren Club-Konzerten konventionelle PA-Systeme, bei kleinen akustischen Besetzungen und Sprachbeschallungen zunehmend auch mobile Säulen-PAs.
Die klassische Band-PA (Beispiel-Besetzung: Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboards, Gesang) basiert auf einer Kombination aus 10-, 12- oder 15-Zoll-Topteilen mit 15- oder 18-Zoll-Subwoofern für die linke und rechte Bühnenseite – die genaue Auswahl musst Du anhand der Größe und Beschaffenheit des Konzertraums, der Masse des Publikums sowie der Musikrichtung treffen.
Generell gilt: Je größer der Zoll-Durchmesser einer Lautsprecher-Membran, desto tiefer die übertragbaren Frequenzen, desto größer jedoch auch die Masseträgheit der Membran, was zu einem schlechteren Impulsverhalten führt. Ein Akustik-Trio aus zwei Gitarren und Gesang im Rahmen eines intimen Kneipenkonzerts über ein wuchtiges PA-System aus 15-Zoll-Topteilen und 18-Zoll-Subwoofer laufen zu lassen, ergibt demnach nur wenig Sinn. Gleichzeitig ist ein 10-Zoll-System mit 12-Zoll-Subwoofer für eine Elektro- oder Metalband nur in den seltensten Fällen die richtige Wahl.
Beachte jedoch auch hier: Letztendlich hängt es immer von der Veranstaltungssgröße ab. Wieviel Pegel brauchst Du? Wie viele Zuschauer willst Du mit Deiner PA beschallen?
Linienstrahler
Line Arrays und Säulen-PAs sind sogenannte Linienstrahler. Die kompakten Säulen-PAs basieren dabei auf den gleichen Grundprinzipien wie die ausladenden Line Arrays (aufgrund ihrer Form auch »Bananen« genannt), die Du von großen Konzerten kennst.
Der Unterschied zu den direkt abstrahlenden PA-Systemen liegt in der Anzahl, Größe und Anordnung der Lautsprecher. Durch die Kombination mehrerer (kleiner) Lautsprecher übereinander mit festem vertikalem Abstrahlwinkel und gleicher Phase wird eine gezielte und gleichmäßige Beschallung eines Raums erreicht.
Durch die Bündelung der Schallwellen der einzelnen Lautsprecher entstehen zudem höhere Schalldrücke für weiter hinten liegende Zuschauerbereiche, ohne dass in der Nähe der Lautsprecher stark erhöhte Schalldrücke auftreten.
Somit verhalten sich die vielen kleinen Lautsprecher wie ein einzelner großer. Würdest Du dies mit konventionellen PA-Lautsprechern versuchen, käme es zu akustischen Überschneidungen (Interferenzen) der einzelnen Lautsprecher und damit zu Phasenproblemen und Auslöschungen bestimmter Frequenzen.
Passend dazu: PA anschließen »
Das passende PA-System für dich
Häufig liest Du etwas von Faustformeln, die Dir bei der Zusammenstellung der passenden PA für ein geplantes Konzert helfen sollen, etwa »Watt pro Zuschauer« oder »Watt pro Quadratmeter«.
Diese Berechnungsgrundlagen sind hilfreich, um eine ungefähre Vorstellung für die Größenordnungen zu erhalten, können jedoch im schlimmsten Fall zu völlig über- oder unterdimensionierten PA-Anlagen führen. Zudem weißt Du meistens nicht, ob sich diese Watt-Werte auf die Peak- oder RMS-Leistung beziehen.
Der Raum
Neben der Zuschauerzahl sowie der reinen Raumgröße spielt auch der Zuschnitt des Raums eine wesentliche Rolle. Ist er annähernd quadratisch oder stark in die Länge gezogen? Im letzteren Fall steht ein Teil der Zuschauer wesentlich weiter von der Bühne entfernt und wird eventuell nur unzureichend mit Schall versorgt, was nach einer leistungsstärkeren PA verlangt.
Spielst Du in einer lauten Kneipe vor 30 Zuschauern, die sich auf einen verwinkelten Raum mit Nischentischen und zwei Ebenen verteilen, können diese Faustformeln ebenfalls in die Irre führen. Und bedenke: Im Freifeld (Open-air) gelten gänzlich andere akustische Bedingungen als in geschlossenen Räumen!
Das garantiert perfekte PA-System?
Aus diesen Gründen stellen wir Dir im nächsten Artikel auch keine »passenden« PA-Komplettsysteme vor, die »garantiert« für eine Zuschauergröße von beispielsweise 200 Personen oder eine Raumgröße von etwa 150 Quadratmetern funktioniert. Vielmehr konzentrieren wir uns mit dem aktiven 12-Zoll-Fullrange-Lautsprecher auf einen Allrounder unter den Topteilen. Diesen kannst Du für größere Beschallungsaufgaben sowohl mit einem Subwoofer (15 oder 18 Zoll) kombinieren als auch allein für kleinere Akustikgigs oder reine Sprachbeschallung verwenden.
Mit der im nächsten Artikel folgenden Marktübersicht erhälst Du anhand von zehn Modellen, die aktuell erhältlich sind, einen Überblick über die Leistung, die Ausstattungsmerkmale sowie den Preisrahmen eines 12-Zoll-Fullrange-Lautsprechers für die PA-Beschallung. Alle zehn Produktlinien bieten Dir zudem kleinere und/oder größere Varianten in Form von 10-Zoll oder 15-Zoll-Lautsprechern an.
Technische Begriffe – Wat is Watt?
Wer Lautsprecher miteinander vergleichen möchte, sieht sich in den Datenblättern der Hersteller mit vielen verschiedenen (i.d.R. englischsprachigen) Angaben konfrontiert. Wir erklären Dir in unserem PA-System Ratgeber, was wofür steht:
Watt Peak
Die Peak-Leistung beschreibt die mechanische Belastbarkeit und ist die Leistung, die ein Lautsprecher kurzzeitig verkraften kann. Die Peak-Leistung ist immer höher als der RMS-Wert.
Watt RMS
Im Gegensatz zur Peak-Leistung beschreibt die RMS-Leistung die Dauerbelastbarkeit eines Lautsprechers und ist somit wesentlich aussagekräftiger. Hier wird die Leistung als quadratischer Mittelwert über den gesamten Frequenzbereich (20 – 20.000 Hz) ermittelt.
Max. SPL
Der maximale Schalldruckpegel (in dB) eines Lautsprechers, den dieser erzeugen kann. Der Max. SPL kann von den Herstellern sowohl gemessen (measured) als auch lediglich errechnet (calculated) werden. Bei errechneten Werten bezieht sich der Max. SPL nur auf eine bestimmte anliegende Frequenz.
Sensitivity (1W/1m)
Die Empfindlichkeit eines Lautsprechers wird mit dem Schalldruckpegel (in dB) angegeben, der in einem Abstand von einem Meter bei einer zugeführten Leistung von einem Watt gemessen wird. »Sensitivity« ist ein umgerechnetes Maß für den Wirkungsgrad eines Lautsprechers.
Frequency range (-10 dB)
Die Frequency range (= Frequenzsspektrum) gibt an, welche Frequenzen ein Lautsprecher wiedergeben kann. Als unterer und oberer Grenzwert wird ein Pegelabfall von 10 dB gesetzt.
Frequency response (±3 dB)
Die Frequency response (= Frequenzgang) beschreibt die Darstellung der Amplitude über die Frequenz und gibt an, wie empfindlich ein Lautsprecher bei verschiedenen Frequenzen mit einer Abweichung von ±3 dB ist.
Dispersion / Coverage
Das räumliche (Schall-)Abstrahlverhalten eines Lautsprechers wird immer mit zwei Werten angegeben: horizontal x vertikal in Grad. Der Abstrahlwinkel ist definiert als der Winkel zwischen zwei äußeren Punkten, an denen der Pegel gegenüber der Hauptabstrahlachse (frontal) jeweils um 6 dB abgefallen ist. Zur grafischen Darstellung des Abstrahlverhaltens wird die Isobaren-Darstellung verwendet.
Ferrit vs. Neodym
Mit dem Wirkungsgrad eines Lautsprechers wird das Verhältnis von abgegebener zu zugeführter Leistung angegeben. In der Praxis bedeutet dies: Wieviel Leistung (in Watt) muss man einem Lautsprecher zuführen, um einen bestimmten Schalldruckpegel zu erzielen? Da der Wirkungsgrad keine physikalische Einheit besitzt, weicht man bei Lautsprechern ersatzweise auf den Kennschalldruckpegel aus. Dieser beschreibt die Effizienz oder Sensitivity eines Lautsprechers durch den Schalldruckpegel bei 1 Watt zugeführter Leistung, gemessen in einem Meter Abstand im Freifeld (echoarmer Raum).
Maßgeblich beeinflusst wird der Wirkungsgrad bzw. die Effizienz eines (elektrodynamischen) Lautsprechers durch den verwendeten Magneten: Je stärker das magnetische Wechselfeld, desto höher der Wirkungsgrad der gesamten Lautsprecher-Konstruktion.
In PA-Lautsprechern werden sowohl Ferrit- als auch Neodym-Magnete verbaut. Neodym-Magnete haben den Vorteil, dass diese nur einen Bruchteil der Masse eines Ferrit-Magneten benötigen, um die gleiche magnetische Antriebskraft und damit den gleichen Wirkungsgrad zu erzielen. Anders ausgedrückt: Ein Lautsprecher mit Neodym-Magnet ist bei gleicher Masse und Größe wesentlich effizienter als ein Lautsprecher auf Ferrit-Basis. Nochmal anders: Bei gleicher Effizient ist Neodym wesentlich leichter als Ferrit.
Das Problem: Neodym-Magnete sind deutlich teurer als Ferrit-Magnete. Über 90 Prozent des weltweiten Bedarfs am Rohstoff Neodym stammen dabei aus China. Aufgrund von Exportbeschränkungen der chinesischen Politik sind die Preise für Neodym-Magnete seit 2010 immens angestiegen. Effizienz hat eben ihren Preis. Wir freuen uns wenn ich der PA-System Ratgeber gefallen hat.