Tontechnik bei TV-Übertragungen
Interview mit Felix Krückels zur WM2014
Von Florian Selzer
Felix Krückels zu Tontechnik im Fernsehen/TV
Auf dem »Media Monday« der Hochschule Darmstadt hatten wir die Möglichkeit dem Toningenieur Felix Krückels einige spannende Fragen zu seinem Job und der bevorstehenden WM2014 zu stellen. In der Zwischenzeit befindet er sich in Brasilien in den Vorbereitungen zur bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft. Wer selbst Toningenieur werden möchte, darf gespannt lesen.
Wir danken für das freundliche Interview.
Wer sind Sie und was machen Sie beruflich?
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Ich heiße Felix Krückels, ich habe die Position »Director of Business Development« bei der Firma Lawo und entwickle dort neue Geschäftsfelder für die Firma im Bereich Broadcast Media und Audio. Nebenbei mische ich als Toningenieur noch das eine oder andere Sportevent für das Fernsehen, Fußball und Boxen für RTL, ARD und andere Sender.
Wie kommt man zu so einem Job? Welche Ausbildung ist vorausgesetzt?
Der Tonjob beim Fernsehen ist in der Form ganz selten über eine Ausbildung zu erreichen. Es gibt zwar den Studiengang Toningenieur in Düsseldorf und andere Medienausbildungen in Deutschland, aber die sind alle eher generell ausgerichtet und behandeln nicht alle Bereiche, die im Ton notwendig sind, um eine Fernsehsendung erfolgreich zu meistern.
Ich habe einen ganz anderen Weg genommen. Ich habe Tonmeister studiert und dann recht früh während des Studiums Kontakt mit dem Fernsehen bekommen. Das hatte durchaus sehr viele Reize im Vergleich zu einer typischen CD-Produktion: Es ist live und es gibt keine Postproduktion im Live-Fernsehgeschäft! Technisch ist das Fernsehen sicher eines der reizvollsten Arbeitsfelder für den Toningenieur. Es gibt viele sehr gute Toningenieure, die einfach als Tontechniker, Tonassistenten anfingen, sich dann immer mehr für die Technik hintendran interessiert und darüber das Knowhow zum Toningenieur erarbeitet haben.
Wie gestaltet sich ein Arbeitstag bei Fernsehübertragungen?
Das gestaltet sich unterschiedlich, da muss man wirklich sehr stark unterscheiden zwischen dem Toningenieur, der im Ü-Wagen arbeitet, und dem im Studio, bei dem das gesamte Tonsystem typischerweise stringenter durchdesignt ist. Zum Beispiel ist das Konzept bei Nachrichten immer das gleiche. Da werden die Pulte nicht jeden Tag neukonfiguriert, anders als beim Ü-Wagen. Eine Fußballproduktion als normale Samstagsshow [wie die Sportschau] wird einmal aufgebaut und entsprechend immer wieder kopiert. Das ist auch beim Boxen so.
Wenn das aber etwas ganz Neues ist und man eine Entertainmentshow vorbereitet, macht man sich im Vorhinein Gedanken, welche Mikrofone man wie positioniert, wie man sich sein Mischpult ergonomisch und vom Signalfluss konfiguriert, sodass alle beteiligten Moderatoren zufrieden sind und man als Toningenieur optimal den Klang gestalten kann. Das ist durchaus ein Prozess von mehreren Wochen. Man erstellt Listen und notiert sich, wo alles hingehört. Viel wird auch offline vorbereitet – Mischpulte werden am Laptop präpariert, Intercom-Systeme vorbereitet und so weiter.
Wie behält man den Überblick?
Strukturiert arbeiten, ganz klar! Sehr viel vorher planen und dokumentieren. Nicht versuchen, alles mit irgendwelchen Excel-Tabellen und Papierchen zu behalten, sondern möglichst viel strukturiert in den Systemen behalten. Der Hauptgrund für den Erfolg ist, den Überblick über das gesamte System zu behalten. Man muss von oben nach unten denken, »top down«. Auf die wichtigsten Sachen, die in der Sendung noch geändert werden müssen, braucht man direkten Zugriff. Sicherstellen, dass andere Dinge automatisch im Hintergrund laufen. Nicht alles zuknallen, nicht überreizen.
Ich sehe das oft bei Mischpulten, dass alle Signale an der Oberfläche liegen, auch Sachen, die man gar nicht braucht. Das lenkt natürlich ab. Spare-Mikrofone müssen nicht oben liegen, die können auch auf die zweite Ebene. Struktur reinbringen, in logischen Layern [Schichten] denken. Vorher überlegen: Was braucht man wann? Dann kann man solche Szenarien auch durchspielen. Muss ich dahin greifen, funktioniert das und geht das ergonomisch, wenn dieses und jenes passiert?
Kommen Stresssituationen vor?
Es wird wahnsinnig stressig. Wenn in der Livesituation Fehler passieren, wird die gesamte Crew nervös, je nachdem, wie viel hinten dranhängt. Nervosität löst Stress aus, das geht hin bis zum Anschreien, zu persönlichen Beleidigungen zwischen verschiedenen Beteiligten. Tonleute an die Bildkollegen, Bildleute an die Tonkollegen, Regisseure zum Ton, Tonkollegen an den Redakteur, kreuz und quer.
Das ist aber eigentlich genau das falsche Prinzip. Wenn es stressig wird, sollte es heißen: Fokussieren, es geht weiter! Diskussionen kann man im Nachhinein führen. Ruhig bleiben, sich nicht nervös machen lassen, auch wenn der Regisseur noch so schreit. Kommunizieren, das ist absolut wichtig. Wenn Stress da ist und es fällt etwas aus, muss man den Kollegen mitteilen, wenn man etwas tut. Der Regisseur kann einem ja schließlich nicht von den Lippen lesen. Der guckt einem auch nicht auf die Finger und sieht, dass man gerade versucht, ein Problem zu lösen.
Einfach sagen »Lass mich jetzt ein paar Minuten lang in Ruhe, ich versuch das Problem zu lösen. Wenn es etwas Größeres ist, sage ich nochmal Bescheid«. Nerven behalten, sich nicht verrückt machen lassen. Versuchen, eins nach dem anderen zu lösen, sonst geht noch mehr schief!
Ist bei Ihnen auch schon mal etwas richtig schief gelaufen?
Ja, klar. Dem, dem das nach 10 Jahren noch nicht passiert ist, glaube ich nicht. Man lernt aus Fehlern.
Auch bei richtig großen Übertragungen?
Ja, logisch.
Was war bis jetzt Ihr berufliches Highlight als Toningenieur?
Jedes RTL-Boxen ist für mich ein Highlight, es ist immer eine wahnsinnig große Show. Ich hatte damals das Glück gehabt, dass ich bei der Vier-Schanzen-Tournee dabei sein durfte, als Sven Hannawald viermal gewonnen hat. Das war ein Riesenhighlight, die ganze Wintersaison.
Den Sound bei einer [Fußball-]Weltmeisterschaft zu mischen, ist super. Es macht wahnsinnig viel Spaß, das vorzubereiten, zusammenzuführen und das Ergebnis selber abzumischen. Wenn es dann wirklich so funktioniert, wie es funktionieren sollte, ist es ein großes Erlebnis. In Südafrika war das leider nicht der Fall, die Vuvzelas waren ein tontechnisches Problem, aber dieses Jahr sollte es wieder viel besser werden.