Multiband-Kompressor erklärt
Die richtige Anwendung in der Musikproduktion
Von Carlos San Segundo am 13. Juli 2021
Der Multiband-Kompressor
Die meisten Kompressoren in der Musikproduktion arbeiten mit nur einem einzigen Band, das das komplette Frequenzspektrum abdeckt. Ein eingehendes Audiosignal wird durch einen solchen Kompressor sozusagen »am Stück« bearbeitet. Das heißt, dass es ihm egal ist, in welchem Frequenzbereich der Pegel über den eingestellten Schwellenwert schnellt.
Du kennst diesen Effekt sicherlich als unerwünschtes Pumpen auf einem Mix oder der Schlagzeug-Subgruppe, wenn z.B. eine Kick Drum, die viele tieffrequente Anteile mit hoher Energie trägt, alle anderen Frequenzen »niederzudrücken« scheint, auf denen sich die übrigen Schlagzeug-Instrumente tummeln. Das Problem ist freilich nicht existent, wenn Du denselben Kompressor auf die Spur der Kick-Drum alleine einsetzt – denn hier entsteht die Wirkung des Kompressors nur auf der Kick alleine.
Dieser Pump-Effekt kann sicherlich auch kreativ eingesetzt werden, keine Frage. In einigen Musikrichtungen wie Pop oder Rock kann durch ein leichtes, subtiles Pumpen sogar die Stimmung und die Message des Songs noch unterstrichen werden. Voraussetzung ist hier allerdings, dass der Pump-Effekt nicht übertrieben wird.
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Wie funktioniert Multiband-Kompression?
In den meisten Anwendungen in Mixing und Mastering ist der oben erwähnte Effekt eher unerwünscht. Und genau für diese Anwendungen bieten sich Multiband-Kompressoren durch ihre hohe Flexibilität an.
Multiband-Kompression auf den Punkt gebracht
Ein Multiband-Kompressor teilt das eingehende Audiosignal in zwei oder mehr Frequenzbänder auf. Zum Aufteilen des Signals werden Filter genutzt, die Du vielleicht aus guten Equalizern kennst – Bandpassfilter, um genau zu sein (siehe FAQ: Filter Typen »).
Die Signale jedes einzelnen Frequenzbands werden anschließend in einen jeweils eigenen, separat einstellbaren Kompressor geleitet und durch diesen bearbeitet. Die hieraus resultierenden Audiosignale werden zum Schluss wieder zu einem einzigen kombiniert.
Der Vorteil dieses Vorgehens liegt auf der Hand. Um beim Beispiel der Kick Drum zubleiben: Sie kann nun nicht mehr die Hihat unterdrücken, zumindest wenn nicht gerade beide Instrumente in dasselbe Frequenzband fallen, dass am Multiband-Kompressor eingestellt ist. Jedes Band wird für sich einzeln komprimiert und die im jeweiligen Frequenz auftretenden Pegelspitzen beeinflussen nicht, was auf den anderen Bändern passiert.
Aber das ist noch längst nicht alles. Wirklich spannend wird es, wenn jedes Band mit anderen Parametern für Threshold, Ratio, Attack , Release & Co. komprimiert wird! Der beste Vorteil meiner Meinung nach ist aber dieser: Durch die Möglichkeit, die Ausgangspegel aller Bänder separat per zu justieren (über den Regler »[Make-up] Gain«), kann die Ausgewogenheit des Audiosignals jederzeit erhalten oder nach eigenem Geschmack verändert werden.
Wo trenne ich die Bänder bei der Multiband Kompression?
Fast jeder handelsübliche Multiband-Kompressor bzw. jedes Plugin dieser Kategorie erlaubt es, die Frequenz-Ober- und Untergrenzen der Bänder nach eigenem Ermessen aufzuteilen. Und sofort stellt sich die Frage nach der besten Aufteilung. Wo teilst Du also am besten die einzelnen Bänder auf? Wie so oft in der Musikproduktion gibt es auch hier keine Standards (sonst bräuchte man auch den einstellbaren Parameter nicht mehr), es hängt alles vom zu bearbeitenden Audiosignal ab. Aber wie Du delamar kennst (oder noch kennenlernen wirst), haben wir trotzdem einige Beispiele für dich …
Beispiel A
So haben ich in einer meiner Produktionen einen Multiband-Kompressor mit vier Bändern verwendet:
- Band 1 | 0 – 90 Hz … Kompression
- Bänder 2 & 3 | 90 – 11.000 Hz … keine Kompression
- Band 4 | 11.000 – 20.000 Hz … Kompression
Durch die relativ niedrige Obergrenze von Band 1 habe ich die Bässe im Griff, ohne den »Kick« zu beeinflussen. Und die gezielte Kompression der Höhen – übrigens mit schnellem Attack & Release – sorgt für einen gleichmäßigeren, weniger anstrengenden Sound.
Beispiel B
Auch wenn ich bestimmt viele böse Kommentare bekomme: Gerne verwende ich den Multiband-Kompressor und gleich danach noch einen zusätzlichen 1-Band-Kompressor, um Vocals so richtig nach vorne im Mix zu bekommen. Die Schwierigkeit hierbei ist es, das Vocal noch recht natürlich klingen zu lassen. Ein Beispiel aus meiner Praxis mit einem Multiband-Kompressor, der über drei Bänder verfügt:
- Band 1 | 0 – 120 Hz – keine Kompression
- Band 2 | 120 – 5.500 Hz – Kompression
- Band 3 | 5.500 – 20.000 Hz – keine Kompression
Der größte Teil des Vocals wird somit in einem einzigen Band komprimiert und ergibt ein natürlicheres Resultat.
Tipps für die Parameter
Wenn sehr stark unterschiedliche Kompressionseinstellungen für die Bänder gewählt werden müssen und das Ergebnis unnatürlich wirkt, hängt das oftmals an der unnatürlichen Balance der Frequenzbänder. In anderen Worten: Durch eine Änderung der Pegel einzelner Bänder mithilfe von Makeup Gain kann die gewohnte Natürlichkeit wiederhergestellt werden.
Was die Timing-Parameter Attack und Release angeht, hat sich folgendes Vorgehen in meiner Praxis bewährt: Die mittleren Bänder (oder das mittlere Band bei einem 3-bandigen Multiband-Kompressor) stelle ich so ein, wie ich auch einen normalen Kompressor arbeiten ließe. Das erste und tiefste Band ist mit mittleren Attack- und Release-Zeiten (tendenziell etwas länger als beim mittleren Band) gut bedient. Die hohen Frequenzen klingen am besten, wenn schnelle Zeiten für Attack und Release verwendet werden.
Multiband-Kompression – mit Vorsicht zu genießen
Kompression ist nichts, was in einem einzigen Artikel erklärt oder an einem Tag erlernt werden könnte. (Anm. d. Red.: Deswegen gibt es nun ja auch so viele Tutorials auf delamar. ;) Wenig Effekte sind meines Erachtens so schwer zu meistern wie Kompression (und EQ). Die Multiband-Kompression vervielfacht die Optionen und macht dadurch die Lernkurve noch steiler. Mein bester Rat lautet daher: Lass im Zweifelsfall einfach die Finger weg von der Multiband-Kompression und nutze einen normalen Kompressor.
Grundlagen: Wie funktioniert der Kompressor? »
Wenn es dann doch der Multiband-Kompressor sein soll, dann gilt es genau zu überlegen, wie die Spur am Ende klingen soll. Nichts fühlt sich falscher an, als in diesem Zusammenhang von einer Visualisierung des Ziels zu sprechen. Dennoch verdeutlicht diese Aussage, was ich damit ausdrücken möchte.
Wer in den unterschiedlichen Frequenzbändern sehr verschiedene Einstellungen beim Komprimieren verwendet, stellt oftmals fest, dass das Ergebnis nicht natürlich klingt. Natürlich kann die Lösung nicht immer lauten, alle Bänder gleich wenig (oder viel) zu komprimieren.
Tipp: Serielle Kompression – Zwei Kompressoren in Reihe
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Letzte Gedanken
Vielleicht wird dich dieser Artikel nicht über Nacht zu einem Meister der Multiband-Kompression machen, aber das war auch nicht das deklarierte Ziel. Weiter oben sagte ich ja schon, dass für mich Kompression und Equalizing die beiden schwierigsten Effekte in der Musikproduktion waren. Und auch heute stellen mich einige Projekte immer mal wieder vor echte Rätsel, was das angeht.
Üben, üben, üben, Fehler machen und neu anfangen sind wahrscheinlich der einzige Weg, um den richtigen Umgang mit Effekten in der Musikproduktion zu erlernen.