Modulationseffekte zur Stereoverbreiterung Tutorial
Von Jakob Rosemann
Modulationseffekte zur Stereoverbreiterung
Warum Stereoverbreiterungseffekte für Vocals einsetzen?
Der Mix ist so gut wie fertig und die Vocals wirken trotz zahlreicher verschönernder Eingriffe mit Equalizer und Kompressor noch immer ein wenig dünn? Fast schon unspektakulär? Auch der Einsatz der edlen Hallplatte lässt die Vocals nicht fett und schillernd genug rüberkommen?
In diesem Tutorial geht es darum, wie Du kraftlosem Gesang und Rap gezielt mit Stereoverbreiterungseffekten das Sahnehäubchen aufsetzt. Besonders geeignet hierfür sind Modulationseffekte, die mehrere Einzeleffekte miteinander verbinden, um monophonen Signalen Stereoanteile zu verabreichen.
Um die Arbeitsweise komplexer Modulationseffekte besser zu verstehen, gibt es vorab einen Blick auf die einfachen Effekte, die miteinander verschaltet werden. Vorher noch einen kleinen Einblick in die Bedeutung von Stereo und wie das hilft.
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Was ist Stereo?
Einfach ausgedrückt: Dein linker Lautsprecher spielt ein anderes Signal aus als dein rechter. Stereo ist gleichbedeutend mit einer Differenz von linkem zu rechtem Kanal in einer Stereodatei. Mono bedeutet, dass aus beiden Lautsprechern dasselbe Signal ausgegeben wird.
Je größer die Differenz zwischen linkem und rechtem Kanal ist, desto breiter wird das Stereopanorama wahrgenommen.
Das kannst Du dir für Vocals, Lead- oder Solo-Instrumente zunutze machen, wenn sie mehr Breite und Fülle vertragen könnten.
Stereo aus Mono generieren
Vocals werden in der Regel in Mono aufgezeichnet. Um daraus ein Stereo-Signal zu machen, gibt es mehrere Vorgehensweisen. Grundsätzlich erfordern alle die Erstellung einer Kopie des monophonen Originalsignals.
Je nach Effekt erfährt diese Kopie eine bestimmte Art der Bearbeitung, bevor sie dem Originalsignal mehr oder weniger subtil wieder hinzugemischt wird. Durch diese Methode wird ein leicht schwebender Sound erzeugt, der die neu gewonnene Kombination fetter klingen lässt als das Ursprungssignal.
Wenn das Originalsignal und die bearbeitete Kopie nun noch ein wenig nach links und rechts im Panorama ausgelenkt werden, erhältst Du ein Stereosignal.
Tipp: Das kannst Du mit jedem Effekt durch Duplizieren und Bearbeiten einer Spur manuell ausprobieren.
Zwei mögliche Techniken schauen wir uns im folgenden Kapitel exemplarisch an. Wie Du später sehen wirst, finden sich für die gängigsten Verfahren zur Stereoverbreiterung heute Plugins, die dir die Arbeit vereinfachen.
Lies auch: Musik-Effekte: Was Du zu Audio-Effekten wissen musst
Statische Stereoverbreiterungseffekte
Zu den statischen Vertretern zählen alle Effekte, die ohne zeitliche Veränderungen (Modulation) arbeiten. Für die manuelle Stereoverbreiterung von Vocals bieten sich zwei Effekttypen an:
- der Pitch Shifter und
- das Delay.
Beide basieren auf analogen Vorbildern und empfinden deren Funktionsweise zumindest teilweise nach. Du kannst auch andere Effekte wie Equalizer oder einen kleinen Hallraum nutzen. In der Musik und beim Einsatz von Effekten ist der Geschmack entscheidend.
Wie Du später noch lesen wirst, sind Pitch Shifter und Delay die Grundbausteine für komplexe Modulationseffekte.
Pitch Shifter
Dieser Effekt verändert konstant die Tonhöhe einer Spur um einen zuvor festgelegten Wert. In der analogen Ära wurde das durch das langsamere oder schnellere Abspielen einer Bandmaschine erzeugt. Nebeneffekt dieses Vorgehens ist, dass auch die Länge der abgespielten Sounds dadurch verändert wird.
Digitale Prozessoren und Plugins arbeiten oftmals mit Interpolation, um der Längenänderung durch das Weglassen oder das künstliche Hinzufügen von Samples entgegenzuwirken.
Die Qualität von Pitch Shifter Plugins variiert allerdings so stark wie bei kaum einem anderen Effekt. Selbst die besten Algorithmen erzeugen ab einer gewissen Transposition der Tonhöhe deutliche Artefakte.
Der Effekt wird gerne im Sound Design für Monsterstimmen eingesetzt, für leichte Verstimmung (ca. 10-30 Cent) ist der Pitch Shifter durchaus ein geeignetes Mittel.
Delay
Ein Delay ist die zeitliche Verzögerung eines Signals. Ein Delay von 20 Millisekunden verzögert den Klang um eben diese Zeit nach dem eigentlichen Beginn. Erst wenn die Kopie mit einer Verzögerung von mehr als 50 Millisekunden zum Originalsignal hinzugemischt wird, kann das menschliche Ohr diese als Slap-Delay wahrnehmen.
Kammfiltereffekt
Interessantere Effekte für unseren Zweck ergeben sich bei Verzögerungen von weniger als 20 Millisekunden, da diese zu einem sogenannten Kammfiltereffekt führen. Die Bezeichnung geht auf die optische Veränderung der Wellenform zurück: Bei der Überlagerung der Frequenzen kommt es zu Frequenzerhöhungen (zwei Wellenberge liegen übereinander) und -auslöschungen (ein Wellental trifft auf einen Wellenberg).
Hier findest Du mehr zum Kammfiltereffekt »
Der Kammfiltereffekt führt zu einem schwebenden Klang. Solange beide Mono-Signale ohne ein unterschiedliches Panning zusammengeführt werden, bleibt das Ergebnis mono.
Haas-Effekt
Ähnlich, aber noch fetter wird es beim Haas-Effekt. Das zweite Signal wird dabei etwa 30 Millisekunden verzögert und hart gepannt. Das Originalsignal hart entgegengesetzt.
Zwischenfazit I
Allein mit der Tonhöhenänderung oder dem zeitlichen Versatz kannst Du deutlich an Fülle gewinnen. Doch es gibt einen Nachteil: Durch die Regelmäßigkeit (der Effekt bleibt statisch) klingt es schnell künstlich.
Einfache Stereoverbreiterung
Mehr Leben kommt durch die zeitliche Veränderung des kopierten Signals. Nicht nur, dass das natürlicher wirkt – bei unterschiedlichem Panorama führt es zu einem noch breiteren Stereobild. Eine derartige Veränderung des Klanges wird durch Modulationseffekte erzielt.
Diese sind mit mindestens einem LFO (Low Frequency Oscillator) ausgestattet, der für die zeitliche Veränderung sorgt. Wir schauen uns zwei der einfachen Modulationseffekte genauer an.
Mehr: Was ist ein LFO? »
Vibrato
Das Vibrato kennzeichnet leichte Veränderungen in der Tonhöhe der Stimme. Der Effekt ahmt dieses Phänomen beim Singen nach. Hierzu wird die Tonhöhe des anliegenden Signals durch eine Sinus- oder Dreieckswelle eines LFOs rhythmisch verändert.
Tremolo
Beim Tremolo-Effekt wird der LFO dazu eingesetzt, die Lautstärke des zu bearbeitenden Signals periodisch zu verändern. Das Ergebnis ist ein pulsierender Sound.
Zwischenfazit II
Du hast nun bereits kennengelernt, wie Du …
- durch Verzögerung eines Signals (Delay) oder Änderung der Tonhöhe (Pitch Shifter) eine Spur fetter machst und
- durch Modulationen per LFO der Effekt interessanter gestaltet wird.
Komplexe Stereoverbreiterung
Kommen wir nun zur Königsklasse der Stereoverbreiterungseffekte: Diese kombinieren beide Techniken auf verschiedenste Weise, um realistischer und natürlicher zu klingen. Besonders geeignet für das Anfetten von Vocals sind dabei beispielsweise der Chorus und der Harmonizer.
Chorus
Ein Chorus imitiert das Zusammenspiel mehrerer Sänger, die unisono singen. Da Menschen keine Maschinen sind, entsteht dabei durch Ungenauigkeiten ein schwebender Effekt.
Das Effektgerät teilt das anliegende Signal auf und verzögert eines um mindestens 20 Millisekunden (nicht hörbare Kammfiltereffekte). Anschließend wird die verzögerte Kopie mit einem Vibrato bearbeitet. Zur Modulation der Tonhöhe wird ein LFO eingesetzt.
Die unterschiedlichen Signale werden in der Regel automatisch hart links und rechts gepannt – so sorgen sie für ein fetteres, breiteres Signal.
Einige Geräte/Plugins nutzen mehrere Verzögerungsstrecken (Stufen) mit unterschiedlichen Verzögerungen und Tonhöhenänderungen, um noch mehr Variation und Breite zu generieren. Teilweise werden diese Effekte als »Ensemble« bezeichnet.
» Acon Digital Multiply
Multiply ist ein free VST Plug-in Chorus, der durch seine Möglichkeiten zum differenzierten Umgang mit dem Signal überzeugt. So gibt es getrennte Regler für das Dry- und das Wet-Signal, sowie einen EQ für Letzteres. Das Pre-Delay lässt sich auf bis zu 500 ms drehen und es gibt einen praktischen Regler für die Stereobreite.
Harmonizer
Die Beschreibungen dieses Effekts in der Fachliteratur unterscheiden sich deutlich voneinander. Mal wird der Harmonizer als ein Generator von Mehrklängen bezeichnet, der durch eine intelligente Erkennung des anliegenden Materials ganze Akkorde auf einen Einzelton harmonisieren kann.
Einer anderen Darstellung zufolge splittet ein Harmonizer das Originalsignal in zwei unterschiedliche Pfade auf, die unterschiedlich verstimmt und hart links bzw. rechts gepannt werden. Hiernach arbeitet der Harmonizer teilweise mit einer zeitlichen Verzögerung und einem LFO, um die Bearbeitung zu modulieren.
Gemäß einer dritten Beschreibung ist für den Harmonizer-Effekt charakteristisch, dass das bearbeitete Signal um einen Wert zeitlich verzögert und von diesem langsam auf 0 Millisekunden zurückgefahren wird. Mit geringer werdender Verzögerung steigt parallel die Tonhöhe des Signals an.
Da es sich beim »Harmonizer« um einen geschützten Begriff der Firma Eventide handelt, verwenden viele Hersteller ganz eigene Namen, wie »Pitch Change« oder auch »Doubler« und womöglich auch unterschiedliche Funktionsweisen des Modulationseffekts.
Im Detail: Fette Vocals mit dem Split-Harmonizer Effekt »
Weitere Modulationseffekte zur Stereoverbreiterung
Zu den Modulationseffekten zählen auch der Flanger und der Phaser, die beide ähnlich dem Chorus mit einer zeitlichen Verzögerung arbeiten. Der in ihnen verschaltete LFO moduliert unterschiedliche Parameter (zeitlichen Versatz vs. Phasenlage verschiedener Frequenzbereiche).
Auch der in den 1940er Jahren populäre Leslie-/Rotary-Effekt zählt zu den Modulationseffekten. Heutige Plugins versuchen diesen Effekt durch die Kombination von Tremolo und Vibrato nachzuempfinden.
Für den Einsatz auf Vocals klingen diese in der Regel eher unpassend, es kommt auf einen Versuch an.
Die unzähligen Plugin-Firmen, die sich heute am Markt tummeln, bieten eine unüberschaubare Anzahl weiterer Effekte an, die alle sehr ähnlich sind und bei denen teilweise nur einzelne Parameter variieren. Über die genaue Art der Bearbeitung und Verschaltung schweigen die Hersteller sich oftmals aus.
Kostenlose VST Plugins – Modulationseffekte
» Flux Stereo Tool
Ein Stereosichtgerät und Analyzer mit präzisen Einstellmöglichkeiten über Input-Gain, sowie einen individuellen Panoramaregler für den linken und rechten Kanal. Hinzu kommt ein Phasen-Umkehrer für beide Kanäle. Genaues visuelles Feedback über das Audiosignal.
» Quikquak UpStereo
UpStereo ist ein kostenloser Stereo Enhancer für Windows und Mac. Er ist einfach in der Handhabung und kann unter anderem dazu genutzt werden, einen Mixdown breiter im Stereofeld bzw. lauter klingen zu lassen.
» Voxengo Stereo Touch
Macht aus Monospuren richtige Stereospuren, um im Mix etwas mehr Tiefe und Dimension zu verleihen. Stereo Touch bietet zwei seperate Delays, A/B Vergleich, Tief- und Hochpassfilter, sowie einen Preset-Manager.
» Tonebytes Stereo Enhancer
Der Stereo Enhancer von Tonebytes ist ein Mono-Stereo-Konverter, der zusätzlich zur Verbreiterung eines Stereosignals herangezogen werden kann. Neben Multi-Band-Frequency-Splitting und Panning gibt es die Möglichkeit, das Signal zu phasen.
» Bitsonic Multiband Stereo Image Modifier Lite
Mit diesem Plugin lassen sich die Mitten- und Seitenanteile (M/S) eines Stereosignals auf drei Frequenzbändern separat bearbeiten. Hierdurch wird der Raumeindruck einer Stereospur auf drei Frequenzbändern geformt.
» Brainworx bx_solo
Kostenfreies M/S-Plug-in für Stereoverbreiterung und Überprüfung von Monokompatibilität, kann auch für den Tausch von Links/Rechts bei Stereospuren genutzt werden. Auf Knopfdruck wird eine Phasenkorrektur durchgeführt.
» Betabugsaudio WideBug
Kleine aber feine Sammlung an nützlichen Plugins, darunter ein simples Tool zur Stereobasis-Verbreiterung namens WideBug.
» Audio Teknikk MidSideMangler
Vier Stereokontrollen zur unorthodoxen Mitten-/Seitenbearbeitung unter einem Dach. Neben gewöhnlichem Panning finden sich in diesem Tool zwei nicht alltägliche Regler: Separates Panning des Mitten- und des Seitenanteils, sowie Balance-Regler als Crossfader zwischen 100% Mitte und 100% Seite.
» Maxsynths Sturiophonia
Sturiophonia hilft dabei, das Stereobild von Mono-Tracks zu erhöhen und dient der genauen Platzierung des Tons unter Verwendung von dedizierten, internen Filtern und Pan-Reglern.
Fazit – Modulationseffekte & Stereoverbreiterung
Wie bei allen Effekten gilt insbesondere auch für Stereoverbreiterungseffekte, dass der Einsatz nur in Maßen erfolgen sollte. Generell ist Vorsicht geboten, da aufgrund der verursachten Phasenverschiebungen schnell eine Mono-Inkompatibilität droht. Hier hilft der Blick auf das Goniometer und das Gegenhören in Mono.
Auch solltest Du Stereoverbreiterungseffekte nur auf dem wichtigstem Lead- oder Harmonie-Instrument anwenden. Denn voll und breit kann eine Spur nur dann wahrgenommen werden, wenn sie in Kontrast zu schmaleren Sounds steht. Ist alles breit, entsteht eine undifferenzierte »Wall of Sound« – ohne klare Ortung der einzelnen Instrumente.
Welcher Effekt letztendlich der richtige für dein Vorhaben ist, findest Du am besten durch Ausprobieren heraus. Dies gilt auch für die Frage, ob die eingesetzten Effekte per Insert oder Send angesteuert werden.
Nun viel Spaß beim Experimentieren und Aufpumpen deiner Spuren!