Interview
Mathias Grosch, Benedikt Maile (Xavier Naidoo, H. R. Kunze)
Von Felix Baarß
Benedikt Maile & Mathias Grosch im Interview
Mathias Grosch und Benedikt Maile unterhalten Tonstudios im Mannheimer Schallschmiede-Komplex. Die Audiospezialisten können auf umfangreiche Referenzen verweisen, darunter Produktionen mit Laith Al-Deen, Xavier Naidoo, Cassandra Steen, Heinz Rudolf Kunze, Kosho und Queen Esther Marrow. Für Xavier Naidoos aktuelles Erfolgsalbum „Bei meiner Seele“ haben Grosch und Maile sämtliche Songs gemischt – mit professionell gespitzten Ohren und kaum mehr Equipment als einem leistungsstarken Audiorechner, einem analogen Summierer und detailgetreu abbildenden Lautsprechern.
Ist es nicht ein gewisses Risiko, ausschließlich in der DAW zu mischen und auf ein konventionelles Mischpult zu verzichten?
Mathias Grosch: Oft ist es so, dass sich Leute weniger auf ihr Gehör verlassen, wenn sie „in the box“ mischen. Ich ertappe mich auch manchmal dabei – ein Klassiker ist der auf Bypass geschaltete Effekt, bei dem man doch ganz genau hören konnte, dass sich beim Drehen etwas verändert hat! (schmunzelt) Das „Mischen nach Sicht“ halte ich für sehr gefährlich, aber die In-the-box-Mischung ist nun einmal der Arbeitsprozess der Gegenwart. Es kommt oft vor, dass Kunden Revisionen eines Titels benötigen, bei denen ein einzelnes Instrument im Nachhinein doch noch einmal einen Tick lauter oder leiser gemacht werden soll. Dafür braucht man in einer analogen Umgebung schon ein wirklich ausgeklügeltes System, während sich bei einem Digitalsystem sämtliche Einstellungen perfekt reproduzieren lassen.
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Ihr habt analog summiert.
Mathias Grosch: Ich mag die analoge Summierung, weil sich in der Praxis zeigt, dass sich der Bass dabei anders verhält. Der Summierer befindet sich bei mir bereits während der laufenden Mischung im Abhörweg und sorgt dafür, dass Frequenzen unterhalb von 500 Hertz deutlich aufgeräumter wirken. Wichtig für einen aussagekräftigen Vergleich zwischen analoger und digitaler Summierung ist ein perfekter Pegelabgleich, denn was lauter klingt, wird meistens auch als besser bewertet.
Wer hat welche Titel auf dem Album „Bei meiner Seele“ gemischt?
Mathias Grosch: Benedikt und ich haben jeweils in unseren eigenen Studioräumen gesessen, aber wir haben uns natürlich ausgetauscht und uns gegenseitig geholfen. Im Endeffekt ist es so, dass auf dem Albumcover nicht vermerkt ist, welcher Track von wem gemischt wurde.
Benedikt Maile: Lustigerweise war es sogar so, dass der Mastering-Ingenieur nicht mit letzter Sicherheit sagen konnte, wer welchen Titel gemischt hat! (schmunzelt) Ich glaube, es liegt daran, dass Mathias und ich eine sehr ähnliche Denkweise haben und auch in puncto Geschmack bei der Mischung übereinstimmen.
Einen Mix-Praxistipp aus der Tontechniker-Trickkiste bitte …
Mathias Grosch: Ein wichtiges klangbildendes Mittel bei der Mischung des Albums war die Parallelkompression. Ich wende sie in unterschiedlichen Zusammenhängen an; es gibt bestimmte Klangästhetiken, die ausschließlich mit dieser Form der Dynamikbearbeitung hergestellt werden können. Bei Drums erzeuge ich für die Overheads einen zusätzlichen Aux-Weg, dessen Ausgang in einen Kompressor geführt wird. Das Material wird dort verdichtet und der Summe dann wieder hinzugefügt – daraus resultiert ein ganz spezieller Klangcharakter. Ich kann nur jedem empfehlen, einmal damit zu experimentieren!
Habt ihr persönliche Lieblingsmikrofone?
Benedikt Maile: Für jede Musik und für jeden Sound existiert ein Mikrofon, das im geeigneten Kontext gut funktioniert – insofern habe ich kein Lieblingsmikrofon, das ich bei jeder Gelegenheit und überall einsetzen würde. Allerdings gibt es Mikrofone, die ich sehr schätze – darunter das Sennheiser MD 421, das total toll an Akustikgitarren und Tomtoms funktioniert und auch an der Snare einen prima Sound macht. Von Neumann finde ich das U 67 super – ich habe neulich das TLM 67 getestet und war erstaunt, wie ähnlich diese beiden Mikros klingen!
Mathias Grosch: Aus dem Portfolio von Sennheiser schätze ich ebenfalls das Modell MD 421, weil es sich sehr vielseitig einsetzen lässt – gerne verwende ich dieses Mikro an den Toms und an der Snare. Das ist genau der richtige Sound – das Mikro hat eine feste Bass-Response und setzt dabei nicht zu tief an, sodass nicht so viele Anteile der Bassdrum mit übertragen werden. Darüber hinaus mag ich das Sennheiser MD 441. Ich stelle dieses Mikro gerne direkt vor das Schallloch der Kick, wo es einen sehr holzigen Klang bewirkt und nur wenig vom übrigen Drumset mitnimmt. Über den Cymbals verwende ich zwei Neumann KM 184 in einer A/B-Anordnung, die ich persönlich lieber als „Close Miking der Becken“ bezeichne. Die Mikrofone befinden sich in einem Abstand von nur 30 bis 40 Zentimetern über den Becken und weisen beide den gleichen Abstand zu einem Mono-Mikrofon auf, das über dem Drummer hängt und quasi das gesamte Set einfängt. Ein Vorteil dieses Aufbaus besteht darin, dass man nicht zu viel Räumlichkeit abbildet und die Drums sehr druckvoll und knackig rüberkommen. Dennoch kann man, gerade was die Becken anbetrifft, sehr gut Einfluss auf den Sound nehmen. Man erhält ein schönes Stereobild, weil die KM 184 ja nicht nur die Becken einfangen, sondern ebenfalls das, was drumherum passiert – die so erzielte Stereoabbildung funktioniert auch prima in Mono!
Gibt es noch einen weniger gängigen Mikrofongeheimtipp?
Mathias Grosch: Das MKH 40 ist für mich eines der wenigen Kleinmembranmikrofone, das in den Höhen absolut linear arbeitet und dabei den Bassbereich sehr stark betonen kann. Deswegen ist es für mich die Entdeckung der letzten Jahre – für quasi jeden Einsatzzweck! Ich habe sogar den Gesang von Heinz Rudolf Kunze mit diesem Mikrofon aufgenommen! Das Ding rockt einfach und ist eine Allround-Waffe! Auch bei akustischen Gitarren liefert das MKH 40 ein ausgeglichenes Klangbild und manchmal verwende ich es sogar an der Bassdrum als Subkick-Ersatz. Eine Subkick setzt ja oft bei 50 Hertz an und je nach Art der Kickdrum ruft das MKH 40 einen vergleichbaren Effekt bei 30 Hertz hervor. Ich richte das Mikrofon schräg und nicht voll frontal auf das Resonanzfell, weil ich das Gefühl habe, dass dieser Aufbau vorteilhaft ist, wenn der Schlagzeuger zwischendurch sehr kräftig auf das Pedal tritt.