Würdest Du meinen besten Rat annehmen?
Von Carlos San Segundo am 05. März 2017
Warum fragst Du überhaupt?
Viele Musiker fragen. Doch nur die wenigsten scheinen in der Lage, einen Rat anzunehmen. Es ist noch schlimmer: Sie fragen und wollen gar keinen Rat hören. Und da frage ich mich, warum Du überhaupt fragst.
Wann hast Du das letzte Mal gedacht: „Wow, das ist ein hervorragender Ratschlag. Viel besser als das, was ich gerade gemacht habe oder in Planung hatte.“
Die Wahrheit ist, dass die meisten Menschen keinen Rat suchen – sie suchen nur Bestätigung.
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Was ist mit dir?
Vermutlich leide ich am Helfersyndrom, denn ich habe immer gerne helfen wollen. Und ich wollte nicht einmal etwas im Gegenzug. Doch im Laufe der Zeit hat sich das geändert.
Zwar möchte ich noch immer gerne helfen, aber das mache ich nicht mehr mit einzelnen Personen im 1 zu 1. Vielmehr äußere ich meine Hilfe allgemeiner und gieße sie beispielsweise in solche Artikel:
Kolumne: Warum mich deine Musik einen Scheiß interessiert
Welcher Typ bist Du?
Meiner Erfahrung nach fallen Menschen auf der Suche nach Rat in eine der nachfolgenden drei Kategorien.
1 – Beratungsresistent
Dieser Typ fragt und schaltet danach den Rückkanal ab. Er will nur antworten, seine Situation schildern, häufig auch jammern. Es geht aber nie darum, etwas zu verstehen oder gar anzunehmen.
2 – Kreativ
Dieser Typ hört tatsächlich zu, vielleicht versteht er den Rat auch. Und dann wird er richtig kreativ und lässt sich 1.001 Ausreden einfallen, warum das jetzt und hier nicht geht. Anders gesprochen: Es passiert nichts.
3 – Nachdenklich
Dieser Typ hört nicht nur zu, er analysiert und durchdenkt den Rat. Wenn es passt, nimmt er ihn an und setzt ihn in einfach kurzerhand um.
Die meisten Menschen fallen in die ersten beiden Kategorien. Bei den Musikern ist zudem der Anteil von Typ 1 gefühlt höher als der kreative.
Warum hören Menschen nicht auf den Rat anderer?
Weil sie Bestätigung suchen. Weil sie bereits im Vorfeld lange beschlossen haben, wie ihnen was in den Kram passt oder sich der Plan in das eigene Lebensmodell einfügt. Die Begründung für ihr Verhalten ist aber die eigentlich interessantere Frage.
Gründe, warum Menschen keinen Rat annehmen:
- Wertschätzung
- Perspektive
- Komfortzone
- Verantwortung
- Und da wären noch …
1 – Wertschätzung
Was nichts kostet, taugt nichts. So scheinen viele mit Ratschlägen von Freunden und Bekannten umzugehen. Kein Wunder, dass das Beratergeschäft läuft.
Aber Wertschätzung ist in diesem Fall in eine andere Richtung gedacht: Man muss sich selbst es schon wert sein, etwas schaffen oder verändern zu wollen. Wer etwas wirklich will, setzt alles daran – und probiert womöglich auch mal Dinge einfach aus.
2 – Perspektive
Wenn Du in einer Flasche Bier sitzt und nach draußen schaust, nimmst Du die Welt um dich herum nur verzerrt und grün eingefärbt wahr. Das Etikett ist aus dieser Position nicht nur verzerrt, sondern zudem spiegelverkehrt – also schlecht lesbar. Nur wer die Bierflasche von draußen sieht, kann das Etikett gut lesen.
Wir alle nehmen die eigene Realität auf eine andere Art wahr als Dritte. Aus etwas Entfernung hilft die Perspektive zu mehr Klarheit. Zudem gehen Unbeteiligte rational an Problemstellungen heran, die für uns selbst emotional beladen sind.
Nur wenn wir uns dessen bewusstwerden, können wir den Rat anderer überhaupt annehmen.
3 – Komfortzone
Veränderung macht vielen Menschen Angst, denn mit ihr kommt das Unbekannte. Den (anders lautenden) Rat eines Dritten anzunehmen bedeutet, einen unangenehmen Weg zu gehen. Nicht zu wissen, wie es sein wird. Dazu müssen wir unsere eigene Komfortzone verlassen.
Die wenigsten Menschen sind mutig genug dazu. Und so schlagen einige Ratsuchende immer wieder mit dem Kopf an dieselbe Wand, ohne die nächste Mauer zu sehen, in der sich eine offene Tür befindet. Andere erstarren einfach in ihren Gewohnheiten und bleiben stehen.
4 – Verantwortung
Einige nennen es Glück, andere Schicksal oder Fügung. Die Wahrheit ist, dass die meisten Menschen einfach keinerlei Verantwortung für ihren (Miss-) Erfolg übernehmen möchten. Viel zu einfach ist es, den ausbleibenden Erfolg einem unverständigen Publikum oder den vermeintlich gierigen Streaming-Diensten unterzuschieben.
Verantwortung übernehmen heißt aber auch, sich Fehler eingestehen zu können. Und hier wird die Sache sogar noch schwieriger für Viele.
5 – Und da wären noch …
… die Menschen, die ohnehin alles viel besser wissen – warum fragen sie überhaupt?
… die Menschen, die ihre Opferrolle lieben.
… die Menschen, die sich immer verteidigen müssen und abschalten.
… die Menschen, die sich manipuliert fühlen, wenn sie auf den Rat anderer hören.
Sorry, ich habe keinen Rat für dich
Es ist zutiefst frustrierend, Freunden zuzusehen, wie sie ihre Leiter an die falsche Mauer stellen und sie schnellstens emporklettern. Nur um oben angekommen festzustellen, dass sie das Ziel verfehlt haben. Und das, nachdem man ihnen die richtige Mauer hat zeigen wollen.
Ich habe daraus gelernt und höre nur noch zu. Und das kann überaus amüsierend werden, wenn der Ratsuchende versteht, dass er die ganze Zeit nur gesendet hat. Aber das ist ein anderes Thema.
Einen Ratschlag habe ich aber doch noch. Wenn Du dich das nächste Mal auf den Weg machst, um einen Freund, Bekannten oder sonst wen nach einem Ratschlag zu fragen – beginne mit dieser Frage: Willst Du wirklich Hilfe?
Was sind deine Erfahrungen mit Ratsuchenden und wie gehst Du damit um? Schreib mir in die Kommentare!