Urheberrecht in der Musik
Fachanwalt steht Rede und Antwort

Urheberrecht Musik
Antworten zum Urheberrecht: Musik aufführen und verbreiten mit Rechtssicherheit ist das Thema dieses Interviews. Erfahre jetzt das Wichtigste über Sampling, Coversongs und vieles mehr!

Felix Baarß Von Felix Baarß am 24. April 2018

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Urheberrecht und die aktuelle Rechtslage

Für das folgende Interview durften wir mit vielen Fragen zur aktuellen Rechtslage in Deutschland einen Fachanwalt für Medienrecht löchern. Die Fragen stammen unter anderem aus Foren, sowie auch aus Zuschriften, die uns erreicht haben. Thematisch geht es vor allem um das Urhebergesetz. Wann besteht die Gefahr das Gesetz es zu verletzen und welchen Schutz gibt es durch dieses?

Dr. Severin Müller-Riemenschneider
Dr. Severin Müller-Riemenschneider
Bild: Media Kanzlei Frankfurt

Dr. Severin Müller-Riemenschneider ist unter anderem Fachanwalt für Urheber- und Kunsturheberrecht sowie Medienrecht. In diesen und weiteren Fragen berät er Privatpersonen und Unternehmen seit 2014 über die Media Kanzlei Frankfurt. Außerdem ist er Lehrbeauftragter bzw. Referent an diversen deutschen Universitäten, Akademien und Instituten. Dr. Müller-Riemenschneider zeichnet weiterhin für zahlreiche Fachbeiträge verantwortlich und steht regelmäßig in Interviews für Fragen wie jene in diesem Artikel über Urheberrecht zur Verfügung.

Die Informationen in diesem Artikel beziehen sich auf den Rechtsstand vom April 2018. Eine ausführliche Rechtsberatung in konkreten Fällen kann nur von Fachanwälten wie Dr. Severin Müller-Riemenschneider vorgenommen werden.

Das Wichtigste – Urheberrecht: Aufführung & Verbreitung von Musik

1. Ein aufgenommener Song ähnelt einem bereits erschienen Song. Dieser neue Song ist aber keine Kopie. Wer entscheidet jetzt, ob es sich hier um eine angebliche Kopie handelt?

Das Kopieren bzw. Vervielfältigen von Musikwerken ohne Einwilligung oder Einräumung von Nutzungsrechten durch den Berechtigten stellt regelmäßig eine Verletzungshandlung dar, da Songs grundsätzlich als Musikwerke nach § 2 Abs. Nr. 2 Urhebergesetz geschützt sind.


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Bei der Beurteilung, ob es sich um eine »Kopie« handelt, wird zwischen einer einwilligungsbedürften Bearbeitung und der sogenannten feien Nutzung, die keiner Einwilligung des Urhebers bedarf, unterschieden. Grundsätzlich muss bei einer freien Nutzung das alte Werk derart verblassen, dass es kaum noch zu erkennen ist. Wird bei einem Werk der Musik jedoch eine Melodie eines alten Songs zugrunde gelegt, greift der sog. starre Melodienschutz gemäß § 24 II UrhG. Eine freie Nutzung gibt es bei Werken der Musik kaum.

Daneben ist im Urheberrecht zwar eine Doppelschöpfung grundsätzlich möglich. Es wird jedoch regelmäßig davon ausgegangen, dass wenn ein Werk einem anderen ähnelt und der Urheber des späteren Werkes das andere Werk hätte zur Kenntnis nehmen können, er sich bei diesem inspirieren ließ. Ein Richter, der im Streitfall entscheiden müsste, ob eine Urheberrechtsverletzung, also eine Kopie im Sinne der Frage, vorliegt, würde dann vermuten, dass es sich um eine unfreie Bearbeitung und nicht um eine Doppelschöpfung handelt.

Merke: Es gibt kaum eine freie Nutzung für Musikwerke. Im Zweifel einer Doppelschöpfung eines Werkes würde vor Gericht eher die unfreie Bearbeitung vermutet werden.

2. Darf ich öffentlich Musik samt Noten von bekannten Liedern vorspielen? (Straßenmusiker, Theateraufführung, …)

Grundsätzlich stellt das öffentliche Vorspielen von Musik eine Vervielfältigung, § 16 UrhG und öffentliche Wiedergabe als Aufführungsrecht, § 19 II UrhG dar. Der Begriff der Öffentlichkeit bezieht sich hierbei auf den Personenkreis für den das Werk potentiell empfangen werden kann. Bei Straßenmusik ist das demnach ein unbegrenzter Personenkreis. Wurden für diese Handlungen die erforderlichen Nutzungsrechte nicht eingeholt, liegt grundsätzlich eine Urheberrechtsverletzung vor. Regelmäßig werden derartige »Verstöße« jedoch nicht verfolgt.

3. Darf ich als DJ eigene Sets bei SoundCloud und YouTube hochladen? Was muss beachtet werden?

Das Hochladen von Werken auf Plattformen im Internet stellt eine öffentliche Zugänglichmachung dar, §19a UrhG. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl wahrnehmen können. Dieses Recht steht nur dem Urheber oder Nutzungsberechtigten zu. Ohne eine entsprechende Erlaubnis ist darin eine Urheberrechtsverletzung zu sehen.

Bei einem DJ Set kann es sich urheberrechtlich um eine Zusammenstellung von mehreren Einzelliedern oder einem MashUp, also eine neue Erstellung durch die Verwendung von vielen kleinen Bestandteilen unterschiedlicher Lieder handeln. Bei Letzterem wäre erneut auf den sogenannten starren Melodienschutz zu verweisen. Danach ist es ausreichend, wenn die entnommene Tonfolge urheberrechtlich geschützt und im neuem Werk erkennbar ist. Durch das Hochladen auf SoundCloud oder YouTube werden zudem die Nutzungsbestimmungen akzeptiert. In diesen versichert der hochladende Nutzer, dass die Werke frei von Rechten Dritter sind, sodass auch vertragliche Ansprüche der Plattform gegen den Nutzer in Betracht kämen, sollte gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen werden.

4. Ich habe einen Song zum kostenlosen Download angeboten. Eine Person hat sich daran bedient und nutzt Teile davon jetzt kommerziell. Gibt es dagegen eine Handhabe?

Ja. Sobald Ihre Songs nicht entsprechend Ihrer Rechteeinräumung genutzt werden, stehen Ihnen Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche gegen den Verletzer zu, §§ 97ff. UrhG.

In dem Bereitstellen zum kostenlosen Download ist bei einer Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont lediglich eine Einwilligung in die private Nutzung zu sehen. Ein Recht zur Bearbeitung, also der Entnahme von Teilen, ist in dem kostenlosen Angebot, solange Sie dies nicht ausdrücklich anders kommunizieren, nicht zu sehen. Ebenso wenig ist in dem Angebot zum kostenlosen Download eine Einwilligung zu sehen, dass das Werk durch Dritte kommerziell verwerten werden darf. Die Verwertung stellt nach alledem eine Urheberrechtsverletzung dar.

Dabei gilt der Grundsatz im Urheberrecht, dass die Rechte im Zweifel soweit wie möglich beim Urheber verbleiben (Übertragungszweckgedanke).

Urheberrecht und Urhebergesetz

5. Was wird durch das Urheberrecht geschützt?

Die kreative, wahrnehmbare Form einer individuellen Idee; das sogenannte Werk (§ 1 UrhG).

Das Urheberrecht schützt alle Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Hierbei muss die Voraussetzung eines Werkes sein, dass es eine persönliche Schöpfung ist. Die Schöpfung muss dabei eine gewisse Gestaltungshöhe aufweisen. Ein Werk besitzt ausreichend Individualität, wenn es jedenfalls einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad aufweist. Hierbei gilt der Grundsatz der kleinen Münze, wonach schon ein kleiner Funke Kreativität für eine Werkschöpfung ausreichend sein soll. Das Werk muss darüber hinaus etwa eine wahrnehmbare Form haben.

Im Urheberrecht wird neben den Werken auch die wirtschaftliche oder kulturvermittelnde Leistung und Investition geschützt.

6. Wann wird das Urheberrecht verletzt?

Eine Urheberrechtsverletzung liegt vor, wenn eine Person ohne Erlaubnis oder vertragliche Nutzungsrechteeinräumung des Berechtigten eine Verletzungshandlung vornimmt.

Der Urheber besitzt mit der Schaffung eines Werkes das Recht sein Werk in einer körperlichen und nicht-körperlichen Form zu verwerten. Ebenso entsteht durch die Erstellung eines Werkes eine bestimmte Verbindung zwischen dem Urheber und seinem Werk, woraus sich das Urheberpersönlichkeitsrecht ableiten lässt. Dazu gehört das Veröffentlichungs-, Nennungs- und Nicht-Entstellungsrecht. Einwilligungslose Nutzungen in vorbezeichneter Form stellen Verletzungshandlungen dar.

Im Einzelfall kann eine Nutzungshandlung darüber hinaus auch durch eine Schrankenregelung privilegiert sein.

Coversong von Musikstücken

7. Müssen bei Cover-Versionen Auszahlungen an den ursprünglichen Interpreten gezahlt werden? Ungeachtet wie erfolgreich das Cover wird.

Sofern eine zustimmungsbedürftige Bearbeitung nach § 23 UrhG oder eine Verletzungshandlung nach §§ 15 ff. UrhG vorliegt, müssen die Nutzungsrechte für die Cover-Versionen von den Rechteinhabern erworben werden. Die Höhe des Lizenzentgeltes unterliegt grundsätzlich der Privatautonomie. Ist es bereits zu einer Verletzungshandlung gekommen, kann der Rechteinhaber zwischen der dreifachen Schadensberechnungsmöglichkeit gemäß § 97 Abs. 2 UrhG wählen.

8. Darf ich ein Lied covern, bei welchem der Urheber ein Mitglied der GEMA ist?

Bei Coverversionen handelt es sich um Neuinterpretationen von bestehenden Liedern. Hierbei werden lediglich die Stimmlage und bestehende Instrumente verändert, eine Bearbeitung von Text und Komposition findet regelmäßig nicht statt. In solchen Fällen handelt es um eine Urheberrechtsverletzung, wenn nicht eine Lizenz von der GEMA vorab eingeholt wird. Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) vertritt Künstler in der Wahrnehmung ihrer Verwertungsrechte.

Werden Veränderungen an Melodie und Text vorgenommen, könnte zudem eine Bearbeitung vorliegen, sodass die Einwilligung des Urhebers zusätzlich zu der Lizenzierung bei der Gema eingeholt werden muss.

Dazu passend: Unterschied zwischen GEMA ud GVL »

9. In welcher Form darf ein Lied gecovert werden? Wann mache ich mich strafbar?

Damit ein Lied gecovert werden kann, dürfen keine Urheberrechte Dritter verletzt werden. Unproblematisch ist dies infolge des starren Melodienschutzes nur dann, wenn es sich um ein gemeinfreies Werk handelt, der Urheber also bereits 70 Jahre tot ist oder entsprechende Nutzungsrechte zum Covern eingeholt wurden.

Eine andere Frage stellt sich beim sogenannten »Sampling«. Hierzu hat das BVerfG eine richtungsweisende Entscheidung getroffen, wonach die Verwendung von Samples ohne Zustimmung des Tonträgerherstellers urheberrechtlich zulässig ist, wenn nur ein geringfügiger Eingriff in dessen Leistungsschutzrecht ohne erhebliche wirtschaftliche Nachteile vorliegt (BVerfGE 142, 74). Ausgehend war die Verwendung einer zwei Sekunden Tonspur als wiederholte Rhythmusfigur (»Loop«) aus einem Lied der Band Kraftwerk. Bei der Abgrenzung zwischen den Verwertungsinteressen der Urheber und der Freiheit des künstlerischen Schaffens, können bei einem geringfügigen Eingriff die Verwertungsinteressen des Urhebers zurücktreten. Ferner erwiese sich das »Sampling« als ein stilprägendes Element im Hip-Hop und darf bei einer solchen Abwägung nicht unberücksichtigt bleiben.

Theoretisch sind die zuvor beschriebenen Verletzungshandlungen regelmäßig auch Straftaten im Sinne von § 106 ff. UrhG. Im privaten Bereich werden derartige Verstöße in der Regel jedoch nur zivilrechtlich verfolgt.

Unser Podcast (keine Rechtsberatung): Andere Bands covern – Ist das erlaubt?

10. Was ist beim Upload von Videos mit Coversongs auf sozialen Netzwerken wie Facebook & Co. zusätzlich zu beachten?

Werden auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder YouTube Videos veröffentlicht, die eine Urheberrechtverletzung darstellen, haftet der Plattformbetreiber als Störer. Ein Störer ist jemand, der nach Ansicht des BGH nicht Täter oder Teilnehmer ist, aber trotzdem willentlich und kausal die Verletzung duldet. Unter diesen Gesichtspunkten wird die Plattform Facebook bei der Einstellung von Videos von Coverversionen, die eine Urheberrechtsverletzung darstellen, in dem Moment Störer in dem auf die Verletzung hingewiesen wird. Auch Facebook hat daher ein Interesse daran, Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden und kann Nutzer bei Verstößen sperren.

Um als Nutzer eine solche Sperrung wegen einer Verletzung von Urheberrechten zu vermeiden, sind die zuvor benannten Grundsätze zu berücksichtigen. Aus urheberrechtlicher Sicht handelt es sich bei Coverversionen regelmäßig um Urheberrechtsverletzungen, wenn der Nutzer nicht vorab die erforderlichen Rechte beim Berechtigten (GEMA, Urheber oder Inhaber der Nutzungsrechte) lizenziert. Sollten die entsprechenden Rechte nicht vorab eingeholt worden sein, kann ich von einer Veröffentlichung nur dringend abraten, da diese regelmäßig eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Etwas anderes gilt, wenn es sich um gemeinfreies Werke handelt.

Wir danken Herrn Müller-Riemenschneider der Media Kanzlei Frankfurt » für das ausführliche und aufschlussreiche Interview.

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