Tua im Portrait & Interview
»Ich hatte Computer-Boxen und ein SM58«
Von Alexander Schölzel am 21. April 2019
Tua: »Ich habe von klein auf Interesse an Musik gehabt«
Die Streaming- und Downloadzahlen zeigen es deutlich: Hip-Hop ist nicht mehr aufzuhalten. Doch was das neue Album von Tua beweist, ist, dass es auch Tiefsinnigkeit neben all dem Bassgewummer geben darf.
Wer schon früh beginnt, die Musik zu lieben und zu bewundern, kann ihr die nötige Achtung entgegenbringen und mehr abliefern, als nur Beats und Lines. Tua begann schon im zarten Alter von 12 mit dem experimentellen Produzieren. Er baute sich seinen eigenen Mehrspurrecorder mit dem, was ein Kind nunmal so zur Verfügung hat: Mehrere Kassettenrecorder.
Wohin diese kreative Neugierde einmal führen sollte, sehen wir heute. Und ebenso beweist Tua, dass es viel Raum braucht, um sich zu verwirklichen. Die Priorität lag auf der Musik. Diese Karte spielte Tua voll aus und schmiss das Gymnasium nach der 12. Klasse. Was folgte, war sein erster Plattenvertrag 2005. Er debütierte mit seinem Album »Nacht« auf Royal Bunker. Ein Album, das fast ausschließlich seiner Feder entsprang.
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»Ich mach so lange Musik, bis sich eine Richtung abzeichnet«
Es folgten steile Meilensteine, Zusammenarbeiten mit Kool Savas und Samy Deluxe sowie gemeinsame Tourneen mit Kaas, Maeckes & Plan B, Pimpulsiv, Casper und Vega. Mit Kaas und Maeckes & Plan B veröffentlichte Tua 2008 das Debüt »Das Album« der Gruppe »Die Orsons«.
Beim Produzieren achtet Tua heute mehr darauf, dass der Inhalt stimmt. Er möchte sich selbst nichts mehr beweisen, setzt auf Reduziertheit und probiert damit, seinem musikalischen Kern auf den Grund zu gehen. Hört man sein neues Album, beginnen im gleichen Augenblick die Gedanken zu kreisen.
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Tua im Interview
Im Interview verrät Tua uns noch mehr über seine Beweggründe, wichtige, musikalische Schritte und wie sich nach und nach seine Stilistik herausgebildet hat.
1. Kannst Du dich in einem Satz beschreiben?
Ich bin Johannes, circa … Anfang 20 und ich mache sehr gerne Musik.
2. Was verbindest Du mit Tuareg?
Rein gar nichts, außer, dass ich mich als Kind als Rapper so nennen wollte, wobei der Name schon vergeben war und so wurde es zu TUA.
3. Du hast bereits früh begonnen Songs zu schreiben und zu produzieren. Was hat dich damals dazu motiviert?
Ich habe von klein auf Interesse an Musik gehabt, komme aus einer musikalischen Familie und mochte immer auch den technischen Aspekt davon. So habe ich mir als kleiner Steppke zum Beispiel einmal unwissentlich ein Mehrspur-Aufnahmesystem gebaut, sehr abenteuerlich, aus mehreren Kassettenrecordern. Das klang sehr speziell. Dass sowas einmal mein Beruf würde, hat damals sicher keiner geahnt.
4. Welches Equipment hast Du früher verwendet, was nutzt Du heute? Wie wichtig stufst Du das Equipment für die Qualität deiner Arbeit ein?
Ich hatte irgendwelche Computer-Boxen
Ich habe mit einem 133 MHz Windows PC und Sonic Foundry Acid angefangen. Ich hatte irgendwelche Computer-Boxen und ein SM58. Heute bin ich noch immer auf PC und habe hier in meinem Raum Boxen von KSDigital stehen (A200).
Gesangsaufnahmen mache ich meistens mit meinem U87. Wichtig ist für mich auch Fieldrecording, ich habe mehrere Geräte. Da ich meine Musik weitestgehend allein mache, also oft auch mische, ist eine vernünftige Abhörsituation natürlich wichtig. Ansonsten muss alles funktional sein, um in den Momenten, wo die Kreativität zu Besuch kommt, nicht die Technik im Weg ist.
Natürlich ist hochklassiges Equipment was Tolles, allerdings für mich eher erst dann, wenn der Kern eines Songs da ist und es darum geht, die Produktion zu veredeln. Dafür geh ich dann oft einfach zu Leuten, die sowas rumstehen haben und sammle es mir dort ein.
Bei mir sieht es aus wie in einem Wohnzimmer
Ich finde außerdem wichtig, dass man im Studio ein Umfeld schafft, in dem man sich wohlfühlen kann. Bei mir sieht es aus wie in einem Wohnzimmer, schließlich verbringe ich sehr viel Zeit da.
Geht man davon aus, dass die Gedanken immer auch von der Umgebung geprägt werden, dann wundere ich mich heute schon darüber, in was für ekelhaften Löchern ich früher Musik gemacht habe.
5. Wie kam es zu deinem ersten Künstlervertrag mit Royal Bunker?
Ich habe damals einfach eine mp3 an Staiger geschickt und er hat tatsächlich reagiert. Dann waren wir eine Weile in Kontakt und schließlich wurde ich Teil von Royal Bunker.
6. Was waren für dich musikalisch und persönlich die wichtigsten Schritte, um erfolgreich zu werden?
Die Frage beinhaltet es bereits: Ich denke, ich stand mir als Person lange selbst im Weg, hatte viel zu viel Chaos und Ablenkung in meinem Leben, konnte nicht recht durch diesen Lifestyle manövrieren. Insofern war es wichtig, mich als Person zu entwickeln, um künstlerisch besser und vor allem zuverlässiger, konstanter und produktiver zu sein.
7. Wie kamst Du zu deinem Musikstil? Wer hat dich am meisten beeinflusst?
Sicher die Musik, die ich über meinen Leben so gehört habe. Als Kind war das Techno, dann TripHop und sowas wie The Prodigy, später Rap. Damit habe ich dann auch angefangen, selbst Musik zu machen. Ich denke generell, die Persönlichkeit im Sinne von Temperament, Charakter und Geschichte eines Menschen steht in enger Wechselwirkung mit der Musik, die man hört beziehungsweise macht.
8. Was waren für dich während deiner Laufbahn als Produzent und Sänger die größten Herausforderungen? Was fiel dir besonders schwer?
Eine Art Desillusioniertheit bezüglich des geschäftlichen Teils des Berufs
Liveshows waren früher nicht einfach für mich, da ich nicht so die Rampensau bin. Ich denke, je länger man professionell Musik macht, desto mehr stellt sich einem auch die Frage nach Idealen.
Oder anders gesagt warum man es macht, für wen und so weiter. Eine Art Desillusioniertheit bezüglich des geschäftlichen Teils des Berufs, bezüglich der Industrie stellt sich ein. Ich bemerke, dass viele Leute zynisch werden.
Nicht zu vergessen, warum man diese Reise angetreten hat, kann im Alltag des Berufs manchmal gar nicht so einfach sein. Nach zwanzig Jahren noch immer Bock zu haben, die »fetteste Bassdrum« für den Song zu suchen, wenn ihr wisst, wie ich meine.
9. Wie groß ist aus deiner Sicht heutzutage die Bedeutung von Social Media, um weit zu kommen?
Sehr wichtig. Jedenfalls muss man irgendeinen Umgang damit entwickeln, sonst fehlen einem schlicht die Kanäle, über die man seine Leute erreichen kann, jetzt wo es immer weniger hochklassige, journalistische Formate gibt.
10. Welche Fehler siehst Du allgemein häufig bei Homerecording-Produktionen?
Das fällt mir schwer pauschal zu sagen. Was ist denn überhaupt richtig und was ist falsch? Manchmal ist ja gerade das scheinbar »Schlechte« genau das, was den Charme und die Authentizität ausmacht. Qualitativ passable Ergebnisse sind heute wirklich nicht so schwer zu erzeugen.
die omnipräsenten 808’s und die selben fünf Trap-Snares
Mich persönlich stört eher Inhaltliches, so zum Beispiel Austauschbarkeit, wozu ebendiese Musiktechnik sicher beiträgt, siehe die omnipräsenten 808’s und die selben fünf Trap-Snares, der ewig gleiche Approach.
11. Wie würdest Du deine musikalische Entwicklung beschreiben? Welche Vorlieben hattest Du schon immer – wo hat sich dein Geschmack inzwischen verändert?
Ich werde immer einfacher, reduzierter. Ich versuche, mehr zum Kern der Sache vorzudringen, brauche nicht mehr so viele »Ich beweise es mir jetzt«-Breaks in Liedern. Außerdem sind mir Songs heute viel wichtiger als die Form, in der sie daherkommen. Der Inhalt diktiert große Stücke davon, wie das klingt.
12. Wie gehst Du an ein neues Album heran?
Ich mach so lange Musik, bis sich eine Richtung abzeichnet und dann konzentriere ich mich in den weiteren Versuchen auf diese Richtung. Ganz grob gesagt.
13. Ist bei dir auf der Bühne oder im Studio schon einmal etwas so richtig schiefgegangen? Was hast Du daraus gelernt?
Klar, alles Mögliche. Eine Lehre, die ich daraus gezogen habe, ist, dass Vorbereitung das A und O ist. Auch die Elemente, die einem nicht so wichtig vorkommen, können später das Zünglein an der Waage sein. Die andere Lehre ist, zu akzeptieren, dass das eben so ist. Fehler passieren, auf Konzerten, bei Aufnahmen, in Interviews. Das ist auch nicht so schlimm, wie man selbst in dem Moment denkt.