Kolumne
Ohne Bezahlung, ohne mich
Von Marvin Kolb am 30. April 2017
Erste Schritte
Es ist der dritte Auftritt meiner noch recht frisch gegründeten Hardcoreband. Einige Wochen zuvor habe ich den Veranstalter einer Show in Frankfurt angeschrieben, um uns als Support einer großen Ami-Band vorzuschlagen. Nach vielen Wochen Wartezeit kam dann recht kurzfristig vor der Veranstaltung ein knappes »Geht klar. Gage können wir keine zahlen.« Wir spielen also für Getränke und die Erfahrung.
Scheiß auf die Gage, die Hauptband des Abends höre ich seit ich 14 bin. Sie zählt sogar zu einem der Hauptgründe, warum wir unser eigenes Bandprojekt überhaupt erst starteten. Also: zusagen, wird bestimmt eine unvergessliche Erfahrung.
Während Catering Backstage gebracht wurde, saßen wir auf unseren Amps
Wurde es auch, denn wie wir dort behandelt wurden, wird mir für immer im Gedächtnis bleiben. Kein Backstage-Bereich (nicht mal für Equipment und Instrumente), keine Gage, keine Verpflegung, keine Plätze für die Gästeliste. Während das Catering ins Backstage gekarrt wurde, saßen wir neben der Bühne auf unseren eigenen Amps.
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Für eine recht neue Band, die versucht, einen Fuß in die Tür zu kriegen, sind solche Auftritte unerlässlich. Aber erlaubt das dem Veranstalter diesen Umstand auszunutzen? Junge Musiker wollen spielen, wollen auf die Bühne, wollen sich beweisen. Aber um jeden Preis? Nur für ein paar Bier und »die Erfahrung«?
Ohne Bezahlung – ohne mich
Es geht mir hier keinesfalls darum, mich oder meine Band bereichern zu wollen. Hier geht es mir um eine faire Bezahlung, die gewährleistet, dass man nicht aus eigener Tasche dafür bezahlt, »spielen zu dürfen«.
Als Musiker und Bandmitglied kommen Unsummen an Kosten auf einen zu. Man bezahlt sein Instrument, sein Equipment, den Verschleiß und gegebenenfalls Studioaufenthalt. Natürlich sind all das Kosten, die man für das eigene Hobby ausgibt. Schön wäre es allerdings, wenn der eigene Aufwand, die vielen Übungsstunden und das eigens investierte Geld und Herzblut gewürdigt würden. Wer Musik macht, um damit reich zu werden, wäre sowieso sehr blauäugig. Also haben die meisten Musiker schon recht wenig Erwartung an die Marge, die sich aus dem eigenen Musizieren ergibt.
Mir als Hobbymusiker erscheint es allerdings fair, wenn man zumindest bei Verschleiß, Sprit und Spesen auf Null herauskommen würde. Wer für lau spielt, zahlt oft drauf. Und das je nach Entfernung zwischen Bühne und heimischem Proberaum mal mehr, mal weniger.
Nach nach den ersten zwei oder drei Gigs ist für die meisten die Phase abgeschlossen, in der man mit Handkuss die ach so nette Geste des Veranstalters wahrnehmen muss, überhaupt eine Bühne geboten zu kriegen.
Doordeal – Kompromiss oder Abzocke?
Wer sich alleine auf einen Doordeal verlassen muss, sieht sich oft in der Bringpflicht, was die Zuschauerzahl angeht. Doordeal heißt hier: alles was an der Tür (sprich: am Einlass) eingenommen wird, wird unter den Bands aufgeteilt. Hat der Veranstalter das Konzert schlecht beworben oder liegt es einfach ungünstig (eine weitere Veranstaltung dieser Art am selben Tag, Wochentag etc.), kann auch keine der Bands ausreichend die Werbetrommel rühren um das auszugleichen.
Ein fairer Kompromiss für kleine Veranstaltungen: Das Spritgeld ist fest. Was an der Tür eingenommen wird, ist Bonus.
Danke, auf diese Erfahrung kann ich verzichten.
»Ihr könnt hier für die Erfahrung spielen« – im besten Falle für die Erfahrung, dass man mächtig drauflegt, wenn man Sprit, Saiten und unzählige Fahrten zu Proben und Vorbereitungen auf die eigene Kappe nimmt.
Soli-Veranstaltungen
Ende vorletzten Jahres dann ein Schock für die damalige Band: Ein guter Freund und Veranstalter aus Hamburg hat seinen Kampf gegen den Krebs verloren. Um den Hinterbliebenen finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen und um diesem Freund ein letztes Denkmal zu setzen, wird eine Show in seiner Heimatstadt organisiert.
Also fahren wir zu fünft plus Equipment im kleinen Golf des Schlagzeugers nach Hamburg. Sprit wird aufgeteilt, eine Solishow zu spielen, versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst. Es gibt Momente, in denen andere Dinge in den Vordergrund rücken. An diesem Abend sprach keiner über Geld.
Geben & Nehmen
Gerade in der Hardcorepunk-Szene ist es nun so, dass viele Veranstalter aus denselben Gründen handeln wie die Bands selbst: Sie möchten eine Alternative zum Mainstream bieten, wollen ihre Musik, ihre Veranstaltungen und alles nach ihren Vorstellungen gestalten. Kurz: Auch sie sind leidenschaftlich dabei, Musik und Konzerte voranzubringen und ihren Teil dazu beizutragen, eine gemeinsame Subkultur zu schaffen.
Es versteht sich von selbst, dass gerade in unbekannteren Kreisen nicht viel Geld in die Hand genommen werden kann, wenn es darum geht, etwas auf die Beine zu stellen. Die Bands können es sich selten leisten, in ein teures Studio zu gehen. Die Veranstalter sind mit Miete und gegebenenfalls PA-Kosten oft schon unter Zugzwang, viele Leute zur Veranstaltung zu ziehen, um überhaupt bei Null rauszukommen.
Bleiben beide Seiten fair, kann man aufeinander zugehen.
Wenn es ein gegenseitiges Verständnis dafür gibt, was der jeweils andere für Kosten zu tragen hat und welchen Aufwand er betreibt, um einen solchen Abend auf die Beine zu stellen, dann müsste die Kommunikation zwischen Musiker und Veranstalter reibungslos funktionieren.
Bleiben beide Seiten fair, kann man aufeinander zugehen. Oft gab es Abende, an denen wir mit der Band etwas runtergingen, was unsere Gage anging. Dafür haben wir aber ein zweites und drittes Mal spielen können.
Schlusswort
Ich spiele seit gut einem Jahr nicht mehr in der erwähnten Band, habe seit einiger Zeit ein neues Projekt. Meine neue Band bestand schon einige Jahre vor meinem Einstieg und hier gibt es klare Regeln, was Gigs angeht. Wir haben eine feste Gage und diese Gage brauchen wir. Wir leisten uns den Luxus mit zwei Autos aus zwei verschiedenen Ecken Deutschlands anzureisen. Je nach Veranstaltung kommen wir gerne auf die Veranstalter zu, Sprit muss aber drin sein.
Der zu Anfang beschriebene Abend liegt einige Jahre zurück. Heute denke ich: Wer sich verarschen lässt, ist teilweise selbst dran schuld. Ein zweites Mal wird uns das nicht passieren.