Kolumne
Neid oder Arroganz?
Von Katja Woltz am 12. März 2017
Die notorischen Besserwisser
Hast Du mal einem Musikergespräch gelauscht, als es um Super Bowl Shows ging, neue Plattenreleases von A-Künstlern oder um die Verteilung der Grammys? Dann hast Du sicher auch schon erlebt, wie international unbekannte Musiker ihre erfolgreicheren Kollegen in der Luft zerpflückt haben. Und ich rede nicht davon, dass manche einfach einen anderen Geschmack haben. Mich persönlich machen solche Aussagen wirklich müde. Immer wieder stellt sich mir die Frage, welche Mischung aus Arroganz, Neid und Naivität da ihren Höhepunkt erreicht hat.
Das Justin Bieber Bashing
Sicher, wir alle scherzen gerne über Justin Bieber. Aber ist er deshalb ein schlechter Künstler? Mal abgesehen von Anspuck-Eskapaden und anderen Aussetzern, tut er seit fast einem Jahrzehnt etwas, was andere Musiker nie schaffen werden: Er macht erfolgreich Musik!
Herzblut, Begeisterung und jede Menge Entertainment
Er füllt die größten Hallen, schafft es, seine Alben und Singles auf Anhieb in die vorderen Ränge der Charts zu platzieren und kann von seiner Musik leben. Natürlich identifiziert sich nicht jeder Musiker mit Popmusik oder möchte welche machen – aber Musik ist Musik. Es gibt anspruchsvolle Genres und es gibt einfachere Genres. Unterm Strich ist das alles Musik, die Menschen berühren soll.
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Adele und zu viel Autotune
Zur Veröffentlichung der Single „Hello“ von Adele brach die sympathische Sängerin Rekorde in Sachen Klicks auf YouTube. Unter Musikern nachgefragt hört man viel Lob für ihre unverkennbare Stimmgewalt. Aber zwischen all der Begeisterung poppen Stimmen auf, die in der Produktion zu viel Autotune hören und es furchtbar finden.
Mal ehrlich: Adele wird ja nicht von Max Mustermann aus Wiedenborstel aufgenommen und abgemischt.
Weiterhin wird eine solche Produktion nicht nur von zwei Ohren geprüft. Wie kann man da als Nicht-Berufsmusiker auf die Idee kommen, dass da zu viel Autotune drauf ist und es furchtbar klingt?
Lady Gaga alias Egomania
Noch wilder geht es zu, wenn man sich die Stimmen zu Auftritten von Lady Gaga anhört. Von Entzauberung aller Tracks ist da die Rede.
Ihre Auftritte seien ausschließlich Selbstdarstellung. Und da könnte ich noch weitere Tiefschläge aufzählen. Fakt ist, dass Stefani Germanotta, wie Lady Gaga mit bürgerlichem Namen heißt, seit einem Jahrzehnt die kompetente Nachfolge von Madonna stellt.
Mit 17 fing sie an, an der Tisch School of Arts zu studieren. Das Songwriting übernimmt sie größtenteils selbst und sie spielt gleich mehrere Instrumente. Würde ich den Namen weglassen und nur über den Lebenslauf sprechen, wären sich alle einig: Hier geht es um einen Vollblut-Musiker. Hängt man allerdings das große Star-Etikett an die Erzählung, erntet man Augenrollen.
Dabei habe ich selten eine so ausdauernde Sängerin auf der Bühne erlebt, die in einem Moment Feuerwerk und im nächsten Buddha selbst sein kann. Und gerade für ihre Bühneninszenierungen und ihre fantastische Live-Performance wird sie sehr geschätzt – auch von mir. Denn anstelle von Selbstdarstellung sehe ich in ihren Performances Herzblut, Begeisterung und jede Menge Entertainment für die Zuschauer.
Falls dir ein Lady Gaga Kritiker über den Weg läuft, bitte ihn doch, mal 20 Minuten zu tanzen, sich dabei drei mal umzuziehen und nebenbei akkurat zu singen. Videobeweise nehme ich mit Kusshand entgegen!
Hier kommt die Vorlage:
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Weitere leuchtende Anti-Vorbilder
Eine solche Liste mit bereits aufgeschnappten missgünstigen Äußerungen könnte ich noch eine Weile weiterführen. Rihanna, Beyonce, Jay Z, Eminem, Keith Richards, Ozzy Osbourne – um nur einige Namen in den Raum zu stellen, deren Anfeindungen ich aufschnappe. Aber was soll das? Konstruktive Kritik habe ich nur selten vernommen. Stattdessen Lästerei und Missgunst. Überschätzen sich viele Musiker schlichtweg in ihrem Können? Oder ist das der blanke Neid?
Schlussgedanken & plötzlich erfolgreich
Schließlich gibt es ja auch die immerwährende Diskussion zum Thema „Erfolg über Nacht“. Unter uns gesagt: So etwas gibt es nicht. Niemand klingelt einen morgens aus dem Bett und zerrt einen auf die großen Bühnen dieser Welt.
Alle Biebers, Gagas und Meyer-Landruts haben für ihren Erfolg hart gearbeitet. Da gibt es kein Rumgammeln am Wochenende, keine Ausreden dafür, wenn Songs nicht richtig sitzen, keinen Blumenstrauß für pünktliches Erscheinen zu Presseterminen, Konzerten, Recordings & Co. – da gibt es nur Durchhalten und Durchziehen.
Erfolg gibt es nicht geschenkt – für niemanden. Und statt in eigener Arroganz zu ertrinken oder grün vor Neid zu werden, sollte man sich vielleicht mal genauer anschauen, was die großen Musiker der Popkultur haben, was man selbst nicht hat – und daraus lernen.