Live Performance für Bands
Kraftklub-Choreographin verrät die besten Tipps
Von Davina Brandstädter am 12. Februar 2019
Was braucht eine gute Performance?
Jeder, der als Zuschauer auf Gigs oder Konzerten verschiedene Bands gesehen hat, wird es bereits erlebt haben: Die Band spielt fehlerfrei ihr Programm, die Musik ist genau nach dem eigenen Geschmack, aber irgendetwas fehlt.
Musik und Stimmung kommen nicht richtig beim Publikum an. Die Frage, wieso das so sein kann, und wovon es abhängt, ob die Musik live oder durch ein Musikvideo effektvoll übertragen wird, beantwortet uns Choreographin Nicole Wiese im folgenden Interview.
Was macht eine gute Live-Performance aus? Gibt es dabei wesentliche Punkte, auf die es immer ankommt?
Grundsätzlich geht es immer darum, dass sich die Energie auf das Publikum überträgt, ganz gleich, welcher Musikstil. Bei einer Ballade muss es emotional berühren. Wenn es Punkrock ist, muss es dazu führen, dass alle herumspringen. Energieübertragung erreicht man nicht, wenn man es dem Frontmann allein überlässt. Die Band sollte immer als Einheit auftreten.
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Als Betrachter sollte ich das Gefühl haben, dass jeder auf der Bühne nirgendwo anders sein will, als genau dort. Es sollte keine Solo-Nummer sein, sondern sich an das Publikum richten. Eine gelungene Live-Performance beginnt im Kern damit, dass der Künstler sich über gewisse Fragen im Klaren sein sollte: Was für ein Künstler bin ich/wir? An welchem Punkt stehe ich? Was will ich dem Publikum erzählen? Was will ich übertragen?
Ist viel Bewegung auf der Bühne wichtig oder sollte sich eher das Publikum bewegen?
Es kommt ganz auf die Musikrichtung an, wer sich mehr bewegen sollte. Grundsätzlich braucht man als Musiker kein Konzert geben, wenn man da steht wie eine Salzsäule. Dann kann sich das Publikum auch einfach das Album anhören, mit dem selben Effekt. Natürlich gibt es auch Musik, siehe John Mayer, die sich vom Barhocker aus trägt. Aber nur, weil John Mayer schon weltweit bekannt und eben John Mayer ist.
Das A und O ist die Energieübertragung!
Als Newcomer sollte ich mir auf jeden Fall etwas einfallen lassen, damit das Konzert spannend ist. Ob durch reine Bewegung des Akteurs oder andere Hilfsmittel wie Projektionen, Bühnenbild oder ein ungewöhnliches Kostüm. Es muss spannend sein. Als Regel gilt: Die Musik ist oberster Gesetzgeber. Wenn ich energiegeladene Musik mache, muss ich mich auch energiegeladen dazu bewegen und das dann möglichst so krass rüberbringen, dass sich das Publikum noch mehr bewegt als ich selbst. Sonst sollte man lieber Kuschelrock machen.
Worauf achten Zuschauer besonders bei einem Live-Konzert – einmal ganz abgesehen vom Sound?
Interessant ist beim Publikum, dass selbst erfahrene Konzertbesucher glauben zu wissen, worauf sie achten müssten, um hinterher beurteilen zu können, ob es ihnen gefallen hat oder nicht. Unterbewusst nimmt der Mensch aber viel mehr wahr. Die Lichtshow, der Sound, das Outfit, die Moderation, die Interaktion mit Publikum – das sind sozusagen die peripheren Gewerke, auf die das konzertgeübte Publikum bewusst achtet.
Allerdings sind diese für das Publikum nicht immer alleinig kriegsentscheidend, ob ein Konzert gut läuft oder nicht. Letztlich geht man zum Konzert, um von der Musik – direkt durch den Künstler – mitgenommen zu werden. Das wiederum lebt schlussendlich davon, wie sich der Künstler selbst bzw. die Band präsentiert.
Viele Bands sind unsicher, wie sie sich am besten auf der Bühne präsentieren sollen. Instrumentalisten haben es dabei noch oft einfacher. Was rätst Du den Sängerinnen und Sängern?
Instrumentalisten haben es nur gefühlt einfacher. Denn meistens sind sie viel schwächer in der Energieausschüttung und Ausstrahlung als ihre Frontmann-Kollegen. Was so nicht sein sollte. Aber gerne machen es sich Instrumentalisten auch ein wenig zu bequem.
Was rate ich Sängern und Frontleuten!? – Wenn die sich unsicher fühlen, warum auch immer, uns anzurufen! Sich unsicher zu fühlen ist erlaubt, das hält einen wach. Es gibt simple Methoden, da reicht ein Coaching mit uns, um so viel über die eigene Performance zu lernen und zu begreifen, dass das Adrenalin nicht durch die Decke schießt, die Stimme nicht zittert in den ersten Tracks und man dann auch weiß wohin mit seinen Händen.
Die Stimmung geht nicht nur vom Frontmann aus.
Man kann nicht verallgemeinern was man Frontleuten, Sängerinnen und Sängern rät, da jeder Frontmann anders ist, so wie jede Band und jede Musik – Menschen und ihre Musik sind nun einmal individuell. Ihre perfekte Live-Performance muss man daher ebenso individuell betrachten und erarbeiten. Es gibt kein allgemeingültiges „Mach das und das und dann bist Du ein starker Frontmann“.
Und natürlich erwarte ich von einem Frontmann, dass er oder sie weiß, wie man mit einer Masse umzugehen hat. Wichtig ist, ein gutes Gefühl für sein Publikum zu haben, dass man den Abend über gut gelenkt bekommt. Es gibt verschiedenste Art und Weisen, dies zu tun. Grundsätzlich sollte man als Frontmann nie eine Bühne betreten, ohne einen Plan. Das ist tatsächlich das, was ich jedem Sänger und jeder Sängerin rate.
Spezialistin für Show & Performance – Nicole Wiese
Nicole Wiese macht Performance Coaching, Choreographie und kinetisches Stage Design. Seit Jahren arbeitet sie mit Frontleuten und Bands im Performance- und Musikvideo-Bereich, ganz unabhängig von dessen Status oder Bekanntheitsgrad. Seit neuestem gibt sie ihr Wissen auch in workshopartigen Formaten an Unis wie HfM Dresden oder BIMM Berlin weiter.
Die Freiberuflerin arbeitete bereits mit Künstlern wie Kraftklub, LionsHead, Glasperlenspiel oder Lena Meyer-Landrut. 2017 und 2018 choreographierte sie die Festivaltouren und Open Airs für Kraftklub. Dafür gewann die Band 2017 die 1Live Krone als ‚Bester Live Act‘. Die 2018er-Show war erneut für die 1Live Krone ‚Bester Live Act‘ nominiert sowie als ‚Beeindruckendste Live Performance' beim Preis für Popkultur.
Was kann das Bühnenbild stören? Was sollte man definitiv vermeiden, wenn man im Rampenlicht steht?
Dabei kommt es kulturell betrachtet erst einmal auf die Location an und auf die Art der Bühne: Ist es eine Front-Bühne, Center Stage…? Grundsätzlich gilt jedoch: Fotografen, die durchgehend auf der Bühne herumspringen, können störend wirken, genauso wie zu viele Techniker und Backliner, die dort hin und her huschen. Oder auch Gäste, die in den Wings stehen und offensichtlich nicht einen Beat mitgehen.
Auch ist es unangenehm, wenn die Lichteinstellung ständig die Augen des Publikums überblendet und man nichts mehr mitbekommt, weil die Augen zu lange damit beschäftigt sind, sich wieder zu regenerieren. Ansonsten sollte man gerade bei kleinen Clubbühnen dafür sorgen, dass man gut sichtbar ist – für alle und nicht nur die erste Reihe – das betrifft Licht, Bühnenaufstellung und Klamotte. In Zeiten von Social Media, ist ein schwarzes Shirt vor einem schwarzen Backdrop eben alles andere als förderlich.
Wenn man auf der Bühne zu lange unterlichtich oder silhouettich bleibt, kann es energetisch schwierig werden und bildmäßig unvorteilhaft. Das Publikum will geile Bilder und der Künstler will Klicks und Shares. Und beide wollen keine hässlichen Blitzfotos. Das sind so die Basics.
Ich muss ausstrahlen, dass ich nirgends anders sein möchte. Warum Bühne und nicht Studiomusiker?
Was ein Bühnenbild stören kann… Ich finde, die Bands in Deutschland sollten eher überlegen, wie man ein Bühnenbild konstruieren kann (wenn man den Begriff überhaupt benutzen möchte), das spannender ist als die Optik von einem Schulband-Konzert. Mut zur Ungewöhnlichkeit wäre hier gut. Und nicht immer der Sicherheits-Standard.
Und zum zweiten Teil der Frage – was man im Rampenlicht vermeiden sollte: Was wirklich unsympathisch wirkt, und damit eindeutig zu den No Go’s gehört, wenn sich Männer alle Nase lang ihren Schweiß im Shirt abtrocknen – am besten noch mit einem Achselschnüffler. Ob ich dem Typen für ein gemeinsames Foto nach dem Konzert tatsächlich näher kommen will überleg ich mir dann. Als Konzertbesucher habe ich auch kein Interesse unverhofft irgendwelche Genitalien zu sehen, es sei denn man macht irgendwie eine ganz freakige Mucke und hat als Künstler bereits vorgewarnt.
Wenn es darum geht, was es grundsätzlich zu vermeiden gilt, lässt sich sagen, das Album sollte nicht die Live-Performance wegknallen. Wenn ein Album wahnsinnig gut ist und mich die Live-Performance dagegen absolut ernüchtert, komme ich als Konzertgänger nicht wieder. Vielleicht kaufe ich noch nicht einmal das nächste Album.
Für ein Live-Konzert muss ich einen Plan haben. Um diesen zu finden ist schon die Denkweise „Was sollte man vermeiden?“ schlicht verkehrt herum. Die Frage muss sein: Was will ich live unbedingt tun – wie soll meine Musik bzw. mein Konzert rüberkommen? Denn in der Kunst ist alles erlaubt. Wenn ich begründen kann, was ich tue – weil die Musik so ist, weil ich so bin, was auch immer – dann ist erst einmal alles gestattet. Da gibt es kein richtiges No-Go. Aber es gibt Funktionalität. Einige Aktionen funktionieren für mich als Band oder Sänger besser als andere. Das heißt, sie bringen mich eher in die gewünschte Wirkung.
Sind kleine Choreographie-Einlagen stilvoll oder wirken sie in der Regel eher gekünstelt?
Wenn es zur Band passt, die Jungs und Mädels es authentisch rüberbringen, es ihnen Spaß macht und sie offensichtlich dahinter stehen, ist so etwas einfach geil. Eine sehr willkommene Ablenkung für das Auge des Betrachters und somit ein Mehrwert für die Dramaturgie. Siehe Royal Republic, die haben vereinzelt ganz kurze Snippets, in denen alle den gleichen Schritt machen. Gut überlegt, das passte zum Outfit, zur Musik, in den Track, zu den Typen. Es war auf allen Ebenen gut ausgesucht und dadurch ein totaler Gewinn für das ganze Konzert.
Ergebnis: Das Publikum steht in der Waldbühne und grölt sich einen Wolf. Der Trick hierbei liegt darin, welche Schritte, welche Groove Steps, sich die Band sucht wie authentisch sie es ausführt. Der Betrachter braucht nichts auf der Bühne, was er der Band nicht glauben kann. Dann sollte man es besser lassen.
Muss der Sänger bzw. die Sängerin als optischer Ankerpunkt unbedingt im Mittelpunkt stehen?
Nein! Um Gottes Willen. Es gibt musikalische Stücke und Bands, wo das so sein sollte oder auch wesentlich ist, aber grundsätzlich sollte man als Frontmann Ahnung davon haben, was eine Mittelachse im Raum tut. Dann kann man auch bewusst damit umgehen: Wie viel und wie oft man die Mittelachse bedienen will, warum und wann. Dies ist eine von vielen Methoden, um die Aufmerksamkeit des eigenen Publikums gezielter zu lenken. Eine Band besteht nicht nur aus einem Frontmann. Ein ganz alter Fehler, die Energieübertragung in Gänze dem Frontmann zu überlassen.
Wodurch zeigt man Präsenz auf einer Bühne?
Unabhängig davon, dass ein Frontmann von Haus aus eine besondere Ausstrahlung mitbringen und schon eine Erscheinung für sich sein sollte – das wäre zumindest eine gute Voraussetzung – hat Bühnenpräsenz sehr viel mit Wissen um Manipulation eines Publikums zu tun, wenn man ehrlich ist. Sprich, eine Bühnenpräsenz wird hauptsächlich unterbewusst bei einem Betrachter ausgelöst.
Präsenz hat mit Wissen zu tun.
Dazu ist es hilfreich, dass man die Wirkung eines Raumes und der Mittelachse kennt und weiß, wie und wo man Wege einsetzt, was Farben bedeuten, was Semiotik ist, wie man spricht und ähnliches. Ich muss mich fragen, wie ich mit meinen Kollegen wirke: Kommen wir als Team rüber? Wieso? Wollen wir das so? Es hat auch damit zu tun, ob ich mein Publikum verstehe: Kriege ich mit, was bei denen gerade abgeht, bin ich in der Lage das umzulenken, wenn es in eine Richtung läuft, die ich nicht will.
Präsenz hat etwas mit Wissen zu tun, über Raum, Farben, Semiotik, Achsen, Dramaturgie, Moderation, Charme, Witz,… Das kann man tatsächlich lernen. Und üben. Das alles macht eine starke Bühnenpräsenz aus. Und noch mehr. Aber das sind die wichtigsten Felder.
Ein Auftritt ist immer eine Show. Doch reicht es tatsächlich eine gute Live-Show abzugeben oder ist Interaktion mit dem Publikum ebenso wichtig?
Das ist ebenso wichtig. Wenn ich eine brillante Show dahinzimmere, aber einen Frontmann habe, der nicht mitbekommt, was im Publikum los ist und nie mit dem Publikum spricht oder die Energie aufnimmt und darauf reagiert, dann nützt mir eine solide Show nur zum Teil etwas. Ich brauche nicht auf eine Bühne gehen, wenn ich nicht auch Reaktionen will, wenn ich mein Publikum eiskalt ignoriere. Dann haben die das Gefühl, ich interessiere mich nicht für sie.
Interaktion mit dem Publikum kann ja ganz vielschichtig aussehen. Aber ich muss als Publikum nun einmal das Gefühl haben, dass mein Sänger, meine Band mich wahrnimmt, sonst ist das für mich kein gelungenes Konzert. Das ist einer der Faktoren für ein als gut empfundenes Konzert. Dazu muss der Frontmann nicht nur seine vorgeschriebenen Moderationstexte herunterrasseln, sondern wirklich mitkriegen, was an dem Abend stimmungstechnisch passiert und darauf reagieren. Das ist auf jeden Fall genauso wichtig, wie eine sehr gute Show.
Wobei man mit dem Wort ‚Show’ ja sehr vorsichtig umgehen muss. Wo ist es noch ein Konzert und wo beginnt schon eine Show. Das Wort finde ich für Musiker einfach zu negativ behaftet. Es erweckt oft den Eindruck, dass man sich verstellen müsste. Und das ist es für mich nicht. Bei einem guten Konzert, verstellt sich keiner.
Was ist mit Interaktion auf der Bühne? Wie wirkt eine Band als Einheit?
Ich persönlich finde, dass Bands, die organisch entstanden sind – und die Musiker nicht zusammengewürfelt oder eingekauft worden sind – meistens viel stärker wirken und auch erfolgreicher sind. Einer der Gründe dafür ist sicherlich, dass eine organisch zusammengefundene Band anders miteinander interagiert als ein Sänger, der sich Musiker eingekauft hat. Und das ist schlichtweg schöner. Wenn ich als Fan mitbekomme, dass meine Band eine geschlossene Einheit bildet, ist das meist angenehmer und ansprechender, als wenn es nicht so ist.
Nicht nur der Frontmann macht die Show.
Wie ich als Band als Einheit auftrete, beginnt bereits damit – und das ist nur einer von vielen Punkten, aber einer der wesentlichsten – dass sich die vier bis fünf Bandkollegen nicht auf dem Frontmann ausruhen, ihn das ganze Ding durchziehen lassen und es selbst nur gemütlich ihre Begleitung herunterspielen. Das ist einer der häufigsten Fehler, die wir feststellen: Das Lenken eines Konzerts wird alleinig dem Frontmann überlassen. So läuft es nicht.
Ich finde, dass jeder auf einer Bühne auch die Verantwortung hat, zusammen mit seinen Bandkollegen, die Energie des Abends aufzubauen und oben zu halten. Wenn ich also mitkriege, dass die Bandkollegen den Frontmann nicht alleine lassen und wiederum der Frontmann nicht nur sich sieht, ist das schon einmal sehr förderlich, um ein einheitliches Bild abzugeben.
Das gestaltet sich ganz unterschiedlich: Es kann über Dialoge passieren, über Blicke, über Witze oder wie Soloparts integriert werden. Ich finde, eines der besten Beispiele für ein wirklich gutes Zusammenspiel ist AnnenMayKantereit. Da merkt man einfach, dass sich alle Bandmitglieder einig sind in dem, was sie wollen, wie sie das rüberbringen und jeder einzelne da oben sein will. Das gibt dann auch dem Publikum ein schönes Gefühl den Jungs als Ganzes zuzugucken und zuzuhören. Ein Konzert ist nun einmal auch zum Gucken da und nicht nur zum Hören.
Pocahontas – AnnenMayKantereit (Live in Berlin)
Performance vor der Kamera
Das erste Bandfoto steht an und schon stellen sich Fragen wie: Im Proberaum oder draußen, mit oder ohne Instrumente, bunt oder schwarz-weiß …? Gibt es trotz der Vielzahl an Möglichkeiten besonders effektvolle Körperpositionen, Einstellungen oder Perspektiven?
Unabhängig von all den Möglichkeiten auch hier wieder die Fragen: Wie will ich als Band auftreten, was will ich erzählen, was will ich in den Vordergrund stellen? Es gibt tausende Kameraeinstellungen, die eine Sache spannend machen können. Für Fotos und Live-Auftritte gilt grundlegend das gleiche: Ich muss das Gefühl haben, dass es authentisch ist. So sollte die Körperpositionen und auch die Anordnung der Musiker authentisch rüberkommen. Selbst wenn die Band sich entscheidet eine Cheerleading-Gruppe nachzumachen, okay, wenn die auch sonst so freakig und lustig drauf sind, dann kann auch das geil sein.
Körpersprache
Was ich wirklich furchtbar finde ist, wenn es immer zu übercool rüberkommt. Für mich ist es ein No-Go bei Bandfotos, wenn das Posen sind, die ich sonst bei denjenigen nie sehe. Weder in ihrer normalen Körpersprache noch auf der Bühne. Und man braucht auch nicht immer einen verbissenen Gesichtsausdruck, um seriös zu wirken.
Man sollte man selbst bleiben. Und sollte man jemanden in den Vordergrund stellen wollen, dann ist das der Moment, das zu tun. Aber das ist kein Muss. Das ist definitiv in erster Linie ein Gefühl. Ich finde so ein Foto sollte gut wiedergeben, was das Gefühl in der Band ist und wie sie wirklich ist. Es nützt einem nichts super krasse Fotos zu schießen, wenn man danach nicht liefert, was die Fotos suggerieren. Weil man sich live weder so bewegt, noch so verhält. Damit ist keinem geholfen.
Kameraperspektiven und Motive
Und natürlich gibt es da spannende Kameraperspektiven… Aber es ist alles schon einmal vorgekommen. Da findet man nichts Neues. Das ist letzten Endes wieder eine Frage von, was wollen wir erzählen, wie fühlen wir uns, wer sind wir. Auch hier ist der Schlüssel, Authentizität. Es gibt nicht DIE eine spannende Kameraeinstellung. Wenn das so wäre, dann würde es jede Band so machen.
Es gibt Musik, der steht schwarz-weiß und es gibt Motive, die in schwarz-weiß stärker aussehen als in Farbe. Wenn es ein Konzeptalbum gibt, dann sollte man dem Plan, den man damit hat, natürlich auch folgen. Simples Beispiel: wenn man mit Verfremdung arbeitet, dann sollte man das auch bei den folgenden Alben machen, damit es einen roten Faden gibt.
Natürlich gibt es die Auffassung, schwarz-weiß sei immer ein bisschen künstlerischer. Aber mittlerweile sind wir in Sphären von Bildauflösungen und Color Grading angekommen, da gibt es auch Farbsachen, die künstlerisch total mithalten können. Ich würde nicht mehr sagen, dass schwarz-weiß automatisch künstlerisch wertvoller ist, oder künstlerischer wirkt als Farbe.
Ort und Umgebung
Zur Frage „Drinnen oder draußen?“: Wenn ich soundtechnisch eine sehr elektrische, synthetische Pop-Musik mache, mit neuesten Sounds usw., dann würde ich wahrscheinlich zu drinnen tendieren. Kurz begründet: künstlich wirkende Bilder/ cleanere Bilder lassen sich in unseren Breiten eher im Studio herstellen. Sprich: drinnen, Rundkehle, perfekt ausgeleuchtet, und sehr On the Edge geschossen. Im Sinne von glossy Lippen, perfect Beauty Shots, das ganze Programm… Da bewegen wir uns jetzt aber eher in der Pop-Welt.
Wenn ich ein Album mache, das sehr große Sounds hat und alles ist riesig und gigantisch und sphärisch, dann würde ich wahrscheinlich zu draußen tendieren. Dann ist aber die Frage, ob die Band überhaupt mit drauf muss. Aber ob ich jetzt draußen in den Botanischen Garten gehe oder ob ich mich auf eine Brücke oder Eisenbahngleis stelle, ist auch schon wieder ein Unterschied. Es gibt draußen genauso krass künstlich wirkende Motive wie total grobschlächtige.
Fazit
Ich weiß, die Musiker hätten gern DIE Antwort. Aber, DIE Antwort gibt es halt nicht. Ich kann direkt sagen, ob es ein gutes Foto für die Band ist, wenn ich sie sehe und die Musik kenne und wenn ich weiß an welchem Punkt die Band gerade steht. Und ob das eine clevere räumliche Aufstellung ist, die sie gewählt haben, eine clevere Klamotte, ein cleveres Motiv in dem sie schießen. Aber das ist wirklich abhängig von der Musik, die sie machen, wie sie drauf sind. Da gibt es keine per se Antwort.
Letzten Endes ist es ganz simpel: Ich muss wissen, wer ich als Band bin, was ich erzählen und wie ich rüberkommen will. Und DAS Motiv sollte ich suchen.
Ähnliche Fragen stellen sich natürlich auch beim bewegten Bild. Wie kann sich eine Band im Musikvideo wirkungsvoll präsentieren? Welche Möglichkeiten gibt es?
Ähnlich wie bisher hängt dies von so vielen Faktoren ab. Ein Musikvideo steht oder fällt mit einer guten Bildidee zu dem Track! Es gibt in Musikvideos, einfach viele Möglichkeiten. Schon allein, dass man nicht mehr an die Bühne gebunden ist. Der riesige Vorteil von Bewegtbild ist, dass Du viel deutlicher lenken kannst, auf was Du aufmerksam machen möchtest. Das kannst Du aber nur, wenn Du weißt, auf was Du aufmerksam machen möchtest. Und dann sind wir wieder bei der Krux – was will die Band erzählen?
Ich bin der Meinung, wirkungsvoll ist ein Video eigentlich immer dann, wenn der Künstler klar genug darin ist, wer er ist und was er will mit seiner Musik und auch was er erzählen will mit diesem Song – kurz, sich eindeutig positioniert. Sind diese Gedanken schon einmal gemacht worden? Wird die Idee zum Video und dessen, was man sagen will, so klar, dass dann die Bilder meistens auch stark werden.
Natürlich kannst Du ein krasses Motiv suchen und das Motiv wirken lassen. Du kannst auch sagen, wir gehen in ein Studio und machen alles nur von uns aus, weil wir uns in den Vordergrund kriegen und keine Ablenkung durch ein Motiv oder krasses Kostüm haben wollen.
Woodkit – Run Boy Run
Es gibt Musikvideos, siehe Woodkid, da ist der Künstler in keinem Video zu sehen. Trotzdem sind die Videos mega spannend, und man guckt sie sich bis zum Ende an. Weil sie einfach wahnsinnig gut gemacht sind – von inhaltlichen Analogien bis zur Kameraführung und Post. Die Musik wurde einfach wahnsinnig gut im Bild erfasst. Alle Videos verfolgen die selbe klare Linie.
Gorillaz damals… Eines der besten Musikvideos. Als die angefangen haben mit den Comic Figuren. Und diese gezeichneten Figuren tatsächlich später auch so auf die Bühne zu stellen und das Konzert geben zu lassen, war ein unheimlich guter Gag.
Siehe Gorillaz oder Woodkid, das waren einfach klare Entscheidungen, die Künstler für sich gefällt haben, was sie wollen, wie weit sie sich selber auch im Vordergrund sehen oder halt nicht. Was will man in den Vordergrund rücken… Sprich, ist es überhaupt notwendig, dass die Bandmitglieder immer vor der Kamera sind, oder kann man, siehe Woodkid, auch einfach die Musik in den Vordergrund stellen und sich selber komplett zurücknehmen. Will man aber, dass die Musik erst einmal überhaupt ein Gesicht bekommt, dann muss die Band, oder der Frontmann natürlich vor die Kamera.
Gorillaz – Clint Eastwood
Die Fragen sind wieder, was ich auch schon am Anfang gesagt habe, was ist einem wichtig, was möchte man sagen, was will ich mit dieser Musik, wer bin ich gerade, wie wollen wir uns darstellen, und was will ich mit diesem Track erzählen. Erlaubt ist vieles. Es gibt gerade im Bewegtbild keine Grenzen mehr. Und letzten Endes ist Bewegtbild ja auch eine Budgetfrage, das darf man nicht vergessen. Aber man sollte aufhören zu glauben, man würde immer viel Geld brauchen um ein gutes Video zu machen.
Heutzutage ist Content das A und O. Hilft alles nicht. Man kommt als junge Band nicht mehr drum herum ständig neuen Content zu kreieren und Bewegtbild zu haben, in welcher Form auch immer. Mittlerweile ist es üblich von einem 18-Song-Album wenigstens zu fünf Songs auch Musikvideos zu produzieren.
Wie es zu einer guten Idee kommt? Ein Ansatz ist, dass man sich mit allen Bandkollegen hinsetzt und redet – mal spinnt. Wenn dann auf einmal, einer was auf den Tisch schmeißt und alle haben das gleiche Bauchgefühl – ja, das sind wir – dann ist die Idee meistens intuitiv richtig. Und das heißt nicht, dass eine gute Idee auch unweigerlich immer sehr teuer sein muss. Eine wirklich gute Idee ist es ja dann, wenn sie tatsächlich mit den Mitteln, die die Band zur Verfügung hat, umsetzbar ist und trotzdem perfekt zur Band und zum Song passt.
Bewegung ist die Verbildlichung von Musik – wie ihre visuelle Übersetzung.
Gibt es ein Konzeptalbum, dann sollte man auch so an die Musikvideos herangehen, die dazu gehören. Dann sollte es etwas geben, das sich durch alles durchzieht. Eine Art roter Faden. Das kann über immer dieselbe Lichtart passieren, über die Art der Kameraführung, über Figuren, die man erfindet, die Alter Egos zu den Musikern, … da gibt es verschiedene Wege. Oder will man bewusst wie eine Band auftreten, die absolut unberechenbar ist? Auch okay. Aber dann muss eben jedes Video anders sein und eine völlig andere Idee haben. Das hat alles seine Vor- und Nachteile.
Wie geht man konzeptionell an sowas heran: Ich denke, die ersten Fragen lauten: Zu welchem Album gehört dieser Song dazu, was wollen wir mit diesem Album erzählen, wollen wir die Musik in den Vordergrund stellen, uns, oder die Aussage des Tracks? Man sollte da erstmal ganz frei rangehen, und sich erst im zweiten Schritt die Budgetfrage stellen. Gute Ideen werden nicht aus Rationalität heraus geboren. Man kann dann immer noch überlegen, wie man das organisiert. Aber erst einmal sollte man sich den Freiraum gönnen.
Ich glaube ein guter Trick, um eine Idee zu prüfen, wenn man noch sehr schwankt, ist es, sich auf die Seite des Betrachters zu stellen. Sich möglichst von sich selbst zu distanzieren und zu überlegen, z.B. anhand des Motives: welches Motiv haben wir gewählt, was ist dort genau zu sehen, was assoziiert der Betrachter also höchstwahrscheinlich damit, und sind das die Assoziationen, die wir wollen? Das ist als Akteur ziemlich schwierig, sich da von sich selbst zu befreien und ganz ehrlich zu sein. Aber so kann man zumindest, wenn man noch gar keinen Plan hat, anfangen.
Was macht ein gutes Musikvideo aus? Muss es eine Story geben?
Nein, es muss keine Story geben! Das hängt ganz allein vom Track ab und ob ich überhaupt die Lyrics so in den Vordergrund stellen will. Wenn der Song eine Story erzählt, dann ist es auf jeden Fall eine Überlegung wert, auch Storytelling im Video zu betreiben. Wenn nicht, dann nicht. Und selbst wenn der Song eine Story erzählt, heißt das nicht, dass man es machen MUSS. Es kommt wiederum darauf an, was ich in den Vordergrund rücken will. Was soll am meisten an Bedeutung und Gewicht kriegen?
Als Choreographin und Bewegungsanalytikerin, was bedeutet deiner Meinung nach Bewegung in der Musik?
Ich sage immer, Musik ist der oberste Gesetzgeber. Wenn Musik gut ist, dann tut sie was mit einem. Bewegung ist die Verbildlichung von Musik – wie ihre visuelle Übersetzung. An der Stelle sollten keine Widersprüche entstehen.
Unsere Körper existieren, die hängen an uns dran, wir können dagegen nichts machen. Und unser Körper erzählt etwas – die ganze Zeit. Seine Haltung, jede kleine Geste, jeder Habitus erzählt dem Betrachter unterbewusst etwas. Als Künstler muss ich mir darüber im Klaren sein. Wenn ich also eine Bühne betrete, mich vor eine Kamera stelle, erzählt meine Körpersprache konstant etwas, ob ich will oder nicht. Wenn meine Musik also Menschen bewegen soll, ob nun emotional oder physisch, kann ich eine volle Energieübertragung nur ohne Widersprüche zu meiner Körpersprache erreichen. Ich muss also als Musiker akzeptieren, dass ich meine eigene Körpersprache nicht ignorieren kann. Denn mein Körper bewegt sich und liefert somit dem Betrachter Informationen. Die Frage ist nur – welche?
Aber ich kann steuern was er erzählt und ob das erstens meiner Performance, zweitens meiner gewünschten Wirkung und drittens meiner Musik dienlich ist oder dazu im Widerspruch steht. Erzählt mein Körper also etwas, das zu diesen drei Komponenten passt oder nicht? Wenn nicht, bin ich als Betrachter irritiert. Und in dem Moment, in dem ich eine Irritation habe, mache ich nicht mehr mit. Das ist der Unterschied zwischen gut und nicht gut. Das Publikum nimmt das nicht bewusst wahr.
Der bemerkenswerte Unterschied allerdings ist, dass bei dem gleichen Konzert, mit der gleichen Setlist, im gleichen Venue, mit dem gleichen Lichtbesteck und der gleichen PA, das Publikum intensiver mitgehen wird und sagen „Mmh, ich weiß gar nicht wieso, aber irgendwie war das diesmal richtig cool.“
Es ist für mich ein totaler Widerspruch, wenn sich jemand, der eine total beatlastige, heftige, mitreißende Musik macht, dazu nicht bewegt. Wenn der einfach nur dasteht und „nur“ singt, dann glaub ich ihm das kein Stück. Also von daher spielt Bewegung in der Musik eine wahnsinnig wichtige Rolle und gehören Bewegung und Musik zusammen.
Als Choreographin, wird mir von Musikern zu wenig mit Raum umgegangen. Als Bewegungsanalytikerin finde ich es katastrophal, wenn Musiker auf die Idee kommen, Idole performancetechnisch zu kopieren und glauben, das sähe genauso cool aus wie beim Original. Ich bin durchaus des Öfteren erschrocken darüber, wie wenig sich unsere jungen Musiker zutrauen und wie wenig sie sich bewegen, wie wenig Unterstützung sie aus ihrer Körpersprache ziehen. Ich sage nicht, ein Musiker soll den Hampelmann machen oder gar Tänzer werden! Auf gar keinen Fall! Das glaubt kein Mensch. Aber einfach nur ‚runterfiedeln‘ finde ich brutal.
Wann und warum sollten Musiker sich mit uns unterhalten?
Wann:
In dem Moment, in dem Unsicherheiten beim Thema Bühne und Kamera auftauchen. Sobald es um Fragen von Bewegung, Raumwirkung, Inszenierungs-Ideen und deren Umsetzung geht, sollte man uns anrufen.
Und warum:
weil wir innerhalb von 2-3 Tagen Musikern, auf Basis ihres aktuellen Bühnenpräsenz-Profils, alles spezifisch für sie Relevante vermitteln und mitgeben können. Zuallererst, zu sich selbst, zu ihrer Körpersprache, welche Bewegungen, Aktionen und Bewegungsästhetiken ihnen stehen, welche nicht, und warum das so ist.
Bei allen menschlichen Performanceaspekten ist der Schlüssel Authentizität. Und zwar nicht die Gemachte, sondern die Tatsächliche. Wir lesen Authentizität aus deren natürlicher Körpersprache und wissen so, was funktioniert, was echt ist und was nicht. Dadurch ist es bei uns kein Zufallsprodukt, sondern einfach analytisch: so bewegst Du dich, das funktioniert für dich, so ist dein Charakter, im Kontext heißt das: Da und da musst Du jetzt mal mutiger werden, weil das eigentlich in dir steckt und die Musik das auch ab kann. Anderes lass besser sein. Es ist unglaubwürdig und widerspricht der gewünschten Wirkung.
Gemeinsam überprüfen wir die körperliche Performance im Kontext zur ihrer Musik und der gewünschten Wirkung. Wir vermitteln Wissen zu Bühnen- und Raumgesetzen und zu dramaturgischen Aspekten: Wie baue ich eine Setlist schlau auf? Was ist eine gute Moderation für diesen Künstler und warum? usw.
Es ist uns wichtig, dass unsere Künstler das „Warum ist das so?“ hinter allem verstehen und wir sie dadurch in die Lage bringen, sich nach unserem Coaching selbstständig in Performanceideen und Bühnenpräsenz reinzudenken, weiterzuentwickeln und zu wachsen.
Viele Bands verschenken gegebenes Potential! Ich sehe oft Bands, bei denen die Musik wirklich gut ist, es aber performancetechnisch mehr braucht um diese Musik auch rüberzubringen. Meist hätte man den Gig mit wenigen Griffen viel geiler machen können, auch ohne mehr Geld in die Hand zu nehmen.