Linus Klausenitzer von Obscura über den Bass und das Musikerleben

Linus Klausenitzer (Obscura) Interview
Linus Klausenitzer - Interview rund um Bass & Co. gefällig? Lies es hier ... | Bild: Jonas Rogowski [Ausschnitt, CC BY-SA 3.0]

Felix Baarß Von Felix Baarß am 27. Dezember 2016

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Das ist Linus Klausenitzer

Linus ist und Vollblutmusiker im wahrsten Sinne des Wortes – Mutter und Vater hatten ebenfalls die Musik zum Beruf. Er begann mit Trompete und Piano, sattelte dann aber im Alter von 15 Jahren auf den Bass um. Seine Leidenschaft und seine Wissbegier führten ihn zu Abschlüssen am music college in Regensburg und am Hamburger Konservatorium.

Linus Klausenitzer, Metal-Sinfoniker

Seine Liebe gilt seit jeher dem Metal. International machte er sich als Mitglied von Fall of Serenity einen Namen. Seine erste experimentelle Band war Noneuclid – die Truppe spielte 2008 beispielsweise eine 25-minütige Death-Metal-Symphonie (»Black Vortex Cathedral«) mit dem weltberühmten Dutch Metropole Orchestra.

2014 war er einer der Gründer von Alkaloid, zu deren Bandmitgliedern auch ehemalige Musiker von Obscura, Spawn of Possession, Aborted, Dark Fortress, Necrophagist, God Dethroned, Blotted Science und Noneuclid zählen.


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Aber machen wir kurz einen Sprung zurück: 2011 wurde Linus Klausenitzer Mitglied in der bekanntesten Band seiner musikalischen Vita: Obscura, verwurzelt im Technical Death Metal. Er ging auf Tour mit Children of Bodom, Devin Townsend und Death To All.

Video: Bass Playthrough – Linus Klausenitzer

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2015 hat die Band mit »Akróasis« ihr bisher wohl beachtlichstes Album veröffentlicht. Kein Wunder, dass der gute Linus Klausenitzer für das Spiel auf seinem charakteristischen 6/7-Saiter für den Award des besten Bassisten dieses Jahres von Loudwire nominiert wurde.

Die zugehörige Tournee sprengte alle bisher gekannten Dimensionen. Nun ist Linus zurückgekehrt und stand uns freundlicherweise für ein ausführliches Interview zur Verfügung – viel Spaß!

 

Interview mit Linus Klausenitzer

Du bist gerade von der Akróasis-Tour mit Obscura zurück. Wie waren deine Eindrücke? Welche persönlichen Highlights bringst Du von der Tour mit?

Die Tour war großartig. Wir haben gute Konzerte gespielt, viele tolle neue Leute kennengelernt und viel Spaß gehabt. Absolute Highlight war Paris – eine wunderschöne Konzerthalle mit einzigartiger Kulisse und ausverkauftem Haus. London und Prag waren auch toll. Wir sind im Social-Media-Bereich sehr aktiv und spielen wohl auch deshalb unsere bestbesuchten Headliner-Konzerte in den großen Medienstädten.

Zudem tut die Bestätigung unserer harten Arbeit in den letzten Jahren sehr gut. Wir spüren einen deutlichen Aufwind zurzeit. Die durchschnittliche Besucherzahl war fast doppelt so hoch wie auf unserer vorhergehenden Headliner-Tour.

Interview: Linus Klausenitzer (Obscura)
Das Cover von Obscura – Akróasis

Braucht man nach so einer Tour Urlaub oder geht es gleich weiter?

Ein paar Tage Ruhe braucht man in jedem Fall. Diese Tour war besonders anstrengend. Wir haben drei Wochen ohne einen freien Tag jeden Abend ein volles Set gespielt.

Diese Tour war der Abschluss eines Jahres voller harter Arbeit, welche aber viel Spaß bereitet hat und sich nun auch auszahlt. Ich habe gefühlt 1.000 Platten aufgenommen und Gigs auf der ganzen Welt gespielt (Indonesien, Israel, Mexiko, …). Dafür wurde ich nun sogar unter neun anderen Bassisten (u.a. Flea von den Red Hot Chili Peppers oder Duff McKagan von Guns ‚N‘ Roses) zur Wahl zum besten Bassisten 2016 anlässlich des Loudwire Awards nominiert. Das ehrt mich sehr.

Wie bist Du eigentlich zum Bass-Spielen gekommen?

Meine Eltern sind beide Musiker und haben mich früh an die ersten Instrumente herangeführt. So richtig gepackt hat mich der Ehrgeiz aber erst, als ich in der Pubertät mein erstes Iron-Maiden-Video (VHS) gesehen habe. Deren Bassist beeindruckt mich bis heute durch sein einzigartiges Spiel. Ich habe damals Trompete in einer Big Band gespielt, fand aber schon damals die Rolle des Bassisten viel interessanter. Als mich dann meine Zahnspange am Trompetenspielen hinderte, kam mir das Ausweichen auf den Bass als frisch gebackener Metalfan nur recht.

Wie sieht der perfekte Bass aus?

Der perfekte Bassist macht einen Song besser. Er hat gutes Timing, das richtige Verständnis für das Zusammenspiel mit den Drums und einen eigenen Ton.

Was hörst Du privat und warum?

Ich spiele zwar hauptsächlich Metal, höre privat auch gerne andere Stile, insbesondere Funk oder klassische Musik.

Wieviel Einfluss hast Du auf die Songs in deinen Bands?

Es kommt dabei auf die Band an. Bei Obscura schreibe ich selbst ganze Songs und auch 90% der Basslinien. Bei meinen anderen Projekten und Bands kann ich zeitlich bedingt nur an den Basslinien arbeiten.

Ein Tipp für unsere Leser: Wie wird man Profimusiker?

Es gibt sehr viele verschiedene Möglichkeiten, mit Musik Geld zu verdienen. Nur die Geldmenge ist das Problem. ;)

Ich kann nur dazu raten, sich von klassisch beworbenen Methoden zu verabschieden und über eigene Wege nachzudenken. Ich lese noch sehr oft von »Studiomusiker«-Workshops, bei denen Bassisten von ihren glorreichen Zeiten aus den 80ern erzählen und sich beschweren, dass sie heute nicht mehr gebucht werden, weil niemand musikalischen Anspruch hat. Bassisten, die in Deutschland angerufen werden, um in einem Studio Basslinien für Solokünstler und Werbejingles einzuspielen, kann man an der Hand abzählen. Alex Grube ist beispielsweise einer der wenigen, die in diesem Bereich noch erfolgreich sind.

Auch das Modell der Top 40-Bands bietet nicht mehr das, was sich viele erhoffen. Allein Gala-Gigs und Hochzeiten bringen noch höhere Gagen.

Ich habe meinen Weg in einer kleinen Nische gefunden. Damit hatte ich viel Glück – harte Arbeit und viel Erfahrung waren dafür aber Voraussetzung. Es gibt genügend Musiker, die in ihren Kellern versauern, weil sie kein Eigenengagement entwickeln. Spielt viel, sammelt damit Erfahrung und lernt andere Musiker kennen.

Was sind deiner Meinung nach heutzutage die größten Herausforderungen in der Musikbranche?

Eine der größten Missstände ist der Wert, den Musik im subjektiven Empfinden der Menschen bekommen hat. Die billigen Preise der Streaming-Plattformen zeigen dies sehr deutlich. Die Musikbranche hat viel zu lang gewartet, um sich mit solchen Konzepten der digitalen Welt anzupassen. In der Zwischenzeit haben sich Musikhörer längst daran gewohnt, Musik umsonst auszutauschen oder sie sich gratis aus dem Netz zu ziehen. Hätte man früher benutzerfreundliche Konzepte umgesetzt, hätte doch niemand seine Musik auf komplizierte und halblegale Weise über YouTube mit minderwertiger Qualität heruntergeladen. Man hat Hörer förmlich dazu gezwungen.

Es gibt zwar so viele Bands wie noch nie, aber die verdienen ihr Geld ausschließlich über Konzerte. Neben dem Überangebot an Konzerten hat dies leider auch zur Folge, dass die Qualität der aufgenommenen Musik extrem leidet. Kaum jemand kann es sich leisten, viel Zeit in eine gute Komposition zu stecken.

Gibt es eine ganz besondere Erinnerung an einen Moment im Tonstudio?

Ich denke, der bedeutendste Moment für mich bei all meinen Aufnahmen war mein allererster Tag im Tonstudio vor ca. 13 Jahren. Ich war jung, hatte schon einige Auftritte gespielt, hatte mich aber noch nie im Bandkontext aufgenommen. Als ich dann gehört habe, wie weit ich vor dem Beat [im Timing zu früh] gespielt habe, hat es mich tief getroffen. Meine eigene Empfindung war eine völlig andere. Daraufhin habe ich mich oft aufgenommen und selbst analysiert. Das hat mich früh sehr voran gebracht hat. Noch heute bin ich der festen Auffassung, dass das Timing der größte Unterschied zwischen einer Schülerband und einer professionellen Band darstellt.

Wann weiß man, dass ein Song »fertig« ist?

Wenn der Kompositionsfortschritt so weit fortgeschritten ist, dass keiner in der Band mehr Verbesserungsmöglichkeiten sieht. Dafür muss der Song aber auch einige Tage sacken dürfen. Man braucht diese Zeit, um den Song wieder unabhängiger beurteilen zu können.

Wie viel deiner Zeit investierst Du in das Musikerdasein?

Nahezu mein komplettes Leben besteht aus Musik. Seit ich Vollzeitmusiker bin, habe ich es noch nicht geschafft, mir wieder Freiraum für Hobbies einzuräumen. Neben Freunden, Familie und ab und zu eine Serie ansehen bleibt nicht viel Zeit. Ich definiere mich aber auch stark über die Musik und genieße jeden einzelnen Moment, den ich an meinem Instrument oder auch nur mit dem Musikhören verbringen kann.

Mit welchem Equipment arbeitest Du im Studio?

Auch hier kommt es wieder sehr auf die Situation und den Stil an. Bei Obscura spiele ich einen Ibanez BTB676 (6-Saiter) und einen BTB7 (7-Saiter), die Ibanez freundlicherweise zu einem Fretless-Bass für mich umgebaut haben. Bei Alkaloid spiele ich neben diesen beiden Bässen beispielsweise auch noch einen bundierten Ibanez ATK, den ich schon habe, seit ich 18 Jahre alt bin. Ich liebe Ibanez-Bässe für ihren Klang und ihre Verlässlichkeit.

Wenn es um Amps und Cabinets geht, vertraue ich ganz auf Ampeg. Ich habe viele Bassverstärker ausprobiert, lande aber immer wieder beim Klassiker. Kein anderer Amp schiebt wie ein Ampeg.

Bei Obscura mag ich einen klaren Sound. Deshalb lasse ich das Signal nicht über eine Box abnehmen. Das Basssignal wird im Studio durch einen Ampeg SVT 4 Pro gejagt und direkt über den Line-Ausgang aufgenommen.

Bei Alkaloid geht es mir vor allem darum, einen schiebenden Basssound mit perkussiven, dreckigen Elementen zu erzielen. Ich schicke dafür das Basssignal durch einen Ampeg SVT 7 Pro an eine Ampeg SVT-410HE Box. Abgenommen wird es dann mit verschiedenen Mikrofonen und das mit wird dem DI-Signal gemischt.

Wenn ich ein Studioprojekt einspiele, bei dem ich nicht vor Ort sein kann, dann verwende ich das Plugin Ampeg SVX von IK Multimedia. Effekte verwende ich nur sehr selten.
Es gibt nur sehr wenige gute Basseffekte und sie verwaschen oft den Gesamtsound der Band.

Man kann dich für Sessions & Aufnahmen buchen: Wie bist Du darauf gekommen?

Wie bereits erwähnt, sind wir eine sehr Internet-affine Band. Die meisten Fans meiner Bands sind selbst Musiker, leben jedoch außerhalb Deutschlands. Viele dieser Musiker spielen selbst in einer Band oder nehmen z.B. ihr Soloprojekt auf zu dem noch ein Bassist fehlt. Dabei leisten sie sich dann gerne auch Musiker, die sie von ihrer CD-Sammlung kennen. Das ist sehr üblich in unserer Szene.

Wirst Du häufig gebucht?

Das Recording ist einer meiner Haupteinnahmequellen. Speziell, wenn ich wenig auf Tour bin. Zum Glück leben wir in Zeiten von Homerecording. Ich kann zu Hause Bassspuren aufnehmen und über das Internet verschicken, ohne meine qualitativen Ansprüche aufgeben zu müssen. Mir macht das großen Spaß. Ich kann verschiedenste Musik aufnehmen und lerne viele interessante Menschen kennen. Ich habe bereits für Musiker aus Dubai oder Pakistan aufgenommen. Die meisten Jobs kommen jedoch aus Kanada und den USA.

Bietest Du als Vollblutmusiker noch weitere Highlights an?

Da die Fans aus meinem Genre in der ganzen Welt verstreut sind, werde ich oft für Online-Bass Unterricht angefragt. Dieser ist jedoch schwer zu organisieren, weshalb ich nun beschlossen habe, einen Online Workshop anzubieten.

Die ersten beiden Kurse haben vergangene Woche stattgefunden. Der Workshop läuft dabei ab wie eine Videokonferenz. Ich stelle verschiedene Konzepte zum Basssound und dem Komponieren von Basslinien vor und unterhalte mich interaktiv mit den Workshop-Teilnehmern darüber. Technologisch funktioniert dieses Konzept wunderbar, aber ich merke, dass einige Leute dieser Technik noch etwas skeptisch gegenüberstehen. Langsam kommen aber immer mehr Plattformen auf, die ähnliche Konzepte für digitale Musiker-Workshops verfolgen wie ich. Ich sehe darin noch viel Potential für die Zukunft.

Wie sieht dein Rig auf der Bühne aus?

Ich trenne gerne das Basssignal für den FOH-Mischer von meinem Bühnensound. Je nach Bühnensituation (kleiner Club-Gig oder große Open-Air-Bühne) ändern sich die Klangbedingungen doch sehr. Als Fretless-Bassist ist die Intonation sehr wichtig, weshalb ich einzelne Töne gut hören muss. Das deckt sich oft nicht mit dem Klangbild, das der Bass für den Zuschauer haben soll.

Auf meinem Pedalboard habe ich neben einem Stimmgerät, einem Chorus und einem Octaver deshalb die Ampeg SCR-DI [Testbericht], die meinen Bassklang für den FOH-Mischer bereitstellt. Es ist eine kleine DI-Box, die ich auch im Flugzeug problemlos transportieren kann, um im Ausland auf fremder Backline den gleichen Basssound garantieren zu können. Bei Obscura verwende ich dieses Signal auch für meinen In-Ear-Mix, den ich dort mit einem EQ noch ein wenig modifiziere um mich gut hören zu können.

Auf der Bühne steht dann noch mein Ampeg SVT Pro 7 mit einer Ampeg SVT-410HE Box, damit ich den Bass auch körperlich wahrnehme. Der Amp wiegt nur 7 kg und ist damit sehr Tour-freundlich.

Welches deiner Konzerte ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

2011 haben wir mit Obscura in Surabaya, Indonesien gespielt. Wir sind mitten in der Stadt in einem alten Freibad aufgetreten. Dabei stand die Bühne vor einem riesigen U-Boot aus dem zweiten Weltkrieg an dem dann auch unser Band-Banner aufgehängt wurde. Eine irre Kulisse.

Danke für das Interview. Ich bin regelmäßiger Hörer Eurer Podcasts und finde die Angebote Eurer Webseite super!

Nachreichung zum Linus Klausenitzer Interview

… Vielen Dank DIR, lieber Linus! Du hast uns ja schon einmal Rede und Antwort gestanden – damals mit einem kleinen Potpourri aus Produzenten-Tipps. Und nun kannst Du bei Interesse noch auf seiner (englischsprachigen) Website stöbern:

» Linus Klausenitzer – Website

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