Karriereguide für Musiker (Teil 4)
Visionäre Ziele erreichen
Von Christina Rakebrandt
Mehr Information zur Serie
Der Karriereguide für Musiker ist eine Serie mit vier Folgen, die auf dem gleichnamigen Buch beruht.
Folge 1: Erfolg im Musikbusiness
Folge 2: Profil zeigen
Folge 3: Persönliche Standortanalyse
Folge 4: Visionäre Ziele erreichen
Der Guide resultiert aus den Workshops „Karrieresteuerung und Selbstmanagement für Musiker“, die Christina seit fünf Jahren anbietet, und aus Interviews mit Profimusikerinnen und -musikern, die ihre individuellen Erfahrungen im Musikgeschäft schildern.
Karriereguide für Musiker (Teil 4): Visionäre Ziele erreichen
Durch eine Vision blicken wir nicht nur in die Zukunft, wir beeinflussen sie auch. Das Leben hält unendlich viele Möglichkeiten für uns bereit. Wir entscheiden, welchen Weg wir wählen. Und wenn wir eine Vision haben, führt sie uns wie ein Leitstern am Himmel, an dem wir uns immer wieder orientieren können, egal, wo wir gerade stehen. Aus unserer heutigen Perspektive können wir uns unzählige Varianten unseres zukünftigen Lebens ausmalen. Eine Variante wäre das Leben eines Bühnenstars, der in aller Ohren und Munde ist. Als Komponist für Filmmusik im Hintergrund cineastische Geschichte zu schreiben, wäre eine weitere von unzähligen Wunschperspektiven.
Visionen bewirken Wunder
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Visionen unterscheiden sich von Plänen unter anderem dadurch, dass wir noch nicht genau wissen, wie wir sie realisieren können. An schlechten Tagen haben wir sogar das Gefühl, dass es vollkommen unmöglich sei, dass unser Traum Wirklichkeit wird, und wir halten uns für größenwahnsinnig, dass wir auch nur für einen Moment daran geglaubt haben.
Dann aber geschieht etwas, scheinbar aus heiterem Himmel, das uns weiterhilft, ein Problem löst oder uns eine Chance eröffnet, die zuvor weit und breit nicht in Sicht war.
Kernsatz:
Wenn wir etwas wirklich wollen und uns mit unseren Gedanken und unserem Herzen intensiv damit verbinden, dann geschehen scheinbare Wunder, die uns helfen, es zu erreichen.
Eine solche „Wundergeschichte“ erzählte mir Bernhard Mack [1]. Neben seiner vielschichtigen Arbeit als Psychologe, Trainer und Autor war und ist Bernhard Musiker mit Leib und Seele. In jungen Jahren war es sein Traum, Saxophon in einer Rockband zu spielen. Davon war er zwar noch sehr weit entfernt, aber immerhin probte er regelmäßig mit einer dreiköpfigen Band in einem Raum über der örtlichen KFZ-Werkstatt.
Dieser Raum, so erzählte er, war ein wahr gewordenes Klischee: Es stank und war schmutzig, überall standen leere Bierflaschen und volle Aschenbecher herum. Den blinden Schlagzeuger mussten sie dort immer hinauftragen und sein Schlagzeug präzise um ihn herum justieren, sodass er spielen konnte. Auch der Gitarrist spielte mit geschlossenen Augen und Bernhard tat es ihm gleich.
Völlig unvermittelt, während einer Probe, spürte Bernhard eine leichte Berührung am Arm. Und er hörte eine Stimme, die fragte: „Kannst du auch nach Noten spielen?“ Er hatte nicht bemerkt, dass jemand den Raum betreten hatte. Ja, er könne auch nach Noten spielen, antwortete er. Eine Woche später war er Mitglied einer Rockband, deren Saxophonist kurzfristig abgesprungen war.
Die Band war professionell aufgestellt und in den Medien vertreten. Bernhard hatte „alle Finger voll zu tun“, sein Können so schnell wie möglich dem Niveau der Band anzunähern. Er wurde regelrecht mitgezogen und machte eine rassante Entwicklung durch, von der er einige Wochen zuvor in dem Proberaum über der KFZ-Werkstatt noch nicht einmal geträumt hatte.
Das ist ein Wunder. Und es wurde dadurch möglich, dass Bernhard auf seine Vision zusteuerte, indem er Saxophon in einer Band spielte. Es mag ein Trio leidenschaftlicher Anfänger gewesen sein. Aber nur weil er überhaupt spielte, konnte ihn jemand hören. Und dieser jemand war zufällig gerade auf der Suche nach einem Saxophonisten. Das ist die ganze Magie.
Wenn wir uns mit unserer Vision identifizieren, tragen wir unseren Wunsch in die Welt. Und nur dann kann die Welt darauf antworten. Wenn unsere Gedanken verstärkt um eine Sache Kreisen, nehmen wir plötzlich überall Hinweise darauf wahr. Wir interessieren uns für einen bestimmten Autotyp und sehen ihn in der Stadt plötzlich an jeder Ecke stehen. In dem Moment, in dem wir uns auf ein Thema fokussieren und darüber sprechen, bemerken wir auch, dass es in unserem Bekanntenkreis viele Menschen gibt, die uns Hinweise geben können oder interessante Kontakte haben. So kommt der Stein ins Rollen.
Visionen erschaffen
Manche Träume begleiten uns von Kindheit an. Der Klassiker ist der kleine Junge, der vor dem Spiegel Luftgitarre spielt und sich dabei auf eine große Bühne träumt. Andere Visionen treffen uns wie ein Blitz. Wir sehen jemanden oder hören etwas, vielleicht träumen wir nachts davon, und es ist sofort klar: Wow, das ist es, das muss ich machen!
So ging es Petra Thelen [2], die sich mit Anfang zwanzig von ihrem Beruf nicht ganz ausgefüllt fühlte. Sie war Altenpflegerin und hatte parallel auf verschiedenen Wegen den Schritt in die künstlerische Arbeit versucht, aber der richtige Zugang hatte sich einfach noch nicht gezeigt. Da kam eines Nachts im Schlaf dieser Traum: „Ich hatte einen Traum, in dem ich Saxophon gespielt habe. Und wirklich so was von schön! Ich stand in einem hellgelben Lichtkegel und spielte ein jazziges Saxophon!“
Als Petra mir im Interview davon erzählte, strahlten ihre Augen. Ich selbst bekam eine Gänsehaut. „Ich dachte“, sprach sie weiter, „Wenn Du das so träumen kannst, dann kannst Du das auch lernen! Daraufhin habe ich mir am nächsten Tag einen Lehrer gesucht und ein Saxophon gekauft. Heute, fast zwanzig Jahre später, begleitet das Instrument sie noch immer, denn sie ist Profisaxophonistin geworden.
So begleiten uns manche Träume seit Jahren und andere Visionen überfallen uns regelrecht. Der dritte Weg ist, die Visionen, die wir noch unerkannt im Herzen tragen, Stück für Stück aktiv freizulegen und uns zu erlauben, uns ein Leben zu erträumen. Dabei ist es wichtig, bereits vorhandene Pläne zu berücksichtigen, vor allem aber unsere Scheuklappen abzulegen und unseren Horizont zu erweitern. Es gibt Coaches, Workshops und Bücher, die uns dabei begleiten und unterstützen können.
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Haben wir dann schließlich kreativ und mutig unseren Lebenstraum formuliert, gilt es, diesen in die Gegenwart zu holen. Dafür hoffen wir auf Wunder. Und gleichzeitig leiten wir aus unserer Vision ein konkretes und realistisches Ziel ab, auf das wir aktiv und mit solidem Projektmanagement hinarbeiten können.
Ziele als Routenplaner
Wir alle haben uns schon Ziele gesteckt, die wir dann nie erreicht haben. Schief gehen kann natürlich immer etwas, doch viele Ziele werden vor allem deshalb nicht erreicht, weil sie nicht wirksam formuliert sind. Sie sind eingeladen, eines Ihrer Ziele anhand der folgenden Kriterien zu überprüfen.
Die sechs Wirksamkeitskriterien für Ziele sind:
- erreichbar: Es muss in unserer Hand liegen. Ein Plattenvertrag ist kein erreichbares Ziel, denn die Plattenfirma muss das Angebot machen. Die Abgabe hochwertigen Promomaterials ist ein Ziel, das wir aus eigener Kraft erreichen können.
- konkret: Das Ziel muss messbar und überprüfbar sein. „Promomaterial abschicken“ reicht nicht. Konkret bedeutet: „Kontakt zu drei großen und fünf kleinen Labels herstellen, Ansprechpartner erfragen, Promomaterial persönlich abgeben oder hinschicken.“
- intrinsisch: Die Motivation zu dem Ziel kommt aus uns selbst, wir tun es nicht für jemand anderen.
- Positiv: Unser Gehirn arbeitet nach Bildern. „Kein Lampenfieber mehr“ erzeugt das Bild und das Gefühl von Lampenfieber, und das bekommen wir. Positiv formuliert wäre hingegen: „Gelassen auf die Bühne treten.“
- gegenwartsorientiert: Damit unser Unterbewusstsein sofort aktiv wird, formulieren wir im Präsens: „Ich produziere hochwertiges Promomaterial.“
- terminiert: Ein konkretes Datum brauchen wir als Ansporn, damit wir loslegen und als Anker für unser Projektmanagement. So können wir zeitlich planen, welche Schritte bis wann erledigt sein müssen, damit am Ende alles hinkommt.
Projektmanagement
Haben wir ein Ziel erst richtig formuliert, beginnt das Projektmanagement. Am Anfang steht die Frage: „Welche Schritte müssen wir gehen und in welcher Reihenfolge?“ Wenn wir diese Schritte auf unser Zieldatum hin terminiert haben, überlegen wir uns, an welchen Stellen wir Unterstützung benötigen.
Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Menschen gerne helfen – mit Ideen oder anderen Beiträgen – wenn sie in ein spannendes Projekt eingebunden werden und früh genug wissen, was genau von ihnen erwartet wird. Wenn der Plan steht, empfiehlt sich eine Machbarkeitsprüfung.
Es ist ganz klar, dass ein Plan niemals genau so aufgeht, wie man ihn vorher entworfen hat. Dafür planen wir Pufferzeiten ein. Manche Risiken und Engpässe kann man aber vorher erkennen und umgehen. Da ist es immer gut, das eigene Konzept mit jemandem durchzusprechen, der wohlwollend kritisch mitdenkt.
Was wir auf dem Weg vom Plan zum Ziel sonst noch brauchen, ist Humor und Durchhaltevermögen, wenn alles schiefzugehen scheint und die Zeit uns davon rennt. Doch es lohnt sich. Theresa Dold [3] hatte in meinem Workshop das Projektmanagement für die Produktion ihrer eigenen CD geplant. Über den Endspurt vor dem Release-Konzert sagt sie:
„Manchmal hatte ich das Gefühl, ich schaffe das nie! Aber jetzt noch aufgeben hätte es für mich nicht gegeben. Das Album war mein großer Traum, da hätte mich nichts und niemand mehr davon abhalten können. (…) Ich habe enorm viel dabei gelernt, auch aus Fehlern. Das Größte war, nach all dem Stress und der Arbeit, mein eigenes Werk in den Händen zu halten und sagen zu können: Das habe ich gut gemacht, ich bin stolz auf mich!“
[1] www.coredynamik.de
[2] www.saxophon-dein-traum.de
[3] www.myspace.com/theresadold
Die Autorin:
Christina Rakebrandt, Jahrgang 1974 arbeitet in Hamburg als Coach und Trainerin mit Menschen aus Kultur, Wirtschaft und dem Gesundheitsbereich. Ihr Kerngebiet ist die Entwicklung des persönlichen Potenzials: „Was kann ich? Was will ich? Wie setze ich das um?“ In dieser Arbeit verbindet sie Spürsinn und Kreativität mit psychologischem Fachwissen und soliden Managementtools.