Jen Majura (Evanescence) über Lampenfieber, Rituale & die perfekte Gitarre
Von Alexander Schölzel
Das ist Jen Majura
Schon früh startete sie ihre ersten Gehversuche an verschiedenen Instrumenten. Seit 2002 als Profimusikerin unterwegs, kann Jen Majura inzwischen auf eine lange Karriere als Musikern zurückblicken. Als Gitarristin, Bassistin und Sängerin, hat sie bereits in diversen Bands ihr Talent beweisen können, darunter die »Black Thunder Ladies«, »Equilibrium« und »Knorkator«.
Bisheriger Höhepunkt ihrer Laufbahn als Musikerin, dürfte jedoch der Beitritt zur Band »Evanescence« im August 2015 gewesen sein. Dazu gleich noch mehr im Interview. Als eine Art zweites Standbein hat sie außerdem im Jahr 2014 die »Music School Brilon«, im beschaulichen Städtchen Brilon in NRW, übernommen. Seither gibt sie dort Unterricht und schmiedet die jungen Talente von morgen.
Lausche hier dem delamar Podcast mit Jen Majura »
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Im folgenden Interview, das wir im Rahmen des Ibanez Guitar Festivals mit ihr führen durften, steht Jen Majura uns Rede und Antwort zum Thema Gitarre, Konzerte und Berufsmusik. Sie verrät uns, wie sie zur Musik kam und was es bedeutet plötzlich und unerwartet als Lead-Gitarristin von »Evanescence« auf den großen Bühnen dieser Welt zu stehen. Viel Spaß!
Jen Majura im Interview
Du spielst Gitarre, Bass und singst obendrein auch noch. Wie wichtig ist die Vielfalt, speziell auch der Gesang?
Je mehr Instrumente man spielt, bzw. auf je mehr Instrumenten du dich auskennst, desto leichter fällt es dir zu komponieren. Ich würde mich zum Beispiel nie trauen eine Orchester-Transkription zu machen, weil ich einfach zu wenig Ahnung von den Instrumenten habe. Aber es hilft natürlich wenn du Gitarre spielst und gleichzeitig dazu singen kannst.
Viele Gitarristen schreiben total grandiose Songs, wenn es dann aber um Text und Gesang geht, brauchen sie einen Sänger, der ihnen mit Rat und Tat bei Seite steht. Also Gesang ist denke ich sehr wichtig. Gerade beim Komponieren hilft es auch den Style der Komposition an sich ein bisschen zu beeinflussen. Wenn ich jetzt zum Beispiel am Klavier sitze, komponiere ich ganz anders als wenn ich an der Gitarre sitze.
Wie hast du deinen Weg zur Musik entdeckt?
Über meinen Papa. Mein Papa war Bassist der Neuen Deutschen Welle in der Band KIZ und hat natürlich immer Musik gemacht. Ich war als kleines Kind immer dabei und saß dann am Bühnenrand. Meine Eltern haben mich relativ schnell gefördert und mir mit 6 Jahren Klavierunterricht angedreht. Das war nicht ganz so meins, weil man nach Noten spielen musste – total kacke. Als nächstes kam dann mit 8 Jahren die Gitarre.
Was macht die perfekte Gitarre für dich aus?
So wie meine JEM (Anm. d. Red.: Ibanez JEM77P-BFP). Man hat ja als Musiker immer so sein Lieblingsinstrument und ich hatte auch immer so Lieblingsinstrumente die ich gerne gespielt habe. Und dann habe ich auf der Musikmesse in Frankfurt diese blaue blue-floral-pattern JEM entdeckt und sie noch vor Markteinführung bekommen. Sie ist so ein tolles Instrument, ich spiele fast ausschließlich auf dieser Gitarre. Sie hat einen super Sound, einen super Hals, ein super Sustain, die Obertöne funktionieren mega, ich bin so glücklich mit dem Instrument. Und ich glaube es wird echt schwer für alle weiteren Gitarren, die ich in meinem Leben spielen werde, an diese Gitarre heran zu kommen.
Wie wird man Endorser?
Oh Gott, was für eine Frage… Natürlich kamen viele Leute auf mich zu, als das Evanescence-Ding offiziell wurde. Ich wähle meine Produkte weil ich von ihnen überzeugt bin. Ich stehe mit Leib und Seele für Ibanez und bin in der Hinsicht ein sehr loyaler Mensch. Das wichtigste ist, dass man loyal und überzeugt vom Produkt ist, dann ergibt sich das von ganz alleine. Eine gewisse Größe und Medienpräsenz braucht man aber glaub ich schon, klar.
Seit August letzten Jahres spielst du die Lead-Gitarre bei Evanescence und ersetzt dadurch Terry Balsamo. Was hast du in dem Augenblick empfunden, als man dich fragte?
Ich saß bei meinen Eltern auf der Couch, es waren Sommerferien und ich hatte frei. Meine Mutter war schon im Bett, mein Vater saß neben mir und mein Handy machte „Ping“. Ich fing an zu lesen: „Hi Jen, my name is Jordan. I’m the manager of the band Evansescence. We would like to ask you if…“. Ich habe genau bis dahin gelesen und dann erst einmal das Handy fallen gelassen und dachte mir „Oh Gott, was ist das?!“.
Dann habe ich kurz die Luft angehalten, mich beruhigt und nochmal in Ruhe gelesen. Es war wie ein Lottogewinn für mich. Ein paar Tage später saß ich im Flieger und bin nach New York geflogen.
In welcher Weise hat sich dein Leben seitdem verändert? Wie ist die Resonanz deines Umfelds?
Es ist, finde ich, erschrecken. Ich bin ja immer noch die Gleiche und wohne nicht plötzlich in einer Marmor-Villa und fahre Lambo. Ich weiß nicht warum viele Menschen so viel darauf geben, ob man in einer namhaften, berühmten Band spielt oder nicht – für mich war das nie ein Thema.
Ich habe nie Unterschiede gemacht zwischen Musikern. Egal ob es jetzt ein Band meiner Schüler ist, das sind für mich auch Musiker. Und ich finde es erschreckend, dass viele Menschen auf einmal so ehrfürchtig reagieren. Ich kann damit nichts anfangen. Dieses mir nach dem Mund reden, ist nicht ganz so mein Ding. Auf meine richtigen Freunde hingegen ist Verlass. Wenn ich denen irgendwas zeige, sei es einen Song oder Outfit-Idee, sagen die auch „Jen, es sieht scheiße aus!“ oder „Jen, sieht top aus!“ und auf die Meinung kann ich dann auch etwas geben.
Du betreibst außerdem noch eine eigene Musikschule. Wie sieht dort der Alltag aus?
Es ist schon lustig. Gerade die Teenie-Mädels im Alter von 13 bis 16 sitzen da, fragen nach Autogrammen und möchten ihre Evanescence CDs signiert bekommen. Es ist immer sehr lustig in meiner Musikschule.
Hast du eine Art Ritual, das du vor deinen Auftritten zelebrierst oder gehtst du einfach auf die Bühne und ab dafür?
Ab dafür!
Hast du Lampenfieber?
Kommt darauf an. Es gibt ein paar Bedingungen unter denen man nervös ist. Aber die Shows an denen ich nervös war, kann man an einer Hand abzählen. Die erste Evanescence-Show in Nashville. Das war nicht riesengroß, 3000 Leute oder so, aber geh mal auf die Bühne mit der Gewissheit, dass die ganze Welt zuguckt – das ist ein krasses Gefühl. Da gebe ich auch zu, dass ich vor der Show einmal einen Schnaps getrunken habe, weil ich dachte sonst überlebe ich das nicht. Da war ich furchtbar nervös.
Und heute vor diesem Festival. Der Respekt vor den ganzen anderen Musikern macht mich nervös. Du musst etwas darbieten, du musst Leistung bringen und das ist dann dieser Ehrgeiz in mir, der mich nervös macht.
Wie sieht die Vorbereitung für die Shows aus? Wie lange übt ihr für eure Auftritte?
Wir haben einen riesengroßen Proberaum, es ist für Essen und Getränke gesorgt, alles ist schön organisiert. Die Crew ist da – es ist super. Im Prinzip kann man sich Zuhause hinsetzen, sich vorbereiten und dann geht es nur noch um das Zusammenspiel und die Tightness. Nichts anderes mache ich bei Evanescence. Wir haben manchmal drei Tage Zeit für einen ganzen Run. Wenn ich mich da nicht Zuhause vorbereiten würde, hätte ich drei Tage Stress.
Wer sind deine größten Gitarren-Vorbilder?
Das sind Nuno Bettencourt, Mattias „IA“ Eklundh, Richie Kotzen und Steve Vai
Mit wem würdest du gerne mal auf der Bühne stehen, mit dem du noch nicht auf der Bühne standest?
Richie Kotzen.
Jen Majura bei Youtube
Auch bei unserer Lieblingsvideo-Plattform Nummer 1 ist Jen Majura am Start und postet regelmäßig Videos. Schaut doch mal vorbei!
Wie wird man Profimusiker?
Indem du sehr viel übst, an dich glaubst und niemals denkst du bist perfekt.
Wie viel übst du?
Komprimiert. Wenn ich jetzt einen Tag Unterricht habe, werde ich bestimmt nicht nach Hause kommen, mich an die Gitarre setzen und effektiv üben. Auf der anderen Seite, wenn ich mal einen Tag frei habe oder nur ein, zwei Schüler unterrichte, dann habe ich es auch schon fertig gebracht mich hinzusetzen und 10 Stunden am Stück zu spielen. Vergesse Essen, vergesse alles und spiele.
In den letzten paar Tagen, bevor ich hier her gefahren bin, habe ich am Tag so zwischen 13 und 18 Stunden Gitarre gespielt. Dann geht’s natürlich irgendwann mal an die Substanz. Fokussiert arbeiten ist etwas, dass sehr wichtig ist – dann merkt man die Müdigkeit auch nicht so stark.
Beschreibe dich in einem Wort!
Kann ich auch einen Sound machen? Dann bin ich „Whooop Whooop!“
Dann vielleicht einen letzten Tipp an die Leser?
(Überlegt, überlegt…) Wie wäre es mit einer Weisheit zum Schluss: Wer bin ich und wenn ja wie viele? Whooop Whooop!
Fazit: Lerne von Jen Majura!
Wir nehmen vor allem eines aus dem Interview mit: Du wirst niemals morgens aus dem Bett fallen und ein großes Karriereangebot auf dem Teppich finden. Harte Arbeit und stetes Üben allerdings machen sich bezahlt. Wer tatsächlich die Bühnen dieser Welt bespielen möchte, sollte über seinen Schatten springen: Präsent sein, sich zeigen und netzwerken!
Dir hat das Interview gefallen? Du hast Fragen? Wir freuen uns auf dein Feedback! In diesem Sinne: Whooop Whooop!