Rammstein-Produzent Jacob Hellner
»80 Prozent Psychologie, 20 Technologie«
Von Alexander Schölzel am 02. Juni 2019
Jacob Hellner begann als Schlagzeuger
Jacob Hellners Einstieg in die Musik erfolgte an den Drums, später ergänzte er sein instrumentales Repertoire um die Gitarre. Er merkte schnell, dass das Spielen allein nicht seine Bestimmung ist. Seine Leidenschaft verortet er seither hinter den Reglern.
Im Produzieren kann er sein volles Talent zur Geltung bringen, wobei er seine Stärke darin sieht, auch die ausgefallensten Musikrichtungen massentauglich aufzunehmen und zu vermarkten. Blickt man etwas weiter in seine Vergangenheit, findet man Jacob Hellner als Lehrer für Computertechnik und -Programme wieder.
Ein Beruf, der viele Parallelen zu dem des Musikproduzenten erkennen lässt. Als Produzent muss man ein Gefühl dafür entwickeln, was eine Band im Studio leisten kann und will. Man führt die Band zu positiven Resultaten.
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Und so war es damals wohl eine glückliche Fügung, als Hellner ein Anruf aus San Francisco erreicht: Der erste Job im Musikbusiness — ein in den Staaten ansässiges Studio bot ihm eine Stelle an. Wie üblich in dieser Branche, bedarf es zunächst eines gewissen Engagement, um letztlich selbst die Rolle des Produzenten einnehmen zu können. Heißt: Kaffee kochen und Telefondienst leisten.
Flesh Quartet und Clawfinger
Zurück in heimischen Gefilden boten sich auch gleich die ersten Produzentendeals an: Mit Flesh Quartet und Clawfinger konnte Jacob Hellner endlich sein Können als Produzent unter Beweis stellen. Seine Rolle in der Studioumgebung ist ihm dabei immer sehr bewusst, wie er in einem Interview mit recording.de verriet: »Ich sehe mich als Begleiter, der die Gefühlswelt des Künstlers aufnimmt und gegebenenfalls korrigiert.«
Mit Clawfinger sollte er es schließlich schaffen, international anerkannt zu werden. Das Album »Dean Dumb Blind« wurde vielfach ausgezeichnet und sorgte für jede Menge Aufmerksamkeit. Noch heute spricht Hellner von seinem »Türöffner«.
Nächster Halt: Rammstein
Hat man seine Fußabdrücke erst einmal hinterlassen, kann eine Karriere rasant an Fahrt gewinnen. Das Angebot, Rammstein zu produzieren, kam von Motor aus Hamburg. Das erste Demo jedoch überzeugte Jacob Hellner nicht auf Anhieb. Es brauchte erst eine echte Rammstein-Erfahrung: Hellner fuhr in die Hansestadt, um die Band live zu erleben. Danach war der Deal schnell eingefädelt.
Der Erfolg der ersten Platte überraschte alle Beteiligten und so dauerte es nicht lange, bis Rammstein sich meldeten und darum baten, auch das zweite Album gemeinsam aufzunehmen. Während Hellner im Rahmen der ersten Produktion noch unter ziemlicher Anstrengung arbeitete, verliefen die Aufnahmen zum zweiten Album entspannter. Die Harmonie zwischen Produzent und Band stimmte. Man hatte sich eingegrooved. Doch bis es einmal soweit ist, kann viel Schweiß geflossen sein.
Produzent und Psychologe zugleich
Im Interview mit delamar spricht Hellner von der Herausforderung, der man sich im Studio konfrontiert sieht: »80 Prozent Psychologie und 20 Prozent Technologie. Du führst jemanden durch einen Prozess — am Anfang stehst du hier, am Ende dort. Wie werden wir das schaffen?« Es ist wichtig, die richtige Route zu wählen, um am Ende einen erfolgreichen Prozess absolviert zu haben und ein stimmiges Produkt in den Händen zu halten.
Eine Erfahrung, die Hellner auch während seiner Zusammenarbeit mit der Band Apocalyptica gemacht haben könnte. Die Zusammenarbeit mit den vier finnischen Künstlern nennt er immer wieder eines seiner Highlights während seiner Karriere.
Top-Bands und Newcomer
Neben all den namhaften Bands, die Jacob Hellner auf ihrem Weg zum Erfolg begleitet hat, kümmert er sich auch viel um die Förderung junger Nachwuchskünstler. Er ist Teilhaber der Produktionsfirma Versity Music, die sich um den Aufbau junger Künstler kümmert.
Trotz eines vollen Terminkalenders findet Jacob Hellner immer noch Zeit, den Nachwuchs voran zu bringen. Vielleicht werden die Backyard Babies, Dregen oder Worldwide Alien auch eines Tages weltweit für Furore sorgen, Preise abräumen und sich zum Selbstläufer entwickeln.
Jacob Hellner im Interview
In Teil 1 unseres Interviews mit Jacob Hellner sprechen wir über den Klang der Band Clawfinger, die ihrerzeit mit ihrem komplett frischen Sound auf dem Album „Dumb, Deaf & Blind“ die Welt begeisterte. Erfahre, wie dieser zustande kam und wie die Zusammenarbeit mit Rammstein los ging. Wir sprechen über seine 16 Jahre als Produzent von Rammstein und die Dinge, die er mit der Band erlebt hat, wie viele Songs für ein Album geschrieben werden und welche Rolle der Bandproberaum spielt.
Darüber hinaus sprechen wir darüber, wie eine Single im Vergleich zu einem normalen Albumsong behandelt wird. Erfahre, wie es beim Recording aussieht, beim Abmischen, in der Produktion und wie es mit der Perspektive im Workflow aussieht. Dazu gibt es weitere Informationen zu den anderen Audio Engineers, die an der Produktion eines Rammstein Albums beteiligt sind.
Im zweiten Teil sprechen wir über das Geheimnis der fetten Drums, warum das Arrangement das wichtigste Element ist, um eine Menge Kraft umzusetzen und wer für das Arrangement bei Rammstein zuständig ist. Jacob Hellner erzählt, wie sich die Songs im Proberaum entwickeln und natürlich sprechen wir auch über den typischen Gitarrensound bei Rammstein. Erfahre mehr über den Sansamp PSA1.1 als Hardware und Plugin in Pro Tools sowie den Rectifier und wie die Klänge zusammen den Gitarrenklang ergeben.
Im weiteren Verlauf geht es um das Recording der Vocals von Frontmann Till Lindemann und inwiefern sich dieser im Laufe der Zeit verändert hat. Dann erzählt der Rammstein Produzent über seine Arbeit als Produzent und inwieweit er in der Entwicklung der Musik beteiligt ist.
Im dritten und letzten Teil geht es um den Faktor Psychologie im Tonstudio und warum dieser elementar für das Gelingen eines guten Albums ist. Schließlich sprechen wir noch über seine Arbeit mit Apocalyptica und warum dies eine ganz besondere Aufgabe für ihn war.
Vielen Dank an Jacob Hellner für das nette Interview und dir viel Spaß beim Schauen!