Kolumne
Bühnenbilder – oder wenn die Kreativität des Musikers an die Grenzen stößt
Von Katja Woltz am 12. Februar 2017
Woher kommt die Langeweile?
Ich trieb mich als leidenschaftliche Musikliebhaberin immer in den ersten oder letzten Reihen herum. Fast immer auf Konzerten von lokalen Bands. Da gab es nicht nur etwas Neues zu hören. Es gab auch wahre Leidenschaft für’s Auge. Singen und Springen bis kein Kleidungsstück mehr trocken war. Das ist keineswegs ein Phänomen aus der Rock- und Metalszene. Das gibt’s auch auf Hiphop Konzerten. Und das macht den ganzen Spaß eines Konzerts aus. Zu erleben und sehen wie Musik lebendig wird – auf der Bühne.
Leider haben mich 95% aller Konzertbesuche in den letzten fünf Jahren zu Tode gelangweilt. Es kam sogar vor, dass ich mich mehr an meinem Bier festhielt als an der Musik. Das Highlight in den letzten Jahren war ein Drummer, der in sein Schlagzeug gestürzt ist. Wow! Unweigerlich stellte sich mir irgendwann die Frage: Was ist anders geworden? Was nehme ich anders wahr?
Es ist immer gleich – auch die Musik
Da liegt der gefallene Groschen: Wenn man sich so intensiv mit Musik beschäftigt, erreicht man irgendwann den Punkt, an dem es einfach nichts Neues mehr gibt. Genre ist Genre ist Genre. Die Weiterentwicklungen innerhalb der verschiedenen Stilrichtungen sind so marginal, dass man sie schlichtweg nicht einmal als neu wahrnimmt. Aber es ist nicht die Musik, die mir weniger gefällt. Es ist das Gesamtpaket.
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Bands und Künstler, die sich im Alltagsoutfit mehr oder minder unbeteiligt auf die Bühne stellen, asynchron mit den Köpfen zum Takt oder eben auf zwei Beinen wackeln. Und die fehlende Bemühung, den Fans und Konzertbesuchern ein Erlebnis zu bieten, ist, was mich langweilt.
Kreativität unter den Musikern hat demnach ein Limit. Und das liegt einzig und allein im Song oder im Album. Wie man seine Musik präsentiert, gehört nicht mehr ins Repertoire. Die Songs werden eben live gespielt und das muss reichen. Schließlich geht’s ja „nur“ um Musik und nicht um Performance-Kunst. Aber wenn kein Musiker mehr dafür sorgt, dass ich mich entertaint fühle, muss ich auch den Musiker nicht mehr live sehen. Da kaufe ich mir die CD, spare mir das Warten in Schlangen und gönne meinen Füßen eine Pause vom ständigen Drauf-Getrete.
Der Nörgel-Kreislauf
Ich bin ein begeisterter Foren- und Facebook-Leser. Einer von der stillen Sorte. Ohne Empörung und Kommentare. Und immer wieder lese ich, dass lokale Bands oder aufsteigende Musiker in immer kleineren Locations spielen und dass selbst dort keine Massen mehr hinströmen. Aber unter all den „Nörglern“ habe ich nicht einmal die Fragestellung entdeckt, die lautet „Was können wir als Band tun, um mehr Fans zu Konzerten zu locken“. Nicht ein einziges Mal.
Schuld sind immer nur andere: Die faulen Konsumenten, die lieber Zuhause sitzen und geizig sind; die Veranstalter, die kein anständiges Honorar zahlen und mit dem Freibier für die Band geizen; die Barbesitzer, die nicht genug Werbung für Veranstaltungen machen; das Internet, weil es dort YouTube gibt und sich jeder Live-Auftritte gratis ansehen kann – ich könnte diese Aufzählung jetzt noch eine ganze Weile fortsetzen. Ohne dass auch nur ein Wort an die Band selbst verschwendet würde.
Was kann ich als Musiker dagegen tun?
Offene und halb-poetische Frage mit einer einfachen Antwort: Gib dir Mühe! Ich erwarte in der Kreisstadt keine Performance im Stil von Lady Gaga und keine Pyrotechnik á la Rammstein. Aber ich erwarte verdammt nochmal, dass sich die Band, zu der ich mich in meinem Feierabend aufraffe, sich Mühe gibt bei dem, was sie mir darbietet. Gute Musik kann ich auch Zuhause hören.
Ich möchte Leidenschaft, etwas für’s Auge, etwas Denkwürdiges, eine lebendige Erinnerung, von der ich meinen Freunden erzählen kann. Ich will nicht, dass der einzige Satz, der mir über die Lippen rinnt, lautet: „Ich war gestern auf dem Konzert von XY“. Ich will sagen können: „Ich war gestern auf dem Konzert von XY und es war so geil – da muss ich wieder hin. Und ihr müsst mitkommen. Das müsst ihr gesehen und gehört haben!“
Eine Idee gegen die Langeweile
Choreographie erwarte ich nicht! Aber ich erwarte eine Szene, eine Geschichte. Ich wünsche mir eine liebevoll gestaltete Bühne. Ich erwarte, dass sich ein Musiker Mühe für mich gibt. Für mich und für die anderen 100 Leute. Und wenn man als Musiker nicht bereit ist, das zu leisten, hat man den falschen Anspruch.
Zu glauben, dass gute Musik reichen würde, ist schlichtweg ein Trugschluss. Das war vielleicht in den 50ern und 60ern so. Aber heute ist die ganze Gesellschaft entertainmentgetrieben. Schon als Babys sind wir Broadcasting gewohnt, bunte Bilder, sich bewegende Bilder, großes Tamtam. Selbst die Krabbeldecke von meinem kleinen Neffen hat mehr visuelle Effekte als jede lokale Bandgröße – und die macht auch Musik!
Ein guter Anfang ist doch mit einem schönen Bühnenbild schon gemacht. Jede Bühne sieht gleich aus – vor allem im lokalen Umfeld. Mit etwas Glück gibt es wechselbare, bunte Lichter. Aber die Bühnen sind immer gleich. Und ich lehne mich mal aus dem Fenster und stelle die Behauptung auf, dass ich zwei Bands aus dem gleichen Genre nicht voneinander unterscheiden könnte, wenn sie sich auf der Bühne abklatschen, während ich draußen rauche.
Für ein schönes Bühnenbild hat niemand Geld? Schwachsinn! Wer so etwas sagt, hat keine Kreativität. Und wer so etwas sagt, schließt von vornherein alle Möglichkeiten zur Verbesserung durch endgültige Verneinung aus. Warum statt „Wir haben kein Geld dafür“ nicht sagen: „Was können wir mit unseren Mitteln erreichen“?. Klingt doch gleich viel angenehmer und es klingt nach dem, was scheinbar keiner mehr hat: Es klingt nach einem Plan.
Bühnenbilder mit wenig Aufwand
Keine Ideen? Prima, ich habe welche. Vor allem habe ich Beispiele und Anregungen, die wenig Geld kosten und trotzdem was hermachen.
Blumen kosten nicht viel, Vasen gibt’s bei Oma im Schrank. Wer richtig clever ist, fragt im örtlichen Blumenladen, ob er die nicht mehr so ganz frischen Sträuße zum Ladenschluss mit einem Rabatt bekommen kann.
Igitt, Blumen?! Nirvana hat’s gerockt, Lady Gaga hat’s gerockt. Warum nicht auch deine Band?
Oder ein bisschen Feuer? Natürlich darf man auf der Bühne nicht einfach rumzündeln. Aber es gibt auch ungefährliche Varianten. Die einfachste ist ein Bildschirm mit einem Kaminfeuer-Video. (Sorry, dass ich dir jetzt Justin Bieber reindrücken muss – aber das Bühnenbild wirkt!)
Und wenn es gar nicht anders geht, kann man wenigstens ein Banner von der Band aufhängen und sich Masken aufsetzen!
Schlussgedanken zur Live-Langeweile
Natürlich ist ein schönes Bühnenbild nicht das Allheilmittel, aber es ist ein Anfang. Es ist das Statement eines Musikers, es ist ein Akt der Wertschätzung und ein Akt der Kreativität – und vor allem anderen ist es ein Stilmittel der Individualität, wenn Du es schaffst eine eigene Idee zu entwickeln, die dich unverwechselbar in deiner Region macht.
Ich will das Genörgel um die sinkenden Zahlen in Sachen Konzertbesucher nicht mehr hören. Ich will Taten sehen und ich will wieder sagen können „Meine Fresse, war das ein geniales Konzert“! Denn wenn die Szene stimmt, stimmt auch das Feeling. Jede gute Geschichte (deine Musik) hat einen Schauplatz.