Die 7 Todsünden der Musiker (die dich von weltweitem Ruhm abhalten)
Von Carlos San Segundo am 31. Dezember 2018
Die Hölle ist uns gewiss – die 7 Todsünden der Musiker
Aber…kein Aber, keine Ausreden. Wir Musiker sind schon ein ganz spezielles Völkchen. Und ich kann für meinen Teil zumindest festhalten, dass ich schuldig in allen sieben Punkten bin. Vielleicht komme ich deswegen nicht gleich in die Hölle – denn hier geht es glücklicherweise nicht darum, ein guter Mensch (oder guter Musiker) zu sein.
Hier geht es darum, mich selbst ein Stück weit besser kennenzulernen. Und dann vielleicht an der ein oder anderen Stelle etwas zu verbessern.
1. Stolz / Arroganz
Es ist schon einige Jahre her, dass mein Kollege und ich dem A&R von Universal ein „Aha, mal sehen“ entgegenbrachten. Voller Stolz hatten wir ihm unsere „Hits“ vorgespielt. Produziert im dunklen Keller, mit all unserer Kreativität.
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Allen Unkenrufen zum Trotz hatten wir es bis Berlin geschafft und wähnten uns schon am Ziel unseres Begehrs. Insgeheim dachten wir, unsere Produktionen wären reif und wir bräuchten eigens keinen Produzenten.
Weit gefehlt, denn unser Stolz und unsere Arroganz verbauten uns jegliche noch so kleine Chance, die vielleicht dagewesen wäre.
Und dabei ist es nicht geblieben. Wie häufig mag ich wohl den ein oder anderen Kollegen belächelt haben? Nur um im Nachhinein festzustellen, dass dieser -trotz widriger Umstände oder überschaubarem Talents- am Ende ein ganzes Album auf en Weg gebracht hat?
Glücklicherweise ist das inzwischen viele Jahre her und inzwischen weiß ich andere Künstler und Musiker zu schätzen. Und das ist sogar mit einem ganzen Paket an positiven Dingen für mich gekommen: Ich habe unzählige Dinge von anderen lernen können. Und gerade die Musiker, die ich in meinen jungen Jahren so unterschätzt haben – sie sind es, die mir einige der kreativsten Ansätze zum Musik selber machen gezeigt haben.
2. Habsucht
Wie viele Audio-Plugins, Audio-Kompressoren, virtuelle Instrumente (VSTi), Gitarren, Synthesizer oder sonstige Tools kann ein Musiker oder Produzent schon brauchen?
Nur Chuck Norris hat alle.
Und unter uns gesprochen, macht das überhaupt nichts. Wir alle möchten gerne noch die neunte Gitarre, den nächsten Uber-Synthesizer oder das brandneue Plugin, das endlich Feature XYZ an Bord hat. Klingt erst einmal nicht weiter schlimm.
Nur: Wenn wir so denken und handeln, konzentrieren wir unsere Energie auf die falschen Dinge. Wir installieren Demoversionen oder das Update, müssen schauen, warum Mac OS abstürzt oder mit welchen Bodeneffekten die neue Gitarre überhaupt harmoniert.
Mit demselben Aufwand könnten wir stattdessen einen Songtext schreiben, den letzten HipHop Beat überarbeiten oder mit anderen Musikern jammen. Also könnten wir das verfolgen, was irgendwann einmal der Grund dafür gewesen sein könnte, überhaupt noch mehr Musik Equipment zu wollen.
Die Wahrheit ist: Seitdem ich nicht der nächsten Gitarre oder dem nächsten Update mehr hinterherjage, bin ich wesentlich zufriedener – und produktiver.
3. Neid
Ich hätte immer gerne gut singen können. Nur leider habe ich mir das nie als Ziel gesetzt und verfolgt. So verwundert es kaum, dass ich auch heute nicht gut singen kann und schon froh bin, wenn ich die Töne halbwegs treffe.
Gleichzeitig war ich neidisch auf Künstler (und bin es bisweilen auch heute noch), die nicht nur produzieren oder Gitarre spielen können, sondern dabei auch noch exzellent singen können. Sie brauchen schlicht keine Hilfe von außen, um einen Song zu schreiben.
Doch jeder Künstler ist einzigartig und darüber sollten wir uns immer bewusst sein. Jeder Mensch sieht und erlebt die Welt auf seine eigene Weise und hat deswegen auch eine eigene Art, diese Erfahrungen in Musik zu verwandeln.
Neidisch auf andere Künstler und Musiker zu sein, bedeutet: Sich selbst zu weit unten in der Liste einzuschreiben, den anderen über sich selbst zu stellen. Und das wirkt dann wie eine sich selbsterfüllende Prophezeiung.
Stattdessen könnten wir den Neid hinter uns lassen und lernen, uns auf unsere eigene Weise musikalisch auszudrücken. Das ist nicht nur produktiver und führt zu einem zufriedeneren Leben – es ist eine Herausforderung, die nur Du selbst meistern kannst und deswegen auf deine Einzigartigkeit einzahlt.
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4. Zorn
Ich bekam den Sound einfach nicht so hin, wie er in meinen Ohren klingen musste. Der Stil war mir neu, in diese Richtung hatte ich noch nicht produziert – doch der Rapper wollte gerne ein Instrumental im Stil von Dirty South. Und das machte mich übellaunig. Manchmal sogar richtiggehend wütend.
Zorn und Wut sind ganz schlechte Berater. Im Körper kommt es bei diesen Gefühlen zu chemischen Reaktionen und das Reptilienhirn übernimmt immer mehr die Entscheidungen.
Aber auf wen hätte ich wütend sein können? Doch nur auf mich selbst, denn ich war es ja, der dieses Instrumental zugesagt hatte.
Das Musikmachen war für mich immer ein riesiger Spaß gewesen, der mich regelmäßig in den Flow-Status brachte und mich dabei die Zeit vergessen ließ. Nur hier machte es keinen Spaß mehr, weil ich vergessen hatte, worum es im Grunde ging: den Weg, das Erlernen neuer Fähigkeiten, den kreativen Prozess.
Wir alle sind mal wütend, mal zornig, das ist menschlich. Doch wenn wir uns einfach nur der Emotion hingeben, führt der Weg immer in eine kreative Sackgasse.
5. Unkeuschheit
Es gibt so viel im Leben, das es lohnenswert macht. Von der Familie über die Freunde bis zu anderen Hobbies. Sie alle sollen nicht alleine der Musik wegen vernachlässigt werden. Es ist zudem bereichernd, in mehreren Bands zu spielen, viele unterschiedliche Musikprojekte zu verfolgen und daraus zu lernen.
Das alles kann nicht mit der Unkeuschheit gemeint sein.
Eine typische Musikerkrankheit ist das Erstellen unzähliger Unvollendeter. Damit meine ich die vielen, vielen Ideen, die begonnen werden. Und nie zu einem Ende gebracht wurden. In meinen Hochtagen der Unkeuschheit habe ich an so vielen Ideen, Musikprojekten und Songs gearbeitet, dass ich keines (in Worten: keines) fertiggestellt habe.
Später, als mir das aufgefallen ist, konnte ich einige davon noch fertigstellen. In den vielen Gesprächen mit anderen Künstern stellte sich heraus, dass das sehr weit verbreitet ist.
Wenn Du nur eine einzige Sache in deinem normalen Ablauf ändern kannst oder willst – nimm diese.
6. Unmäßigkeit
Wir Künstler geben uns gerne dem Flow hin. Und wenn sich eine Idee einstellt, dann lassen wir auch mal alles stehen und liegen. Wir machen die Nacht durch, arbeiten an der Idee und schlafen tagsüber.
Was kreativ gesehen ein echter Volltreffer zu sein scheint, könnte sich als das genaue Gegenteil im sozialen Kontakt zu anderen Menschen erweisen. Denn wenn wir uns ausschließlich der kreativen Arbeit und dem Flow hingeben, fehlt uns der Kopf und die Zeit, auf unsere Mitmenschen und deren Bedürfnisse zu achten. Oder auf die eigene Gesundheit.
Dein Lebensgefährte, deine Familie, dein Hund, der Job, die Steuern und der Kühlschrank – sie alle brauchen deine Aufmerksamkeit. Zwischenmenschliche Beziehungen können eingehen, der Hund den Teppich ruinieren, das Finanzamt dein Konto pfänden und der Kühlschrank vor Leere gähnen.
So künstlerisch das Erreichen der kreativen Tiefe auch anfühlt – ab und zu müssen wir an die Oberfläche schwimmen.
7. Trägheit
In meinem Fall vielleicht die schlimmste Übeltat an meiner eigenen Musik – zu viele Ideen, die liegengeblieben sind. Zu viele Momente, in denen der innere Schweinehund über die Kreativität gesiegt hat.
Die Trägheit kann dabei sehr gefährlich sein. Ich denke da beispielsweise an die Musikindustrie, die sich selbst überdauert hat. Nachdem sie mit der CD zum dritten Male für denselben Back-Catalog abkassiert hatte, fiel sie in den Dornröschenschlaf. Es mussten erst Napster, Kazaa, iTunes und Spotify mit Innovationen um die Ecke kommen.
Viele Musiker sind ähnlich träge geworden. Gute Musik reicht nicht (mehr). Wer heute als Künstler überleben möchte, muss sich schon überlebensgroß inszenieren. Dazu gehören Musik, Image, Konzerte, Merchandise, Nebenprojekte, etc.
Die Großen von heute haben das schon längst kapiert und steuern unserer Kultur nicht nur Musik und Konzerte, sondern auch Parfüm, Mode, Empfehlungen in der Werbung und sonstige Dinge bei.
Nur damit wir uns verstehen: Ich finde die romantische Idee des Musikmachens und damit Geld zu verdienen auch wundervoll. Die Realität ist eine andere. Es ist unsere eigene Entscheidung, das Künstlerdasein als romantische Idee von Gestern zu verstehen und träge zu bleiben oder uns an die neue Welt zu gewöhnen und dort mitzumachen. Eins ist klar: Der Welt ist das ziemlich gleich.
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Führen die 7 Todsünden der Musiker direkt in die Hölle?
Sicher nicht im religiösem Sinne. Am Ende sind diese Punkte nur als Denkanstoss zur Reflektion gedacht. Jeder muss für sich entscheiden, was er noch erreichen möchte. Weder die Welt, noch die Hölle werden uns davon abhalten, unsere Ziele zu erreichen. Nur wir selbst können das.
Was sind deine Gedanken zum Thema und Musikerdasein? Was hast Du schon in der Vergangenheit anders gelöst, als Du es heute machen würdest? Welche Todsünde hätte ich noch erwähnen sollen? Schreib uns jetzt in die Kommentare!