Tiefenstaffelung im Mix
Mehr Tiefe für deine Songs

Tiefenstaffelung im Mixdown
Tiefenstaffelung im Mixdown

Carlos San Segundo Von Carlos San Segundo

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Abtauchen: Tiefenstaffelung

Das Wort »Tiefenstaffelung« fällt immer wieder gerne in einschlägigen Foren im Zusammenhang mit dem Abmischen von Songs. Dabei werden meist Effekte wie Hall, Equalizer und Delay in den Raum geworfen, ohne näher darauf einzugehen, wie genau diese eingesetzt werden können, um die Tiefenstaffelung zu gestalten. Nicht so in diesem Artikel.

Passend zum Artikel: Video: Tiefenstaffelung Schritt für Schritt »

Tiefenstaffelung im Mixdown
Tiefenstaffelung im Mixdown

Räumliches Hören

Menschen hören Geräusche in drei Dimensionen. Wir erkennen, ob sich die Klangquellen links oder rechts, oberhalb oder unterhalb sowie vor oder hinter uns befinden. Die Ortung der geschieht durch eine Vielzahl von Faktoren. Zum Beispiel tendieren nahe Quellen dazu, lauter als weit entfernte zu sein, und das ist nur der offensichtlichste Faktor.

Da wir es gewohnt sind, in unserer natürlichen Umgebung in drei Dimensionen zu hören, bietet sich eine solche Verteilung unterschiedlicher Klänge auch in einem Mix an. Wenn jedes Instrument bzw. jede Spur oder zumindest Spurengruppen räumlich getrennt erklingen, gestaltet sich das Hören gewohnter für das Publikum. Natürlich klingt es in der Regel auch einfach spannender.

Auch wenn uns beim Abmischen von Songs in der Regel nur zwei Lautsprecher und damit Stereo zur Verfügung stehen, gibt es eine Menge Möglichkeiten, die einzelnen Instrumente in der Tiefenwahrnehmung unterschiedlich anzuordnen. Und um diese soll es in diesem Artikel gehen.

Volumen für Entfernung


PASSEND DAZU


Wie erwähnt, sind weiter entfernte Geräusche in der Regel leiser, da der Schall auf seinem Weg durch die Luft an Energie verliert. Beim Abmischen lässt sich dieser Effekt sehr einfach über die Lautstärke beeinflussen. Steht der Perkussionist in der Regel weiter hinten auf der Bühne, also weiter weg vom Zuhörer, wird seine Lautstärke entsprechend angepasst.

Equalizer oder Filter für mehr Entfernung

Tiefe Frequenzen tragen mehr Energie als hohe und können deswegen auch aus größerer Entfernung noch vernommen werden. Mit anderen Worten: Entfernte Schallquellen klingen potentiell dumpfer als nahe.

Tiefenstaffelung High Cut Filter
Der Channel Strip in der DAW-Software PreSonus Studio One, hier für eine Low-Cut-Filterung genutzt

Diesen natürlichen Effekt kannst Du dir mithilfe eines Equalizers in deinen Mischungen zunutze machen. Je weiter die Spur nach hinten geschoben werden soll, desto stärker solltest Du hohe Frequenzen mit einem flachen Low-Pass-Filter (alternative Bezeichnung: High-Cut; deutsch: Tiefpassfilter) absenken.

Wenn Du zum Beispiel die Backing Vocals hinter dem Lead Vocal positionieren möchtest, kannst Du auch einfach das Mikrofon während der Aufnahme deutlich weiter weg vom Sänger aufstellen.

Reverb (Hall) für mehr Tiefenstaffelung

Mit den heute verfügbaren Hallgeräten und -Plugins ist es ein Leichtes, die Spuren so klingen zu lassen, als würden sie in verschiedenen Räumen und aus unterschiedlichen Entfernungen wiedergegeben. Einige Halleffekte bieten gleich die Positionierung der Schallquelle im virtuellen Raum an, bei anderen musst Du ans Eingemachte gehen und die richtigen Parameter verändern.

Die Parameter im Detail: Video Workshop Hall / Reverb »

Generell gilt: Je weiter entfernt eine Schallquelle, desto später treffen die Erstreflexionen (»early reflections«, kurz »ER«) bei gleichbleibender Raumgröße ein. Je weiter entfernt die Schallquelle, desto näher der zeitliche Abstand zwischen Erstreflexionen und Nachhall.

Ein weiterer Aspekt in der Verwendung von Hall für die Tiefenstaffelung im Mix ist der Detailreichtum des Nachhalls. Je weiter entfernt die Schallquelle ist, desto weniger klangliche Details kommen beim Hörer an. Dieser Detailreichtum kann bei den meisten Effektgeräten über den Parameter »Diffusion« gesteuert werden.

Tiefenstaffelung Reverb
In Reverb-Plugin Lexicon MPX Native finden sich der angesprochene Diffusion-Parameter, ein Tiefpassfilter und mehr

Natürlich gilt auch für den Hall, dass dieser dumpfer klingt, je weiter entfernt die Quelle ist – das lässt sich bei vielen Geräten bzw. Plugins praktischerweise gleich über einen integrierten Tiefpassfilter regeln.

Du kannst auch schlicht mehr Hallanteil auf das Instrument geben, um es weiter nach hinten zu staffeln. Auf dem langen Weg zum Hörer sind in Wirklichkeit nämlich mehr Oberflächen, die den Klang reflektieren, als auf einem kurzen Weg.

Weiter mit der Tiefenstaffelung im Mix geht es hier:


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Delay / Echo

Um noch mehr Tiefe in deinen Mix zu bekommen, kannst Du zusätzlich zum Hall auch noch einen Echoeffekt nutzen. Delay-Plugins sind hier nur bedingt nutzbar, da diese sehr genau arbeiten. Du kannst auch hier das hohe Frequenzspektrum mit einem Tiefpassfilter absenken, um das Gefühl von Entfernung zu erzeugen.

Natürlich gibt es auch Plugins mit fantastischen Emulationen so genannter »Tape Delays« (Bandechos), die in der Regel natürlicher als digitale Delays klingen. Sie sind für diesen Zweck auf jeden Fall vorzuziehen.

Tiefenstaffelung Tape Delay
Das Universal Audio Roland RE-201- ein Plugin, das das legendäre Tape Delay von Roland emuliert

Bei Vocals nutze ich oftmals ein oder mehrere Delay-Effekte, um der Stimme mehr Tiefe zu geben. Dabei kommt es mitunter vor, dass ich den Hall gänzlich weglasse. Das funktioniert, weil Hall im Grunde genommen nichts anderes als eine Veilzahl von dich hintereinander erklingenden Delays ist. Im Vergleich zu einem Hall klingt die Stimme durch ein Delay wesentlich definierter – was nicht immer gewünscht sein muss, aber besonders gut in dichten Mischungen funktioniert.

Modulationseffekte

Fast alle Modulationseffekte tendieren dazu, das Audiosignal etwas distanzierter klingen zu lassen. Das kannst Du beim Abmischen ausnutzen – verwende Chorus, Phaser und Flanger auf den Spuren.

Letzte Gedanken zur Tiefenstaffelung im Mix

Die Werkzeuge sind jetzt klar. Unbedingt zu beachten ist die Tatsache, dass erst der Kontrast für die notwendige Tiefenstaffelung sorgt. Schiebst Du mit den oben genannten Möglichkeiten alle Klänge weiter nach hinten, dann klingt der Mix zwar entfernter, aber praktisch genau so flach wie zuvor. Wenn Du aber einzelne Instrumente verschieden weit nach hinten rückst, bekommst Du den Eindruck von Tiefe.

In diesem Zusammenhang bleibt noch zu erwähnen, dass die Tiefenstaffelung nicht im Solo-Modus einer einzelnen Spur durchgeführt werden sollte, denn dabei tritt der erwähnte Kontrast nicht hervor.

Die typische Tiefenstaffelung

In der modernen Rock- oder Popmusik werden die Elemente oftmals sehr ähnlich abgemischt. Die Vocals sind weit vorne mit den Gitarren etwas dahinter, dann kommen Bass und Drums. Keyboards variieren in unterschiedlichen Produktionen je nach Künstler sehr stark und können den Platz der Gitarren einnehmen oder auch weiter nach hinten rücken. Percussion, Backing Vocals sowie meistens auch flächenartige Sounds und Pads sind bisweilen sogar ganz weit hinten im Mix zu finden.

Der beste Lehrer in Sachen Tiefenstaffelung bist Du selbst, indem Du einfach aktuelle Produktionen gezielt und in Ruhe anhörst und versuchst zu verstehen, was der Mixing Engineer gemacht hat.

Tiefenstaffelung im Mix zusammengefasst

  • Nah und fern anmutende Klänge im Kontrast einsetzen
  • Niedrigere Lautstärke = entfernter
  • EQ/Filter: gedämpfter (höhenarmer) Klang = entfernter
  • Reverb: längere Hallfahne & mehr Diffusion = entfernter
  • Delay und Modulationseffekte für subtilere Effekte
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