Audio Mastering am Computer
Hörstrategien

Hörstrategie Mastering
Die richtige Hörstrategie für das Mastering: Die Fletcher-Munson-Kurve und vieles mehr gibt's im Artikel.

Friedemann Tischmeyer Von Friedemann Tischmeyer

Audio Mastering am Computer: Hörstrategien im Mastering

Das Mastering stellt den finalen Schritt in der Musikproduktion dar. Hier wird der „Master“ deiner Produktion erstellt und der letzte Feinschliff vorgenommen. Besonders wichtig für das Mastering ist dein Gehör. Wir hören viele Dinge ganz selbstverständlich und viele wissen gar nicht, dass mein Gehört trainieren kann. Wenn Du Zeit mit dem mastern deiner Produktion verbringst, ist es sogar ein Muss dein Gehör richtig zu schulen.

Hörstrategie Mastering
Die richtige Hörstrategie für das Mastering: Die Fletcher-Munson-Kurve und vieles mehr gibt’s im Artikel.
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Unser Gehör

Was ist ein gutes Gehör? Wie beschreibt man etwas Subjektives, von dem keiner genau weiß, wie es ein anderer wirklich empfindet? Gerade in Zeiten der Salonfähigkeit von Lofi, in der sich die Gehörgewohnheiten einer ganzen Generation von Jugendlichen und jungen Hörern durch mp3-Konsum verändern, hat diese Frage einen besonderen Stellenwert. Eines kann ich aus eigener Erfahrung versichern: Das Gehör ist sehr entwicklungsfähig! Unser Hörvermögen ist – abhängig der gelieferten Lernreize – einem dauerhaften Entwicklungsprozess (oder Verkümmerungsprozess im Falle der jungen mp3-Konsumenten) unterlegen.

Es gibt kein blindes Probieren

Als ich das erste Drum-Recording durchführen sollte und das Bassdrum-Mikrofon auf solo geschaltet hatte, hörte ich eine Bassdrum und hatte hundert Fragezeichen im Kopf. Klingt sie gut? Hat sie genug Bass? Klatscht sie genug? Ist sie nicht zu tonnig? Zugleich war meine Vorstellung von dem Sound, den ich hören wollte, eher ein Vakuum als eine Vorstellung (es gab noch keine nennenswerten Samplelibraries, an denen ich eine Vorstellung hätte entwickeln können). Ich hatte schlichtweg keine Idee, wie eine gute Bassdrum für diese oder jene Art von Musik klingen soll. Ein paar dutzend Live-Recordings später, in verschiedenen Studios mit verschiedenen Sets und Schlagzeugern, hatte sich etwas geändert: Es war eine Vorstellung von dem gewachsen, was ich hören wollte. Und das ist ganz normal. Nur die seltensten Naturtalente werden gleich als Anfänger eine klare Vorstellung von einem Klang haben, den sie aufnehmen oder kreieren wollen. Mit technischem (Frequenzen) und musikalischem (Töne, Akkorde, Rhythmik) Gehörtraining hast Du die Möglichkeit, Reize für eine schnelle Entwicklung deines Gehörs zu geben.


PASSEND DAZU


Denn nichts ist beim Mastering wichtiger als eine klare Vorstellung dessen, was wir hören möchten, und die zugehörigen Ideen, wie wir dahin kommen.
Beim Mastering gibt es kein blindes Probieren!

Hörstrategie Audio Mastering
Das Schlagzeug ist aufgenommen und abgemischt. Aber wie soll es final eigentlich klingen?

Während meiner Workshops werde ich nach der Demonstration kleiner Klangverbesserungen gelegentlich ungläubig gefragt: „Muss man das hören?“
In Arbeitssituationen, während Du auf der Suche nach der optimalen Einstellung immer tiefer in einen kurzen Loop hineinhörst, kannst Du manche Feinheiten wahrnehmen, die Du in einer anderen Hörsituation, wenn überhaupt erst nach mehrmaligem Hinhören mit der gleichen Präzision wahrnehmen würdest. Diese Art des mikroskopischen Hörens verdeutlicht die Fähigkeit des Gehörs, sich durch konzentriertes und „strategisches“ Hören auf feinste Nuancen einzutrimmen und ist dem geneigten Mastering-Ingenieur zu Eigen.

Fletcher-Munson-Kurve

Die Fletcher-Munson-Kurve ist auch bekannt als die Kurve gleicher Lautheit. Ihr liegt die Unfähigkeit unseres Gehörs zugrunde, linear zu hören, also gleich laute unterschiedliche Frequenzen innerhalb des Hörspektrums als gleich laut zu empfinden.

Fletcher-Munson-Kurve – Kurve gleicher Lautheit
Fletcher-Munson-Kurve – Kurve gleicher Lautheit

Die Herren Fletcher und Munson haben ihren Probanden verschiedene Töne vorgespielt, die in ihrer Lautstärke solange modifiziert wurden, bis sie als gleich laut wie ein Referenzton empfunden wurden. Diese Wahrnehmung ist natürlich subjektiv, erhält durch die Breite des Versuchs aber einen objektiven Charakter.

In dem Diagramm sind tiefe Töne links, hohe Töne rechts und der Pegel in der Vertikalen dargestellt. An der Kurve lässt sich erkennen, dass tiefe und hohe Töne stärker angehoben werden müssen, je leiser sie sind, um ebenso laut wie ein Referenzton im Mittenbereich wahrgenommen zu werden.

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Die bekannteste Technik in Anlehnung an dieses Phänomen ist der Loudness-Knopf an Stereoanlagen. Leider sind nur wenige Stereoanlagen mit einer intelligenten Loudness-Schaltung ausgestattet, die diese Ausbalancierung dynamisch, also in Abhängigkeit der Hörlautstärke vornimmt. Eine dynamische Loudness-Regelung würde die Bass-Höhen-Verstärkung reduzieren, je lauter abgehört wird.

Wir müssen davon ausgehen, dass die meisten Endverbraucher die Loudness-Schaltung immer aktiviert haben. Daher bietet sich ein Ghettoblaster oder eine ähnliche Konsumentenabhöre mit eingeschaltetem Loudness als zusätzliche Kontrolle beim Mischen und Mastern an. Die Hauptlautsprecher sollten nie mit einer derartigen Schaltung versehen sein.

Außenohr mit Klang beeinflussendem Anthelix
Außenohr mit Klang beeinflussendem Anthelix

Physiognomisch liegt die Ursache dieses Phänomens unter anderem in der mechanischen „Konstruktion“ unserer Hörmuschel. Der knorpelige Anthelix-„Damm“, der sich schneckenartig oberhalb des Gehörganges aus der Hörmuschel fortsetzt, trägt zur Frequenzfilterung bei.

Der evolutionsmäßige Grund liegt in der Fähigkeit unseres Gehörs, mittlere Frequenzen, die für die Sprachverständlichkeit grundlegend sind, besser ausfiltern zu können, je niedriger der Schallpegel ist.

In der Praxis beim Audio Mastering ist eine spezielle Gerätegattung entstanden, die sich auf die Anpassung von Mastern auf diese Gegebenheit der Loudness-Kurve konzentriert.

„Ästhetische“ EQs

Der SPL-Tubevitalizer hat zum Beispiel Kontrollparameter für den Bass, die Entmumpfung des unteren Mittenbereichs, die Unterstützung der Sprachverständlichkeit und des Highend-Bandes. Im DSP-basierten Bereich gibt es den Pultec-Pro (uad-1-Karte), der ganz ähnliche Einstellungsmöglichkeiten bietet. Der Nomad PEQ2A stellt eine native Alternative für den Pultec dar. Ich nenne diese Gerätegattung „ästhetische EQs“, weil sie im Gegensatz zu parametrischen EQs keine chirurgischen Eingriffe ermöglichen, sondern auf die Manipulation des Gesamtklanges abzielen.

Die Fletcher-Munson-Kurve ist der psychoakustische Auslöser für den Loudness-War – den Kampf der Plattenfirmen um das lauteste Master – da in der kritischen Kaufsituation im Onlineshop der lautere Vorhörschnipsel vermeintlich attraktiver klingt. Dem lässt sich mit Loudness-Normalisierten Vorhörschnipseln entgegnen, indem der Shopbetreiber alle Files durch eine Stapelbearbeitung schickt, die eine Pegelanpassung nach psychoakustischen Gesichtspunkten ermöglicht. Derartige Algorithmen existieren bereits.

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