Multieffektgeräte für Gitarre erklärt
Was sie können (sollten) und welche Typen es gibt
Von Tim Büdel am 28. Mai 2020
Multieffektgerät für Gitarre: Was ist das?
Sie sehen aus wie Raumschiffe und können für den Einsteiger auch mindestens genauso kompliziert wirken: Die Multieffektgeräte. Wozu benötige ich ein Multieffektgerät? Was unterscheidet es vom herkömmlichen Effektpedal und was sollte ein Multi-FX überhaupt können? All diese Fragen werde ich dir in den nächsten Zeilen beantworten.
Zunächst möchte ich klären, was ein Multieffektgerät überhaupt definiert. Ein Effektpedal kann bereits als Multi-FX bezeichnet werden, wenn es über mehr als zwei Effekte in einem Gerät verfügt.
Mit einem Multi-FX meint man jedoch größere Effektboards, die alles was ein Gitarrist so braucht in einem Gerät bietet. Damit sind gemeint:
PASSEND DAZU
- Gitarren-Effektgeräte
- Mooer Ocean Machine: Sphärisches Multieffektgerät
- Pickups tauschen: Anleitung für deine E-Gitarre
- Roland GP-10: Multieffektgerät für Gitarre & Bass
- BOSS ME-80: Multieffektgerät für E-Gitarre
- Verstärker-Simulationen
- Gitarrenbox-Simulationen
- Mehrere Effekte
Wozu brauche ich ein Multieffektgerät
Ein Multi-FX hat viele praktische Vorteile. Anstatt einen Verstärker mit Box und einer ganzen Sammlung an einzelnen Bodentretern herumzuschleppen kannst Du ein Multieffektgerät viel einfacher transportieren. Sei es zum Jam mit den Kumpels oder für die nächste Tour mit deiner Band.
Natürlich kannst Du es auch in Kombination mit deinem Verstärker verwenden. Hierbei ersetzt das Gerät ein herkömmliches Pedalboard. Der Vorteil hierbei ist einerseits, dass Du alles in einer Box hast und nichts zusätzlich verkabeln musst. Daher ist es auch weniger anfällig für Fehler, was es für Auftritte sehr interessant macht. Andererseits macht es die Bedienung sehr viel einfacher, da Du mehrere Effekte mit einer Taste umschalten kannst.
Außerdem ist ein Multi-FX meist die günstigere Lösung wenn man alle Effekte die solch ein Gerät mitbringt, was Hunderte sein können, mit dem Einzelpreis gegenrechnet. Das kommt natürlich darauf an wie viele Effekte Du wirklich verwendest. Du solltest dir vor dem Kauf überlegen was Du wirklich benötigst und ob ein simples Setup mit Verstärker und ein paar Pedalen nicht eigentlich ausreicht.
Vorteile eines umfangreichen Multieffektgeräts
- Mehrere Gitarrenboxen in einem
- Mehrere Verstärker in einem
- Mehrere Effekte in einem
Die Rechnung ist einfach. Nehmen wir beispielsweise den Line 6 Helix: Er beinhaltet 72 Verstärker-Emulationen, 194 verschiedene Gitarreneffekte, 37 Gitarrenboxen und 16 Mikrofon-Emulationen. Ohne Multieffektgerät, müsstest Du dir all diese Emulationen als Hardware zulegen.
Was sollte ein Multieffektgerät können?
Was ein Multi-FX an Bord haben sollte kommt nun, wie oben schon angesprochen, darauf an, für welchen Verwendungszweck Du es brauchst. Willst Du es als Ersatz für einen Verstärker benutzen oder in Kombination mit deinem Amp als Pedalboard-Ersatz?
Grundsätzlich bieten Multi-FX Geräte mehr Flexibilität und Vielfalt im Verhältnis zu einzelnen Käufen. Nutzt Du hingegen immer das gleiche Setup, benötigst Du ein Multi-FX Gerät nicht.
Multieffektgerät Gitarre: Welche Typen gibt es?
Wie bereits angesprochen, gibt es Multi-FX Geräte für die verschiedensten Bedürfnisse, ob als „Sammlung“ vieler verschiedener Pedals, als Sammlung verschiedener Amp-Emulationen oder als All-In-One-Paket.
Multi-FX All-In-One
In den umfangreichen Varianten finden sich in der Regel folgende Emulationen:
- verschiedene Verstärker
- verschiedene Gitarrenboxen
- Effektpedals
- Mikrofonie-Emulationen
Kommt es dir darauf an, ein Komplettpaket zu finden solltest Du besonders darauf achten, dass das Multieffektgerät eine gute Verstärker-Emulation mitbringt, die nah am analogen Vorbild ist. Die Multieffektgeräte, die sich heute am Markt finden, haben durchweg sehr gute Emulationen. Dass sie nicht immer exakt an das Original heranreichen, sollte im Preis-Leistungsvergleich aber berücksichtigt werden.
Ein Studiogitarrist, der mit Recordings sein Geld verdient, wird tendenziell natürlich die beste aller Emulationen wählen. Nutzt Du das Multi-FX-Gerät allerdings für kleinere Projekte im semiprofessionellen- oder Hobbybereich, wirst Du vermutlich mit jedem, der aktuell angebotenen Geräte, viel Spaß haben.
Stompbox
Stompbox ist ein analoger Begriff zu einem Pedal (=Bodentreter), der als Multieffektgerät mehrere Effekte beinhaltet – das Gegenstück dazu ist der Rack-Multieffekt. Wenn Du eine Ergänzung zu deinem Lieblingsverstärker suchst, solltest Du besonders auf die Qualität der Effekte wie Delay, Chorus und Reverb achten. Außerdem ist hier auch die Anzahl der Fußschalter entscheidend. Schließlich willst Du vermutlich jeden Effekt einzeln zu deinem Verstärker dazuschalten können.
Das Multieffektgerät dient dir also eher als platzsparende Alternative zu vielen einzelnen Effektgeräten oder Rack-Equipment für den Einbau. Die Möglichkeit mehrere Effekte mit einem Tastendruck umzuschalten ist für den giggenden Musiker besonders interessant.
Wie schließe ich ein Multieffektgerät an die Gitarre an?
Beim Anschließen eines Multieffektgeräts gibt es mehrere Möglichkeiten, die wir hier kurz vorstellen:
Multi-FX Gerät an die PA anschließen
Die einfachste und praktischste Methode ist es das Multi-FX direkt an eine PA anzuschließen. Dafür hat jedes Gitarren Multieffektgerät einen Klinken- oder XLR-Ausgang.
Gerade für den Live-Einsatz eignet sich diese Methode besonders gut, da man weder viel zu schleppen hat, noch muss man sich mit der Mikrofonierung einer Gitarrenbox auseinandersetzen. Dadurch ersparst Du auch dem Mischer viel Arbeit.
Multieffektgerät an der Gitarrenbox anschließen
Möchtest Du allerdings auf den Druck eines echten Gitarrenverstärkers nicht verzichten kannst Du ein Multi-FX auch in Kombination mit einer Gitarrenbox benutzen. Dafür brauchst Du allerdings eine Gitarrenendstufe die den Verstärker ersetzt. Diese Methode bietet nach meiner Erfahrung den besten Sound.
Anschluss an den Verstärker über FX-Loop
Du kannst ein Multieffektgerät auch einfach an deinen Verstärker anschließen. Am besten funktioniert das wenn Du das Effektgerät in den FX-Loop, sofern dein Verstärker so etwas hat, einschleifst.
Multi-FX an den Input des Amps anschließen
Du kannst das Multi-FX aber auch ganz einfach in den Input deines Amps anschließen. Dabei musst Du allerdings darauf achten, dass alle Regler des EQ deines Verstärkers auf 12 Uhr eingestellt sind damit die Sounds des Effektgeräts nicht zu sehr von deinem Verstärker beeinflusst werden. Schließlich simuliert das Multi-FX ja eigene Verstärker-Sounds.
Diese Methode ist zwar die einfachste, bietet leider aber keinen besonders guten Klang da das Multi-FX mit den Sounds deines Verstärkers konkurrieren muss. Am besten klingt es wenn Du den Verstärker durch die oben beschriebenen Methoden ganz umgehst.
Was sollte ein Multieffektgerät kosten?
Wichtiger als die Vielfalt ist die Qualität der Sounds. Hier muss man ganz klar sagen, dass moderne Multieffektgeräte der älteren Generation überlegen sind. Da die Geräte im Kern Computer sind, schreitet die Entwicklung immer schneller voran. Du solltest also nach den neuesten Modellen auf dem Markt Ausschau halten.
Je nach Anwendungsbereich (umfangreiches All-In-One-Multi-FX oder spezialisiertes Multi-FX) liegt die Preisspanne zwischen 250 Euro und 2500 Euro.
Vor dem Kauf solltest Du dir folgende Fragen stellen:
- Möchtest Du verschiedene Amp-Sounds?
- Legst Du Wert auf Effektpedal-Vielfalt?
- Möchtest Du weiteres Equipment anschließen?
- Benötigst Du viele verschiedene, emulierte Gitarrenboxen?
Multieffektgeräte: Empfehlungen aus der Redaktion
Im Folgenden möchte ich dir nun ein paar Multi-FX Geräte für verschiedene Preisklassen vorstellen. Angefangen vom günstigen Effektboard für Einsteiger bis hin zur Königsklasse der Modeling-Effekte.
Multieffektgeräte für den Einstieg bis 400 Euro
Line6 M5 Stompbox
Wer für kleines Budget ein Effektgewitter möchte, sollte hier genauer lesen! Die Line 6 M5 Stompbox hat über 100 Effekte an Bord und lässt sich um ein Expression Pedal erweitern. Die kleine Stompbox taugt also nicht nur für Effektliebhaber, sondern auch für kreative Erweiterungen deines Setups.
Features
- 19 Delay-Effekte
- 17 Verzerrer
- 12 Hall-Effekte
- 23 Modulationseffekte
- 26 Filtereffekte
- 12 EQs & Kompressoren
MIDI-Anschlüsse, integriertes Stimmgerät und Tap Tempo runden das Angebot ab. Klare Redaktionsempfehlung: „Viel Effekt für kleines Geld“!
Straßenpreis: 249 Euro
Mooer GE 200
Das Mooer GE 200 ist ein kleiner Spezialist für Amp- und Speaker Cab-Simulationen. Integriert sind verschiedene Metronom- und Drumrhythmen, sowie 70 Effekte. Wie bei vielen Multieffektgeräten kannst Du auch hier deine Presets abspeichern. Für das Mooer GE 200 kannst Du über das Mooer Software Studio weitere Cab-IRs herunterladen und das kleine Gerät erweitern.
Gemessen am Preis-Leistungsverhältnis auch hier eine klare Empfehlung für den Einstieg in die Multi-FX-Welt.
Straßenpreis: 299 Euro
Joyo Gem Box III
Amp Modelling und Multi-Effektprozessor in einem: Der Joyo Gem Box III wurde erst Ende des vergangenen Jahres vorgestellt, hat aber bereits viele Pluspunkte in den Reihen der Gitarristen gesammelt. Mit 61 Preamp-Emulationen und 26 Cab-Emulationen ist das Basis-Setup bereits gut bestückt. Das Multieffektgerät für die Gitarre kann durch Downloads viele weitere Emulationen wiedergeben. Mit an Bord sind auch ein Looper, Effekte, Drums und umfangreiche Presets.
Straßenpreis: 349 Euro
Multieffektgeräte für Gitarre bis 900 Euro
Headrush Pedalboard
Das Headrush Pedalboard ist einer der vielversprechendsten Newcomer im Bereich der Digitaleffekte. Das Headrush Pedalboard richtet sich mit einer einfachen Bedienung per Touchscreen an Musiker, die von der teils umständlichen Bedienung anderer Effektboards abgeschreckt sind.
Es bietet sowohl für den Live-Einsatz, als auch im Studio gute Sounds für ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis und kann als Komplettlösung oder Pedalboard-Ersatz verwendet werden. Wir haben mit dem Headrush Pedalboard bereits ein kleines Tutorial zum Muse-Sound erstellt:
Die Features sind dem Preis angemessen, wie Du in unserem Headrush Pedalboard Test im Detail nachlesen kannst. Der Auszug des Testfazits spricht für sich: „Das HeadRush Pedalboard ist ein gelungener Alleskönner für Gitarristen und Bassisten mit zwölf Fußschaltern, Expression-Pedal und Touchscreen für zahlreiche virtuelle Amps, Cabinets und Effekte. Der Sound ist flexibel gestaltbar aus überwiegend authentischen, dynamisch ansprechenden Amp-Simulationen sowie guten Effekten und Cabinets.“
Dazu kommen Extras wie Looper, Tuner und USB Audio Interface. Auch Reamping mit einem externen Amp ist damit möglich.
Straßenpreis: 895 Euro
Neuheit: Line 6 Pod Go
Zur diesjährigen NAMM Show wurde der neue Line 6 Pod Go vorgestellt, der das Mid-Price-Segment deutlich aufmischen könnte! Das Multi-FX-Gerät enthält 300 Effekte der beliebten Line 6 Serien: Helix, Legacy und der M-Serie. Diese sind für ihre gute Sound-Qualität hinreichend bekannt. In Kombination sind mit dem Line 6 Pod Go bis zu sechs Effekte, Verstärker bzw. Gitarrenboxen gleichzeitg nutzbar, was für sehr kreative Kombinationen sorgen dürfte.
Der Line 6 Pod Go ist bereits beim Fachhändler deines Vertrauens für einen Straßenpreis von 479 Euro erhältlich.
Multieffektgeräte für Gitarristen in der Oberklasse
Kemper Profiler Stage
Kommen wir nun zu den absoluten Top Geräten im Bereich der Multi-FX. Den Anfang macht der Hersteller Kemper mit dem Kemper Profiler Stage.
Kemper mit dem Realease des ersten Kemper Profiler Amp die Modeling-Technik für Jedermann zugänglich gemacht – bis dato war das Modeling den „Bastlern“ vorenthalten. Grundsätzlich ist das Amp Modeling noch mal als besonderer Bereich der Multi-FX zu betrachten, unterm Strich gehört der Modeling Amp aber zu den Multieffektgeräten.
Mit dem neuen Kemper Profiler Stage wird das Amp Modeling im kompakten Format per Bodentreter angeboten. Neben den hervorragenden Amp-Sounds sind viele hochwertige Effekte an Bord und alles, was man sich als Gitarrist so wünscht. Dazu gehören Metronom, Stimmgerät und außergewöhnliche Einstellungsmöglichkeiten – konzipiert für den noch einfacheren Einsatz auf der Bühne.
Im Kern bietet der Kemper Profiler Stage vor allem eine Alternative für echte Röhrenverstärker – viele Gitarristen haben ihr Bühnensetup bereits abgespeckt und sind auf den Kemper Profiler Stage umgestiegen.
Straßenpreis: 1.599 Euro
Line 6 Helix
Der Line 6 Helix ist das Flaggschiff des Herstellers und wird stetig weiterentwickelt – Software, Updates und Produktableger (z.B. HX Stomp, HX Effect) sind das Ergebnis. Das beliebte Multieffektgerät der oberen Preisklasse ist bekannt für sehr gute Sound-Qualität und umfangreiche Features. Mit 104 Effekten, 50 Amps, 37 Gitarrenboxen, 16 Mikrofonen und 12 Bassverstärkern lässt das Setup kaum Wünsche offen.
Den Line 6 Helix gibt es nicht nur als Bodentreter, sondern auch als Rack-Version, was besonders auch Studiogitarristen und Recording Engineers ansprechen dürfte. Die Anschlussmöglichkeiten sind mit 12 Ausgängen und 10 Eingängen umfangreich ausgestattet.
Straßenpreis: 1.600 Euro
Nicht unerwähnt: Die Fractal Audio FX
Neben dem Kemper Profiler Stage und dem Line 6 Helix ist auch der Fractal Audio AX8 zu nennen.
Fractal Audio hat sich als Hersteller vor allem im modernen Metal Bereich einen Namen gemacht. Das Fractal Audio AX8 bildet den simulierten Verstärker oder Effekt digital nach. Das Gerät richtet sich an Profis, die sich in Sachen Amp Modeling bereits auskennen.
Passend dazu: Kemper Profiling Amp vs. Axe-FX XL