Fingerstyle Gitarre lernen
Die Technik zum Einstieg ins Fingerpicking
Von Jens Bender am 25. Januar 2021
Fingerstyle & Fingerpicking – Inhalt
Was bedeutet Fingerstyle Gitarre?
Einerseits wird der Begriff gleichbedeutend mit »Fingerpicking« verwendet, es geht also um das Lernen von Techniken zum Zupfen des Instruments und damit das Gitarrenspiel ohne Plektrum. Andererseits bezeichnet Fingerstyle auch Gitarrenmusik, die (größtenteils) ohne Gesang auskommt.
So übernimmt die Gitarre in der modernen Spielart die Funktionen einer ganzen Band – Rhythmus, Bassbegleitung und Melodie werden miteinander vereint. Das klingt ungefähr so wie in unserem Video …
Video Tutorial
🎬 Fingerstyle-Gitarre lernen
Fingerstyle Basics + Download
In den anschließenden Vorbemerkungen und den vier Praxiskapiteln lernst Du die Technik in Sachen Fingerstyle bzw. Fingerpicking – Zupfen ohne Plektrum. Gemeinsam betrachten wir die verschiedenen Bestandteile unserer kleinen Vier-Akkord-Sequenz aus dem Intro des Videos für ambitionierte Gitarristen.
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Welche Gitarre brauche ich für Fingerstyle?
Gute Nachricht: Du kannst jede Art von Gitarre nutzen – egal, ob Konzert-, Western- oder E-Gitarre. Die meisten Fingerstyle-Gitarristen nutzen eine Westerngitarre mit Stahlsaiten.
Auch eine klassische Nylongitarre ist denkbar für den Fingerstyle, keine Frage. Im Video ↑ hörst Du ein Klangbeispiel.
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Die richtige Handhaltung
Je nach Musikstil, Tradition oder Vorliebe sind verschiedene Haltungen der Hand bei der Fingerpicking-Technik möglich. Manche Gitarristen platzieren ihre rechte Hand (natürlich ist es die rechte bei Rechtshändern) in der Nähe des Stegs.
Dabei liegt der Daumen fast parallel zu den Saiten und die tieferschwingenden Saiten werden leicht abgedämpft. Eine weitere Möglichkeit ist es, die Hand in der Luft zu halten.
Und dann gibt es noch diese Option: Du kannst den kleinen Finger der Fingerpicking-Hand stützend auf den Korpus drücken. So bleibt die Hand immer an derselben Stelle und die Finger finden nach dem Anspielen der Saite leichter wieder ihre Position.
Die Fingerstütze kann für manche Gitarristen eine hilfreiche Technik sein, für andere fühlt es wiederum unangenehm an. Probiere alle Varianten aus und entscheide dich für die, die dir am ehesten liegt.
Tipps & Tricks für entspannten Fingerstyle
Extreme Krümmungen des Handgelenks sollten Gitarristen beim Fingerpicking definitiv vermeiden, da das auf Dauer sehr schmerzhaft werden kann. Achte auch darauf, dass deine Schulter nicht zu weit nach vorne oder hinten geht.
Außerdem ist es wichtig, dass deine Hand ganz entspannt und locker bleibt. Ich persönlich finde es am angenehmsten, wenn meine Hand beim Fingerstyle in der Luft ist, eine natürliche Verlängerung des Arms bildet und die Saiten ungefähr über dem Schallloch anspielt.
Die Bewegung sollte am besten aus dem ganzen Finger kommen und nicht nur aus dem ersten oder zweiten Fingerglied. Zudem sollte das Handgelenk in der Regel immer an derselben Stelle bleiben.
Längere Fingernägel können beim Fingerpicking helfen, da sie etwas mehr »Attack« liefern (perkussiver Sound mit stärkeren Akzenten auf den Saitenanschlägen). Du kannst aber genauso gut deine Fingerkuppen nutzen, was den Klang beim Fingerpicking etwas »weicher« macht.
Tabulatur – Download
Hier kannst Du dir die Tabs zu den Lektionen kostenlos herunterladen:
» Download: Tabs zum Fingerpickping [PDF]
Fingerstyle-Gitarre lernen – 4 Schritte
1. Wechselbass mit dem Daumen
Wir starten in die Praxis mit einem wesentlichen Bestandteil der Fingerstyle-Technik. Abwechselnd werden der Grundton (auf der 1 und 3) und eine Terz oder Quinte (auf der 2 und 4) gespielt.
Unser Beispiel: Wir wechseln zwischen dem Grundton G im dritten Bund der E-Saite und dem Quintton D, also der leer gespielten D-Saite hin und her. Das geht am besten so:
- Daumen auf die tiefe E-Saite legen
- G-Dur-Akkord greifen
- Wie bei G7, aber ohne Zeigefinger
- Ringfinger: 3. Bund der E-Saite
- Mittelfinger: 2. Bund der A-Saite
- Mit dem Daumen die tiefe E anspielen
- … und dann mit diesem auf die D wechseln (A-Saite überspringen)
Theoretisch brauchst Du den Finger auf der A-Saite gar nicht, da sie nicht gespielt wird. Aber falls Du sie versehentlich erwischst, klingt es angenehmer, als wenn Du sie leer lässt.
Es wird vermutlich ein paar Wiederholungen brauchen, bis der Daumen deiner Picking-Hand sich an seine Rolle gewöhnt hat und Du die Saiten richtig triffst.
Diese Technik ist die Grundlage für viele verschiedene Fingerstyle-Varianten. Eine davon ist das »Folk Picking«, bei dem die Saiten in verschiedenen Kombinationen mal miteinander, mal nacheinander gespielt werden. Genau so geht’s weiter …
Lesetipp: Gitarrensaiten Namen
2. Spiel mit drei Fingern
Um uns an die Akkordfolge aus dem Video ↑ anzunähern, nehmen wir zunächst einen weiteren Finger hinzu. Leg den mittleren Finger unter die H-Saite, also in den Zwischenraum zwischen H- und hoher E-Saite. Greife hierfür den G-Dur-Akkord, wie in der vorigen Übung beschrieben.
- Auf der 1: Mit Daumen und Mittelfinger gleichzeitig die Saiten anspielen
- Auf der 2: Mit dem Daumen auf die D wechseln
- Auf der 3: … auf die E wechseln
- Auf der 4: … und wieder zurück auf die D
Um das Muster fast komplett zu machen, brauchst Du jetzt den Zeigefinger. Dieser ist für die G-Saite zuständig, die auf der Zählzeit »2 « angespielt wird.
Als letztes Element kommt noch einmal dein mittlerer Finger zum Einsatz, diesmal allerdings alleine, und zwar auf »3 und«.
Übe zunächst das gesamte Pattern oder die einzelnen Elemente langsam, bis Du dich sicher fühlst. Dann kannst Du nach und nach die Geschwindigkeit erhöhen.
3. Picking mit Akkordwechseln
Bei diesem nächsten Meilenstein für alle, die Fingerpicking lernen wollen, starten wir abermals auf G-Dur. Zum Ablauf: Das Muster wird bei jedem Akkord zweimal komplett durchgespielt.
Nach dem G-Akkord setzt Du den Mittelfinger auf dem Griffbrett auf den 2. Bund der tiefen E-Saite und spielst das Ganze zweimal.
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Dann wechselst Du zu E-Moll. Jetzt wird es ein bisschen knifflig, da Du beim C-Dur mit dem Daumen zwischen A- und D-Saite wechseln musst. Hier kann es hilfreich sein, mit dem Daumen der linken Hand die untere E-Saite etwas abzudämpfen. Damit schwingt die Saite nicht aus Versehen weiter, was den Klang stören würde.
Jetzt heißt es wieder Üben. Wenn Du das Gefühl hast, dass die Wechsel flüssig funktionieren, erhöhst Du nach und nach das Tempo.
4. Ausschmückung mit einer simplen Melodielinie
Um die Akkordfolge etwas interessanter zu gestalten, ergänzen wir sie um eine einfache Melodie. Den Zeigefinger und den kleinen Finger brauchen wir gleich für die Melodie. Zunächst bleibt die H-Saite leer.
Wir beginnen diese Übung mit einer simplen Variation. Und zwar spielst Du das Pattern auf G-Dur einmal durch. Wenn die Melodie zum zweiten Mal gespielt wird und Daumen und Mittelfinger gleichzeitig auf der 1 die Saiten anspielen, drückst Du mit deinem kleinen Finger den 3. Bund der H-Saite nieder und bleibst hier bis zum Schluss.
Das machst Du jetzt mit jedem Akkord bis zum C-Dur. Diesen greifst Du dann normal mit dem Zeigefinger im ersten Bund der H-Saite und wechselst dann wie gewohnt beim zweiten Durchgang der Melodie mit dem kleinen Finger auf den 3. Bund. Dadurch kriegt die Geschichte mehr Pep.
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Auflockerung der Melodie
Um noch etwas mehr Abwechslung ins Spiel zu bringen, kannst Du Folgendes machen: Zupfe das Pattern auf G-Dur bis zur Zählzeit 3, nachdem der Daumen wieder die E-Saite angespielt hat. Jetzt greifst Du zusätzlich mit dem Zeigefinger den 1. Bund der H-Saite und spielst diese – dem Muster folgend – mit dem Mittelfinger an. Dann, wie gewohnt, beim zweiten Mal den kleinen Finger auf den 3. Bund.
Diese Ergänzung spielst Du auch bei jedem anderen Akkord bis zum C-Dur. Hier angelangt, variieren wir die Melodie noch ein kleines bisschen. Hier greifst Du zunächst, wie Du es gewohnt bist, mit dem Zeigefinger auf dem 1. Bund der H-Saite. Wenn jetzt der Mittelfinger der Picking-Hand zum zweiten Mal an der Reihe ist, lässt Du den Zeigefinger los und gehst dann beim zweiten Takt auf den dritten Bund.
Wie gesagt, erhöhe erst das Tempo, wenn Du in allen Details sicher bist. Wenn deine Picking-Hand wehtut, mach lieber eine Pause oder übe am nächsten Tag weiter. Die Haltung kann nämlich erstmal sehr ungewohnt sein, auch wenn Du alles richtigmachst.
Fingerpicking Video Tutorial
Fazit zum Fingerstyle & Fingerpicking
Die erste Expedition ins Reich der Fingerstyle-Gitarre hast Du gemeistert. Du kennst jetzt die grundlegenden Tipps zur Haltung der Zupfhand, den Wechselbass, die Dreifingertechnik, den Akkordwechsel beim Zupfen und die Ausschmückung der Akkorde mit einer einfachen Melodielinie.
Es gibt zahlreiche Tabulaturen speziell fürs Fingerpicking, die Gitarristen helfen, ihre Finger unabhängig voneinander einzusetzen. Erst wenn Du diese beherrschst, ohne groß darüber nachzudenken, solltest Du dich von den Mustern lösen und dich ans Solospiel wagen, bei dem Du Bassbegleitung, Harmonien, Melodien und Rhythmen flexibel miteinander kombinieren kannst.
Es gibt noch viele andere Techniken, mit denen Du deinen Fingerstyle bereichern kannst. Zum Beispiel »Hammer-On«, »Pull-Off«, »Tapping« oder perkussive Elemente, bei denen die Gitarre quasi als Cajon fungiert. Das Picking im Fingerstyle ist also sehr vielschichtig und komplex, was den besonderen Reiz daran ausmacht.
Welcher Teil ist dir beim Fingerstyle-Lernen am leichtesten gefallen? Und welcher am schwersten? Lass es uns wissen und schreib in die Kommentare. Ich bin sehr gespannt auf deine Fragen, Anregungen und Erfahrungen zum Fingerstyle, ganz ohne Plektrum!