Comping Tutorial
Das perfekte Gitarrensolo
Von Thom Wettstein am 03. April 2017
Was ist Comping?
Selten bis nie schafft ein Gitarrist einen Part auf Anhieb (beim first Take) perfekt einzuspielen. Im Studio werden deshalb mehrere Aufnahmen desselben Parts gemacht und danach zu einem finalen Take zusammengeschnitten.
Arrangiertes oder improvisiertes Solo
Man unterscheidet zwei Arten von Soli:
1. Das arrangierte Solo
Eine zuvor komponierte Melodie wird getreu eingespielt, so dass das Solo auf dem Konzert gleich tönt wie auf der Aufnahme. Das ist vergleichbar mit der Solo-Violine in einem klassischen Orchester. Die Geige hat den Melodie-Part und spielt bei jeder Aufführung dasselbe. Da die Melodie immer identisch ist, wird das Zerstückeln und Zusammensetzten relativ einfach.
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2. Das improvisierte Solo
Bei manchen Stilen ist ein arrangiertes Solo nicht erwünscht. Jazz und Blues leben von der Einmaligkeit des Gitarrensolos. Ein Blues-Gitarrist wird nie zweimal dasselbe spielen. Beim Comping ist das neue Arrangieren des improvisierten Solos gefragt und das setzt ungleich mehr Sorgfalt und Zeit für die Bearbeitung voraus.
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Comping-Technik erklärt
Noch vor ein paar Jahren fehlte eine dedizierte Comping-Funktion bei den gängigen DAWs. Um ein Gitarrensolo zusammenschneiden zu können, nahm man die verschiedenen Takes jeweils auf unterschiedliche Spuren untereinander auf. Man hatte dann gut und gerne mal 20-30 Spuren aufeinandergestapelt – nur für die paar Takte Solo.
Um aus den vielen unterschiedlichen Takes ein einzelnes Solo zu machen, schneidest Du die besten Parts von jeder Spur aus und ziehst diese auf eine neue leere Spur.
Bei komponierten Soli kannst Du einfach die unsauberen Phrasen des ersten Takes mit Elementen der besseren Aufnahmen ersetzen.
Comping bei improvisierten Soli
Bei improvisierten Soli ist die Angelegenheit nicht so einfach. Da Du in jedem Take verschiedene Tonfolgen und Phrasenlängen hast, wirst Du nicht daran vorbeikommen, die einzelnen Teile zeitlich zu verschieben. Das heißt, dass Du einzelne Abschnitte verschiedener Takes in deiner DAW nach links oder rechts rücken musst.
Dedizierte Comping-Funktion für das Gitarrensolo
Moderne DAWs wie Reaper, Studio One, Logic, Cubase und ProTools haben eine eingebaute Comping-Funktion. Dazu bestimmst Du einen Loop in deinem Track und spielst das Solo immer wieder auf die gleiche Spur ein. Am Ende der Prozedur erhältst Du eine einzelne Spur mit vielen Takes darauf.
Ab hier ist das Procedere wie oben beschrieben. Du wählst aus diesen Takes nun deine gewünschten Abschnitte aus und fügst diese zum finalen Solo zusammen.
Das Gute daran ist, dass die Phrasierung (rhythmische Platzierung der Noten im Takt und Lautstärke der einzelnen Töne/Phrasen) gleichbleibt. Somit hast Du schnell die besten Abschnitte der verschiedenen Takes zusammengeschnitten. Das ist übrigens auch für die Aufnahme einer Rhythmusgitarre ein tolles Feature.
Bei improvisierten Soli hingegen taugt die Comping-Funktion nichts. Da in vielen Musikprogrammen die einzelnen Bereiche nicht in der Zeitachse verschoben werden können, bleibt dir fast keine andere Wahl, als die »Old School«-Methode anzuwenden.
Wo schneide ich?
Beachte, dass das Solo-Ausgangsmaterial überhaupt bearbeitbar ist. Eine achttaktige Sechzehntelkette wirst Du selten akkurat schneiden können, da die einzelnen Töne ineinanderlaufen und der Bogen und die Dramaturgie die Phrase verbindet.
Das ist wie wenn Du bei einer Stimme mitten im Wort einen Buchstaben auswechseln musst. Dabei dieselbe Lautstärke, Klangfarbe und Intensität zu finden, ist relativ schwierig.
Kurze Phrasen mit kleinen Pausen sind auch musikalisch sinnvoller. Eine gute Melodie hat genau gleich viele Pausen wie Noten (außer bei Heavy Metal Super-Shredds). Diese Pausen eignen sich bestens, um einen Schnitt zu setzen.
Wie beim Domino hast Du einzelne Phrasen, die hintereinander gereiht werden und mit denen Du dir dein individuelles Solo zusammenstellst.
Mit der Betonung arbeiten
Denke daran, dass die Phrasierung rhythmisch stimmen muss. Du kannst dein Solo-Teilstück nicht einfach auf irgendeine beliebige Position setzen. Achte penibel darauf, dass die einzelnen Noten auf dem richtigen Raster sitzen.
Wenn Du zum Beispiel eine Linie in Achteln spielst, solltest Du diese Phrase nicht um eine Sechzehntel verschieben. Nicht einmal um eine Achtel, sondern mindestens um eine Viertel. Der Grund ist die Phrasierung und die Betonung der Noten – beim Gitarrensolo stimmen sonst zudem die Auf- und Ab-Bewegungen des Plektrums nicht. Das klingt sonst seltsam.
Richtig schneiden beim Comping
Bei ternären oder geshuffelten Grooves ist es noch viel besser hörbar, da die Achtel verschiedene Längen haben. Eine Verschiebung um eine Achtel bringt das ganze rhythmische Gefüge durcheinander.
Shuffle richtig gesetzt
Shuffle falsch gesetzt
Beim neuen Arrangieren deines Gitarrensolos ist die Musikalität das Wichtigste. Vermeide große tonale Sprünge und verschiedene Anschlagstechniken innerhalb einer Phrase. Klar darfst Du unterschiedliche Sounds und Lagen beim Solieren verwenden. Das macht das Solo ja auch interessant. Es sollte aber immer spielbar bleiben.
Fades beim Comping eines Gitarrensolos
Ein Fade am Anfang und am Ende jeder Phrase hilft dabei, die Schnitte zwischen den einzelnen Gitarren-Parts schön sauber klingen zu lassen. Bei einigen Übergängen kannst Du auch eine Kreuzblende (Crossfade) benutzen.
Klangfarbe muss gleichbleiben
Es ist wichtig, dass Du immer denselben Sound verwendest. Immer dieselbe Gitarre, dieselben Einstellungen am Gitarrenverstärker und die Mikrofone am selben Platz.
Klangunterschiede sind für den Hörer sehr gut wahrnehmbar und der soll ja glauben, Du hättest das Solo in einem Guss aufgenommen. Bei Sessions, die länger als einen Tag dauern, sollten gar alle Geräte über Nacht laufen. Damit kannst Du wirklich sicher sein, dass der Sound am nächsten Tag identisch klingt.
Zur Sicherheit: Aufnahme mit DI-Box
Bei verzerrten Gitarrenklängen schwingt der Ton manchmal länger aus, als bei cleanen Sounds. Das hat vor allem mit der Kompression des Signals über die Röhren zu tun. Um unerwünschte Klicks und Knackser beim Schneiden zu vermeiden, nehme ich das Gitarrensignal immer zusätzlich über eine DI-Box auf.
Musik schneiden richtig gemacht
Wichtig dabei ist, dass die beiden Signale – aufgenommene Gitarre über den Amp und Gitarre über D.I. – phasenstarr sind. Das heißt, dass beide Signale in der Zeitachse parallel laufen. Beim Schneiden des Compings bearbeitest Du dann die Spuren simultan. Jeder Cut und jede Verschiebung müssen bei beiden Spuren identisch sein. Hierzu legst Du am besten eine Gruppe mit beiden Spuren an.
Fertiges Comping-Gitarrensolo neu aufnehmen
Das neu zusammengeschnittene D.I.-Solo kannst Du nun wieder via Reamping und Verstärker neu aufnehmen. Der Sound bleibt somit gleich und es macht eher den Anschein, dass das Solo in einem Take eingespielt wurde.
Der Grund hierfür sind die durch die Verzerrung länger klingenden Noten aus dem Amp.
Ein weiterer Vorteil des nachträglichen Comping eines Gitarrensolos ist, dass Du zusätzliche Effekte wie Wah-Wah Pedal, Flanger oder Chorus nutzen kannst. Mit diesen zeitabhängigen Effekten verschmilzt das Solo noch mehr zu einer Einheit.
Takes & Comping Grundlagen
Im Kontext der Audiobearbeitung bezeichnet »Comping« ein Verfahren, bei dem aus mehreren Takes einer Aufnahme die besten Teile herausgepickt und zu einem Clip zusammengefasst werden. Dieser ist dann sozusagen »der perfekte (Frankenstein-)Take«.
In einigen kommerziellen Produktionen wurde das sogar bis auf die Silbenebene der Vocal-Spuren heruntergebrochen – im Extremfall das »Uh« von Take 13 an das »Yeah« von Take 7, gegebenenfalls noch mit Tonhöhenkorrekturen einzelner Schnipsel.
Solange das Comping handwerklich sauber gemacht ist, wird es nicht weiter auffallen und die Frage nach dem »Schummeln« stellt sich nicht, denn sei versichert: Auch die feingeschliffenen Vocals in den Songs großer und talentierter Popstars sind nicht immer One-Takes.
Comping mit Komfort
Zum Comping lassen sich etliche Takes im Loop-Recording aufzeichnen
Moderne Audio-Programme bieten für das Comping sehr komfortable Funktionen. So kann in einigen DAWs im Modus Loop-Recording für jeden neuen Durchgang automatisch eine eigene Spur kreiert werden. Ähnlich bequem ist die Funktion, bei der die einzelnen Takes übersichtlich untereinander aufgereiht werden (vergleiche Bild).
Bei einigen Musik-Bearbeitungs-Programmen ist es längst so, dass gar nicht mehr geschnitten und geklebt werden muss, sondern das Endprodukt des Compings allein aus als bevorzugt markierten Stellen in den einzelnen Takes zusammengesetzt wird.
Schließlich bleibt noch ein ungeheurer Vorteil zu erwähnen: Du kannst etliche, am besten gleich mehrere Dutzend Takes in einem Rutsch aufnehmen und dich später jederzeit aus einem großen Fundus bedienen, ohne dass Du in die Verlegenheit kommst, das Equipment zum Recording erneut aufbauen zu müssen. Ganz zu schweigen davon, dass Du als Produzent beileibe nicht immer die Gelegenheit haben wirst, Vokalisten und Instrumentalisten für neue Aufnahmen antanzen zu lassen.
Fazit zum Comping
Das Gitarren-Comping ist aus modernen Produktionen kaum wegzudenken. Mit genug Geduld und Zeit kannst Du dir das perfekte Gitarrensolo zusammenschneiden – selbst wenn Du nicht als Virtuose geboren wurdest.
Der Zuhörer erhält ein perfektes Gitarrensolo, in dem alle Emotion steckt und die Phrasierungen der Songmessage beiträgt. Wer seine Soli live spielen möchte, sollte dies bei der Neu-Zusammenstellung der einzelnen Phrasen beachten und dementsprechend schneiden.