Musikgenres, die kaum jemand kennt – oder etwa doch?
Von Alexander Schölzel am 01. Januar 2018
Es gibt Musikgenres, die gibt es gar nicht
Nicht ganz unschuldig an immer neuen stilistischen Auswüchsen ist des Menschen liebste Technik: Das Internet. Auf der immer währenden Suche nach neuen Trends und Hypes entstehen unablässig verrücktere Verästelungen.
Besonders im Bereich der elektronischen Musik haben sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte eine ganze Liste an Genres und Subgenres entwickelt. Durch immer schnellere Entwicklungen dauert es zumeist nicht allzu lang und ein scheinbar erfolgreicher Trend verpufft und fällt der rasenden Zeit zum Opfer.
Auf wirklich neuen »heißen Scheiß« warten viele Musikliebhaber oft vergeblich. Nun lässt sich über Musikästhetik zweifelsohne streiten, diese teils Sub-sub-Genres hier, haben es aber meiner Meinung nach unabänderlich verdient, einmal etwas genauer beäugt zu werden.
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Aggrotech
Funker Vogt sind ein Paradebeispiel für diese ausgesprochen gewöhnungsbedürftige Musikrichtung. Musikalisch stark an Techno- und Trance-Musik angelehnt, kommen die Künstler dieses Stils meist aus den Bereichen Hardcore-Electro und elektronischem Industrial Sound. Die Beats sind weitestgehend geradlinig und tanzbar, herausstechend ist hingegen der überdimensionale Brüllgesang. Meiner Ansicht nach ein guter Versuch, die »schwarze Szene« einem breiteren Publikum zu öffnen.
Yardcore
Eine eigenwillige Mischung aus Reggae, Dancehall und Rock. Unverkennbar sind die jamaikanischen »Riddims«. Etwas eigenwillig kommen die abgedrehten Breakbeats im Übertempo daher. Der Gesang scheint sich – von Wut getrieben – beinahe zu überschlagen. Der Titel im Video dauert 4:04 Minuten. Schaffst Du es, ihn bis zum Ende zu hören?
Soviet Bass
Die ideale Musik für Russland-Sympathisanten und Fans von Balkan-Partys. Eine humorlose Mischung aus Marschmusik und kommunistischen Reden, gepaart mit Baile Funk, Moombahton und Trap. Midget Ninjas versuchen mit ihrer Musik, die Schönheit der Sowjets zu zeigen und ihr musikalisches Erbe fortzuführen. Ich sage nur: I.D.M – Ideologische Dance Musik.
Vaporwave
Hättest Du es gekannt? Mir war es bis vor Kurzem noch gänzlich unbekannt, obgleich die Anmutung dieses Internetgenres mit ihrer kitschig daherkommenden Retro-Kultur irgendwas Faszinierendes ausstrahlt. Vaporwave verarbeitet den kulturellen Tonmüll (so zum Beispiel Musik aus Werbespots) unserer Gegenwart.
Das Interessante dabei: Die Interpreten dieses Genres arbeiten in Anonymität. Nicht einmal ein klares Herkunftsland kann diesem Stil zugeschrieben werden, weshalb es sich um ein dezentralisiertes Musikgenre handelt. Den unbekannten Künstlern bleiben somit jedoch auch ressourcenaufwändige Urheberrechtsstreitigkeiten erspart.
2015 ließ sich der Musiksender MTV vom Vaporwave-Design inspirieren und ersetzte bei einem Rebranding die ursprüngliche Erscheinung. Nun herrschen nostalgische Farbschemata aus den Achtziger und Neunziger Jahren vor.
Witch House
Horrofilmliebhaber oder Leser mit dunklen Gedanken unter uns? Seit etwa 2010 macht sich dieses okkulte Musikgenre in den Weiten des Netzes breit. Ein düsterer Abklatsch des Chillwaves mit langsamen, dahinsiechenden Beats und Klanglandschaften. Zu hören sind obskure Samples und entstellte Vocals. Visuell legt dieses Genre viel Wert auf Horror-inspirierte Kunstwerke, Hexerei oder auch Schamanismus. Gerne gesehen sind Unicode-Elemente, wie Kreuze und Dreiecke.
Musikgenres fein säuberlich kartographiert
Falls Du dir einmal einen Überblick über eine Vielzahl der existierenden Musikgenres machen möchtest, jemand hat sich doch tatsächlich einmal die Mühe gemacht und eine Art Karte aller (?) existierenden Stilrichtungen angefertigt. Zu bestaunen gibt es dieses Werk hier.
Na, wo würdest Du dich und deine Musik stilistisch ansiedeln? Produzierst Du für ein spezielles Musikgenre oder magst Du es vielleicht überhaupt gar nicht, in eine bestimmte Schublade gedrückt zu werden?