Die dreistesten Plagiate in der Musik
Von Alexander Schölzel am 28. Oktober 2022
Musik-Plagiate: Musiker am Pranger
Ob nun Pharrell Williams in Zusammenarbeit mit Robin Thicke, Megastar Beyoncé Knowles oder die Beach Boys: Die Liste der Musiker, die sich schon einmal anderswo zu sehr haben inspirieren lassen, könnte noch weit fortgeführt werden. Im Musikgeschäft häufig gang und gäbe, müssen sich nicht selten auch die Gerichte mit dem Thema Song-Diebstahl befassen – das zeigen auch aktuelle Plagiatsfälle.
Ein aktueller Fall als Beispiel: Gegen Queen Bey wurde kürzlich (zum nun insgesamt sechsten Mal) Klage eingereicht. Eine prägnante Zeile ihres Songs »Formation« solle vom toten Rapper Messy Mya abstammen. Speziell in der sich immer mehr spiegelnden Pop-Musik, die teils mit drei Akkorden auskommt, bleiben Ähnlichkeiten nicht aus. Wie eindeutig müssen Plagiate sein, um nicht gleich dem Vorwurf des 432-fachen Diebstahls ausgesetzt zu sein?
Im Folgenden habe ich eine kleine Auswahl an bekannten, vielleicht auch überraschenden Plagiate in der Musik für dich zusammengestellt, die meiner Meinung nach an Doofheit nicht oder nur sehr schwer zu überbieten sind. Denke daran: Gute Komponisten leihen, großartige stehlen.
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Jetzt geht es los mit den bekannten Plagiaten in der Musik.
Paul Kalkbrenner vs Aaron Neville
Wer kennt ihn nicht: der viel beachtete Soundtrack zum Film Berlin Calling enthält unter anderem eine Nummer namens »Aaron«, die mit smoothen 112 BPM dahin gleitet und ein Gefühl der Aufbruchstimmung vermittelt. Damit schaffte es Paul Kalkbrenner spielend, selbst die Menschen jenseits der 55 für sich zu begeistern. Seine Inspiration holte er sich beim Original – inklusive des Titels.
Das ursprüngliche Werk von Aaron Neville geht deutlich jazziger einher. Die charakteristische Gitarre steht ganz zu Beginn relativ frei und lädt geradezu dazu ein, sich zu bedienen.
The Verve vs The Rolling Stones
Ein Rechtsstreit, der mehr als 20 Jahre andauerte und bei dem es um mehrere Millionen Dollar Veröffentlichungseinnahmen ging. Songschreiber Richard Ashcroft bediente sich wissentlich bei einem Streichersample von einer Orchesterversion von „The Last Time“ der Rolling Stones. Allen Klein – ehemaliger Manager der Rolling Stones und Rechteinhaber des Songs – wollte das Sample aber einfach nicht freigeben.
„Bitter Sweet Symphony“ wurde trotzdem im Jahr 1997 als Single veröffentlicht und wurde zu einem der erfolgreichsten Songs aus UK. Richard Ashcroft musste allerdings alle Rechte abtreten und hat nichts für den Erfolg des Songs bekommen. Erst im Jahr 2019 konnte man sich versöhnlich von allen Seiten einigen und Richard Ashcroft erhielt die Rechte am Song zurück.
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Kid Rock vs Warren Zevon
Ein Dauerbrenner ist Kid Rocks »All Summer Long« – war es aber auch schon 1978. Wie das nachfolgende Video beweist.
Im Ursprung heißt der Titel »Werewolves Of London« und stammt von Warren Zevons Album Excitable Boy. Die Ähnlichkeit ist frappierend.
Lana Del Rey vs Radiohead vs Albert Hammond
Ein Plagiatsstreit kann sich auch wiederholen. Zunächst verklagten Albert Hammond und Mike Hazlewood die Band Radiohead für ihren Song „Creep“.
Dieser hat sich ein bisschen zu sehr am Song „The Air That I Breathe“ orientiert. Fortan müssen Hammond und Hazlewood als Co-Autoren genannt werden.
Fast zwei Jahrzehnte später ist es wiederum Lana Del Rey, die für ihren Song „Get Free“ bei Creep ein bisschen zu genau hingehört hat. Auch hier kommt es zum Streit. Der genaue Hergang und Ausgang ist allerdings nicht öffentlich publiziert.
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Nirvana vs Killing Joke
Jeder kennt es, jeder liebt es auch irgendwie – doch bestimmt nicht jeder ist sich des schon sehr dreisten Kopierens Nirvanas bewusst. Ihr Hit »Come As You Are« wurde sogar von Musikwissenschaftlern als eindeutiges Plagiat erkannt.
Das Original stammt von der britischen Punk-Band Killing Joke und heißt in ihrem Repertoire »Eighties«. Die Ähnlichkeit kann man nicht bestreiten. Eine Klage gegen Kurt Cobain wurde nie erlassen, stets wurde seitens Nirvana betont, man sei große Fans von Killing Joke. Schwein gehabt!
The Beatles vs Chuck Berry
Selbst die Urväter der Popmusik The Beatles sind nicht von Plagiatsvorwürfen gefeit. Rhythmus und eine Textzeile des Songs „Come Together“ sollen starke Ähnlichkeiten zu dem Song „You Can’t Catch Me“ von Chuck Berry haben.
Übrigens: Auch dem Solosong „My Sweet Lord“ von George Harrison hat man vorgeworfen, ein Plagiat zu sein.
Coldplay vs Joe Satriani
Inzwischen kann Coldplay mit ihrem Hit »Viva La Vida« knapp eine halbe Milliarde Klicks auf YouTube verzeichnen. Das Werk, dass dem Song mutmaßlich zugrunde liegt, kommt da bei weitem nicht ran.
Joe Satriani´s »If I Could Fly« wurde aber zumindest schon in weiten Teilen der YouTube-Community als Ausgangsmaterial identifiziert und erhält entsprechende Kommentare, die auf Coldplay´s Dreistigkeit hinweisen.
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Oasis vs The New Seekers
Der Song „Shakermaker“ von Oasis sorgte im Jahr 1994 für Aufsehen. Aber nicht nur mit einer ungebündelten Rotzigkeit, für die Oasis berühmt wurden. Der Song erinnerte auch sehr an den Song „I’d Like To Teach The World To Sing“.
Dieser Song wurde ursprünglich für eine Cola Werbung geschrieben. Später wurde der Song dann ein großer Hit für The New Seekers. Es kam zu einem Vergleich zwischen Oasis und den Autoren des Songs, bei dem mehrere Millionen Dollar den Besitzer gewechselt haben sollen.
Robin Thicke & Pharrell Williams vs Marvin Gaye
»Blurred Lines« avancierte zum Super-Hit und erklomm die Charts. Robin Thicke und sein musikalischer Partner Pharrell Williams heimsten eine ordentliche Stange Geld ein. Schade nur, dass sich die Erben Marvin Gayes einmischten, einen gerichtlichen Streit anstrebten und letztlich 7,4 Millionen US-Dollar Entschädigung zugesprochen bekamen.
Man darf der Rechtsprechung nur Zustimmen. Beide Songs ähneln sich doch ziemlich stark. »Blurred Lines« wurde eindeutig vom Song »Got To Give It Up« aus dem Jahre 1977 kopiert, befand das Gericht im sonnigen LA.
Ed Sheeran vs Marvin Gaye
Auch Ed Sheeran soll sich bei einem Song von Marvin Gaye bedient haben. Sheerans Hit „Thinking Out Loud“ soll dem Song „Let’s Get It On“ etwas zu ähnlich sein.
Sheeran kann die erste Klage 2017 abweisen. Als er ein Jahr später erneut auf 100 Millionen Dollar verklagt wird, kann er sich nicht mehr so einfach retten. Der Prozess dauert bis heute an.
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Ray Parker Jr. vs Huey Lewis And The News
Ich verspürte doch ein klein wenig Entsetzen, als ich während meiner Online-Recherche auf dieses offensichtlich plagiierte Schmuckstück stieß. Das Titellied zum gleichnamigen Film »Ghostbusters«, ein Nummer eins Hit in den USA und Frankreich, sollte tatsächlich doppelt existieren.
Kein Wunder also, dass es nicht lange dauerte und Huey Lewis wegen der frappierenden Anlehnung an seinen Song »I Want A New Drug« gegen Ray Parker Jr. klagte. Später gaben die Ghostbusters-Produzenten zu, Lewis’ Lied vorübergehend als Hintergrundmusik in zahlreichen Szenen verwendet zu haben. Letztlich einigte man sich außergerichtlich.
Bruce Springsteen vs Tommy Tutone
Einer, der es auch erfahren musste, ist Bruce Springsteen mit seinem Song »Radio Nowhere«. Die eigentlichen Urheber, die britische Pop-Band Tommy Tutone, konnten mit ihrer Version mit dem etwas sperrigen Titel »867-5309/Jenny« sogar einen Top-10-Hit in den Billboard Hot 100 verzeichnen. Das hinderte Springsteen jedoch nicht daran, dezent abzukupfern.
Ja, ja, es ist und bleibt schwer sich bei der begrenzten Anzahl an Akkorden noch ausreichend von seinen Musikerkollegen abzugrenzen. Zu einem echten Streit zwischen den Künstlern ist es hingegen nie gekommen: Bruce Springsteen sei nunmal der »Boss«, wurden die Bandmitglieder von Tommy Tutone einst zitiert. Sie fühlten sich geehrt.
Sean Kingston vs Led Zeppelin
Sean Kingston konnte mit seinem Song »Me Love« 2008 einige Erfolge verzeichnen. Zwar ist die Stilistik in ein anderes Genre abgewandert, das Original, dass diesem Stück als Vorlage diente, ist aber mehr als deutlich heraus zu hören. Aber hör‘ selbst.
»D’yer Mak’er« schlummerte bestimmt noch auf der Festplatte oder im Plattenregal des findigen Produzenten, der sich für Kingston´s »Me Love« verantwortlich zeichnet. Ist das Kunst oder kann das Weg? In diesem Falle entschied man sich wohl für letzteres.
Forensisch-musikologische Gutachten
Für die gerichtsfeste Ermittlung der Originalität eines Songs gibt es Experten, die Lieder ganz genau unter die Lupe nehmen und analysieren. Eindeutigstes Merkmal ist fast immer die Melodie eines Musikstücks. Daneben gilt es, zu bestimmen, welche Töne benutzt wurden und wie sich der rhythmische Verlauf abzeichnet.
Die Tonart, in der ein Lied geschrieben wurde, spielt dagegen fast keine Rolle. Zusätzliche Indizien können Harmonien, Stilistiken und Interpretationen liefern. Eigens entwickelte Software kommt auch zur Anwendung: Am Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie wurde das Programm »Song2see« entwickelt, mit dessen Hilfe sich automatisch Transkriptionen von Liedern erstellen lassen.
Sogar ein spezieller Detektor für Plagiate wird verwendet, der anhand von eingestellten Parametern (Rhythmus, Intervalle usw.) einen Ähnlichkeitsindex erstellt. Das letzte Wort haben aber weiterhin immer die Gerichte – auch bei diesen Plagiat-Beispielen.
Kennst Du weitere aktuelle Plagiatsfälle unter Musikern? Schreib‘ uns in die Kommentare.