Gear Acquisition Syndrome
Leidest Du auch an G.A.S.?

Gear Acquisition Syndrome (G.A.S.) - zwischen Spaß und zwanghafter Störung
Gear Acquisition Syndrome (G.A.S.) - zwischen Spaß und zwanghafter Störung

Carlos San Segundo Von Carlos San Segundo am 15. März 2020

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Was ist das Gear Acquisition Syndrome?

Das Gear Acquisition Syndrome ist die Tendenz, mehr Musik Equipment oder Instrumente zu kaufen, als durch die Nutzung und/oder den Preis gerechtfertigt wäre.

In seiner stärksten Ausprägung kann dieses Verhalten zwanghaft oder krankhaft sein.

Hintergrund zum Gear Acquisition Syndrome (G.A.S.)

Der Begriff Gear Acquisition Syndrome wurde erstmalig im Jahr 1996 durch den gleichnamigen Artikel im amerikanischen Magazin Guitar Player geprägt. Unter Gitarristen hat sich der Begriff schnell herumgesprochen und wurde wegen seiner Sperrigkeit mit dem Akronmy G.A.S. oder GAS abgekürzt. In der Zwischenzeit ist der Begriff auch bei anderen Musikern nur zu wohl bekannt.


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Ich muss zugeben, dass ich selbst an einer minder heftigen Form des Gear Acquisition Syndrome leide. Im Laufe der Jahre habe ich ein kleines Arsenal an Studiomikrofonen, Gitarren, Kopfhörer, Kabel und sonstigem Musik Equipment angehäuft. Ich verschweige mal geflissentlich, was ich noch alles gekauft habe. Das wäre ja an sich gar nicht so schlimm, wenn es nicht so viel Geld kostete und mich bisweilen am Musik machen hinderte, oder?

Obwohl wir mit einem zwinkernden Auge über diesen inneren Drang schreiben, ständig neues Musik Equipment für das Tonstudio zu kaufen: Dahinter versteckt sich tatsächlich ein ernstes Thema. In wirklich schlimmen Fällen kann dieser Drang ausarten und auch als krankhaft oder eine Zwangsstörung bezeichnet werden.

Dopamin-Ausschüttung beim Kauf

Schaue ich mir einige Gruppen in sozialen Medien an, dann erscheint mir offensichtlich, dass das Gear Acquisition Syndrome Auswüchse annehmen kann, die gelinde gesagt schwierig sind. Ob es jetzt als Linderung irgendwelcher Ängste oder eher in Form einer Kaufsucht auf der Suche nach dem kurzen Glücksgefühl sei – wir alle sind dem ausgesetzt. Die Instrumentenhersteller befeuern unsere unbändige Lust darüber hinaus mit ihrem Marketing.

Jemand, der am Gear Acquisition Syndrome leidet, kauft impulsiv Gitarren, Synthesizer oder andere Musikinstrumente und die dazugehörige Ausrüstung. Dabei sammelt derjenige mehr Ausrüstung an, als er realistischerweise je verwenden wird können.

Die Gefahr: Dass die Beschaffung neuer Ausrüstung die Belohnungs- und Stresssysteme unseres Gehirns verändert. Es werden die Hirnregionen aktiviert, die der Belohnungsverarbeitung zugrunde liegen – z.B. die geradezu erotischen Glücksgefühle, die mit dem Kauf einer neuen Vintage Gibson Les Paul und dem dazugehörigen Gitarrenverstärker verbunden sind.

Ein Auslöser kann Stress sein, der ein Ungleichgewicht zwischen den mit Belohnung und Stress verbundenen Hirnregionen verursacht. Um diese Angst zu lindern, kaufen wir dann das nächste Effektpedal, das ohnehin keinen Platz auf unserem Floorboard finden kann.

Hilfe bei Gear Acquisition Syndrom

Solltest Du dein G.A.S. nicht im Griff haben, kannst Du dich vertrauensvoll an diese Stellen wenden:

  • Psychotherapeutin/Psychotherapeut
  • Psychiaterin/Psychiater
  • klinische Psychologin/klinischer Psychologe

Außerdem kannst Du die Telefonseelsorge anrufen, um deinen Fall zu schildern: 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 oder 116 123 (der Anruf ist kostenlos).

Top 5 Wege, das Gear Acquisition Syndrome zu besiegen

Stop! Es ist nicht notwendig, dem Drang immer nachzugehen. Hier sind fünf Wege, die dir dabei helfen, das Gear Acquisition Syndrome zu bekämpfen.

1. Mieten, tauschen oder ausleihen

Ganz gleich, ob Du eine bestimmte Gitarre für deine neueste Kreation suchst, deine besten Audio Plugins ersetzen oder einfach nur mal im Musikladen deiner Wahl auf Besichtigungstour gehen möchtest. Du musst ja nicht gleich kaufen. Du kannst dir das Musik Equipment bei deinen Freunden leihen oder einfach mieten bei einschlägigen Firmen.

Du musst nur darauf achten, dass das Leihen oder Mieten nicht einfach dauerhaft den Kauf ersetzt und dich die Kosten hierfür auffressen.

2. Gebraucht oder billiger kaufen

Muss es tatsächlich die Vintage Re-Issue für 5.000 Euro sein? Oder könnte nicht auch eine günstigere Variante für den gleichen Sound herhalten? Klar, jeder möchte den klassischen Neve-Sound in der Mischung. Aber einen sehr ähnlichen Sound bekommst Du schon aus diversen Plugins, die nicht einmal 1% des Originals kosten.

Und Du kannst auch auf eBay & Co. gebraucht zuschlagen – bereits genutzt Musikinstrumente, insbesondere der nicht gerade mega-bekannten Marken kosten nur „einen Appel und ein Ei“. In Sachen Qualität können die aber oftmals super mithalten.

3. Leg deine Obergrenze fest

Wenn Du diszipliniert bist, kannst Du dir einfach ein Limit für deine Ausgaben festlegen. Und dich daran halten. Ein solches Budget ist dabei sogar recht flexibel: Wenn Du dich daran hältst, wirst Du zum einen eine Menge Geld sparen (das Du beiseite legen kannst oder für dein neuen Moped ausgibst). Vor allem aber sorgst Du damit, dass es zu keinen Problemen bei der Mietzahlung kommt.

4. Lerne dein Equipment besser kennen

Hand aufs Herz: Kennst Du wirklich jedes deiner Plugins in- und auswendig. Hast Du schon jedes deiner Instrumente in deinen Songs verwendet? Nimm dir doch mal Zeit, deine Instrumente und dein Equipment (neu) kennenzulernen und aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

5. Grenzen bedeuten Kreativität

Als ich seinerzeit nur ein halbes Megabyte Speicherplatz für Samples hatte, machte mich das kreativ. Ich musste die Samples in ihrer Tonhöhe hochpitchen, damit sie kürzer wurden und damit weniger Platz eingenommen haben. Manche Samples wurden gleich zweifach verwendet und mit unterschiedlichen Effekten bearbeitet.

Eine Begrenzung der Möglichkeiten sorgt für ungeahnte Kreativität, wie auch unzählige Profis schon gezeigt haben von von Beatles (Aufnahmen in Mono) über White Stripes (nur zwei Instrumente + Gesang) bis Beck (der so lange auf das Laden der Software warten musste, dass er in diesen unerwünschten Pausen seine Samples fand).

Schlusswort zum Gear Acquisition Syndrome

Müssen wir uns jetzt alle Sorgen machen, wenn wir das nächste Instrument kaufen? Ich denke nicht, solange das normale Leben weiter geregelt läuft und es auch genügend Glücksmomente außerhalb der Dopamin-Ausschüttung nach einem Kauf gibt. Was wir alle nie vergessen sollte, ist, weswegen wir überhaupt hier sind: die Musik.

Es sind nicht die Werkzeuge, die das Musikstück zu dem machen, was es ist. Es sind der Künstler, das Songwriting und sein Talent. Verschwenden wir also nicht allzu viel Zeit damit, über die fehlenden oder defizitären Werkzeuge nachzudenken und feilen lieber an unserem Können und schreiben den nächsten Song.

Dem Zuhörer geht es nur darum, ob deine Musik ein Gefühl vermittelt oder nicht. Wenn dich also das nächste Mal das G.A.S.-Phantom verfolgt: Warum nimmst Du nicht einfach das nächstbeste Instrument zur Hand und beginnst damit, deine Gefühle in Musik zu verpacken?

Verrate mir und den anderen Lesern: Wann hat dich das letzte Mal das Gear Acquisition Syndrome gepackt? Und was hast Du gekauft? Schreib es mir in die Kommentare!

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