Rührend
Diese Straßenmusiker haben es verdient, gehört zu werden
Von Alexander Schölzel am 05. Juni 2018
Straßenmusiker leben ihren Traum
Ich denke, vielen geht es so wie mir: hört man in Fußgängerzonen aus der Ferne vom Wind getragene Töne – schöne, manchmal auch ein paar schiefe Töne – freut es mich.
Hier in Darmstadt gibt es ein freundliches Duo bestehend aus einer Frau am Cello und einem Mann am Akkordion. Unverkennbar handelt es sich bei diesen beiden um professionelle Musiker, die ihre Kunst nach draußen bringen und fremden Menschen das Herz erwärmen möchten. Man erkennt es schon an den konzentrierten, aber doch verträumten Gesichtsausdrücken. Hier kann man keinesfalls vom für Straßenmusik gewöhnlich niedrigeren künstlerischen Niveau sprechen.
Die beste Zeit eines Musikerlebens?
Wo es manchen noch um die Übung ihrer Fertigkeiten gehen wird, scheinen andere von verschiedenen Motiven angetrieben zu sein. Erlangung von Bekanntheit, erste Erfahrungen mit einem fremden, neutralen Publikum sammeln oder auch als eine Art Beitrag zu sozialen Bewegungen – Straßenmusik erfreut sich zunehmender Beliebtheit und konnte sich in den vergangenen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als Form der Kleinkunst festsetzen.
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Manch großer Künstler begann seine Karriere auf der Straße. Rod Stewart bespielte in den 60er Jahren die Straßen von Paris und bezeichnet diese Zeit noch heute als die schönste seines Lebens.
Freiheit mit Grenzen
In den 70er und 80er Jahren sind es oft noch politische Antriebe gewesen, die die Musikschaffenden hinaus auf die Straßen trieben, um den unbedachten Passanten ihre Botschaften zu vermitteln. Es scheint, als seien mit zunehmender Not, derer sich viele Straßenmusiker unterlegen fühlen, auch Regeln und Verbote hinzugekommen.
Städte und Kommunen versuchen, mit Genehmigungen, Beschränkungen der Spielzeit oder erlaubter Instrumente dem Künstlertum Einhalt zu gebieten. Die Stadt München nimmt es am genausten: täglich werden nur zehn Lizenzen an Straßenmusiker vergeben. Jeder, der seine Kunst im öffentlichen Raum darbieten möchte, muss zuvor im Rathaus vorspielen. Somit soll die Qualität der Musik im Stadtbild gesteigert werden.
Die Stadt München darf gerne als rigoros im Umgang mit Straßenmusikern betrachtet werden: Instrumente wie Trompete, Saxophon, Dudelsack und Schlagzeug jeglicher Art sind generell untersagt. Ob sich die nachfolgenden Musiker zunächst auch durch den Behörden-Dschungel kämpfen mussten, ist nicht weiter bekannt. Ihre Performances hingegen glänzen auch ohne Lizenz und Genehmigung.
Was ich als Straßenmusiker beachten muss
Wie das Münchner Beispiel zeigt, gibt es je nach Stadt einiges zu beachten:
- Lärmpegel von über 60 dB gilt es zu vermeiden.
- Vielerorts darf Straßenmusik nur werktags zwischen 07:00 und 20:00 Uhr aufgeführt werden.
- Nach maximal einer Stunde solltest Du deinen Standort ausreichend weit verlagern.
- Mancherorts dürfen nicht mehr wie fünf Personen gruppiert auftreten.
- Lärmintensive Instrumente (Posaune, Trommeln etc.) könnten verboten sein.
- Elektrische Verstärker sind sehr häufig untersagt.
Generell solltest Du dich im Vorfeld auf der Website der jeweiligen Stadt informieren oder das zuständige Ordnungsamt kontaktieren. Hier bekämst Du – falls erforderlich – auch deine Genehmigung.
Straßenkunst kann das Stadtbild wesentlich beleben. Was für eine kulturelle Bereicherung speziell die Straßenmusik sein kann, zeigen dir nun die folgenden Beispiele.
Platz #5: Gordo Drummer in Sydney
In München sicherlich chancenlos und nicht geduldet, zeigt »Gordo Drummer« hier in Sydney, was er kann. Sein kläglich anmutendes Drum-Set bestehend aus leeren Eimern beherrscht er wie kein anderer. Wer übrigens angetan ist von seiner Kunst, muss nicht bis nach Australien reisen, um ihm ein paar Geldstücke zukommen zu lassen. In modernen Zeiten und dem Internet sei Dank, kannst Du Gordo hier eine Spende zukommen lassen.
Platz #4: John Paki in Neuseeland
Wie der Klang des Saxophons die Straßenschluchten füllt, ist schon bemerkenswert. John Paki packte der Wille, den Menschen mitten in Neuseeland im Trubel des Alltags eine Freude zu machen und sie mit seiner Kunst zu beschenken.
Platz #3: Bryson Andres in Downtown Spokane
Zugegeben, auch dieser talentierte Kerl hätte es mancher Orts schwer, denn Verstärker dieser Größenordnung sind nicht gern gesehen. Aber seine Performance strahlt dafür umso mehr. Bryson Andres hat mit seinem Violinen-Spiel schon eine feste Fan-Base erschaffen und erfreut sich nicht nur in seiner Heimat den USA großer Beliebtheit.
Platz #2: Rodger Ridley – Third Street Promenade in Santa Monica
Seine Stimme war herausragend. Spielerisch schaffte er, es Menschen zu begeistern – egal an welchem Ort. Rodger selbst sagte, sein Job sei es, ein wenig Freude in die Welt zu bringen. Als ihn der Tontechniker Mark Johnson bei seiner Performance zu »Stand By Me« sah, rief er kurzerhand das Projekt »Playing for Change« ins Leben. Ein Multimedia-Projekt, das unter anderem auf der ganzen Welt Musikschulen für Kinder baut. Rodger Ridley starb am 16. November 2005 im Alter von nur 57 Jahren.
Platz #1: Natalie Trayling in Melbourne
Die Geschichte hinter dieser Künstlerin ist so berührend wie ihre Musik: über Dekaden hinweg spielte Natalie Trayling in den Straßen von Melbourne Klavier. Sie fand mal mehr, mal weniger Beachtung. Neben dem Verlust ihrer beiden Töchter und Erfahrungen als Obdachlose, half ihr die Musik immer durch schwere Zeiten.
Das Stück, das sie hier spielt, begann sie bereits mit 13 Jahren zu komponieren. Heute, mit 80 Jahren, erlangte sie Berühmtheit. Inzwischen erzielte das Video über sieben Millionen Klicks auf YouTube und wurde in den Medien viel beachtet.
Wie stehst Du zu Straßenmusikern?
Hast auch Du einmal deine ersten Gehversuche vor Publikum auf der Straße gemacht? Wie empfindest Du Straßenmusiker im Stadtbild? Gibt es auffallend gute Beispiel aus deiner Umgebung?