Was ist Phasenverschiebung?

Phasenverschiebung - Damit Du weißt, was Phase ist
Hier wird dir klar, was Phasenverschiebung ist - Damit Du weißt, was Phase ist ;)

Von Felix Baarß am 27. September 2016

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Phase, Phasenverschiebung & Co. in der Musikproduktion

Was hat es mit der Phase, der Phasenverschiebung und Phasenauslöschung bei Audiosignalen auf sich? Und wie kannst Du davon profitieren, wenn Du dich in diesem Ratgeber ausführlich darüber erkundigst? Hier schon mal die Antwort auf die zweite Frage:

Die Phase ist überwiegend dann von Belang, wenn Du zwei oder mehr (annähernd) identische Signale zusammenmischst. Wenn eines der Signale in Relation zum anderen verzögert (mit verschobener Phase) erklingt, können sie sich in die Quere kommen. Konkret: Wie hört sich eine Phasenverschiebung an? Es kommt zum Beispiel zu einem seltsam »dünnen«, in der Monomitte abgeschwächten Sound. Hier ist ein relativ dezentes Beispiel:

In anderen Fällen kommt es zu kompletter Stille – weiter unten erfährst Du im Detail, warum das so ist. So weit reicht also das Spannungsfeld zwischen einer leichten Verschiebung der Phase bis hin zur Phasenauslöschung.


PASSEND DAZU


Zuerst klären wir den Begriff der Phase und die daraus resultierenden Phänomene. Weiter unten erfährst Du mehr über deren Entstehung, Vermeidung und künstlerische Anwendung. Los geht’s …

Phase

Zur Verdeutlichung aller Begriffe, die sich rund um die Phase eines Signals drehen, verwenden wir in allen Illustrationen sinusförmige Wellen. Sinustöne in ihrer Reinform werden dir beim Abmischen eher selten begegnen, doch zur Verdeutlichung der Thematik sind sie ideal geeignet. (Schall-)wellen schwingen in mehr oder minder regelmäßigen Zyklen.

Phase

Die Gradzahl gibt nun die Stelle innerhalb eines Schwingungsdurchgangs von 0° bis 360° an – man spricht im Zuge der Beschreibung von Wellen von einer Periode, in unserer Darstellung oben durfte dieser Begriff also nicht fehlen.

Phasenverschiebung (engl. »phase shift«)

Hier sind die zwei Wellen um 90° gegeneinander verschoben. Wenn wir annehmen, dass die erste Welle dem Sollzustand entspricht, kann die zweite durch ihre Verzögerung als »aus der Phase« geraten bezeichnet werden (engl. »out of phase«). Man spricht auch vom Versatz der Phase bei einem Signal.

Phasenverschiebung

Zu den Auswirkungen einer solchen Verzögerung auf den Klang kommen wir gleich. Zunächst: Was passiert, wenn diese genau 180°, also die Hälfte einer Periode beträgt?

Phasenauslöschung (engl. »phase cancellation«)

In der folgenden Abbildung ist eine Überlagerung zweier Wellen zu sehen, bei der sich die Signale vollständig neutralisieren. Das Resultat ist Stille. Das ist das Extrembeispiel für den Zustand der Verschiebung, der auch als »aus der Phase« bezeichnet wird.

Phasenauslöschung

Meist sind die klanglichen Auswirkungen einer Verschiebung der Phase recht komplex. Schließlich sind die gemischten Klänge der meisten Musikstile sehr heterogen, zudem selten um exakt 180° gegeneinander verschoben. Statt einer kompletten gegenseitigen Aufhebung (Phasenauslöschung) kommt es daher viel häufiger zu Abschwächungen in bestimmten Frequenzbereichen, während andere unter Umständen verstärkt werden. Für gewöhnlich sind die Auswirkungen am deutlichsten im Bassbereich zu hören, daher auch das eingangs angesprochene Phänomen des »dünnen« Sounds.

Mehr dazu: Was ist der Kammfiltereffekt? »

Eine weitere mögliche Auswirkung ist etwa das Verschwinden der zentralen Anteile eines Stereosignals (jene, bei denen das Panning stur mittig ist), während die Sounds, die maximal nach links oder rechts gedreht wurden, verbleiben.

Wie entsteht Phasenverschiebung?

1. Aufnahme mit mehreren Mikrofonen

Eine ungünstige Platzierung der Mikrofone bei der Aufnahme mit mehreren Mikros gleichzeitig ist der häufigste Grund für Phasenverschiebungen. Ein klassisches Beispiel wäre etwa die Overhead-Mikrofonierung eines Schlagzeugs – wenn die beiden verwendeten Mikrofone unterschiedlich weit von der Schallquelle entfernt sind, kommt der Schall bei einem der Overhead-Mikrofone auch etwas später an. Verzögerung ergibt Phasenverschiebung.

Wie es Murphy so will, ist dieser Unterschied im Abstand oft etwa so groß, dass die Verschiebungen und damit die klanglichen Ungereimtheiten sehr stark sein können.

2. Aufnahme mit einem einzigen Mikrofon

Doch auch die Abnahme mit einem einzigen Mikrofon kann zur Phasenverschiebung führen. Diese lassen sich entweder gar nicht oder nur sehr aufwändig »reparieren«.

Phasenverschiebung bei der Aufnahme mit einem Mikrofon
Wer nur ein Mikro nutzt, ist noch lange nicht vor Phasenverschiebung gefeit

Das geschieht, wenn das Mikro nicht nur den auf geradem Wege auf die Mikrofonkapsel treffenden Schall aufzeichnet (quasi »in Luftlinie«), sondern auch den von Boden, Wänden oder Decke reflektierten. Schall breitet sich schließlich zunächst kugelförmig aus und Wellen, die das Mikrofon erst nach einer Reflexion erreichen, geraten durch ihre zeitliche Verschiebung aus der Phase.

3. Weitere mögliche Ursachen für Phasenverschiebung

Freilich gibt es noch andere Quellen für Probleme mit der Phase als die Mehrfachmikrofonierung oder die Raumakustik. Nämlich generell alles, was Verzögerungen eines Signals im Vergleich zu einem anderen bewirkt:

  • Effektgeräte, die das Signal verzögern
  • Plugins in einer DAW ohne automatische Latenzkompensation
  • Ein Equalizer, sofern es sich nicht um einen linearphasigen EQ handelt
Voxengo Marvel GEQ
Voxengo Marvel GEQ – ein phasenlinearer EQ

Ein Beispiel für einen linearphasigen Equalizer (englisch: »Linear Phase EQ«) wäre der Voxengo Marvel GEQ   für Windows & Mac OS X. Er erhält eine konstante Phasenverschiebung (Signalverzögerung) über den fgesamten Frequenzbereich hinweg. Ein normaler EQ führt hingegen in verschiedenen Tonhöhen unterschiedlich starke Phasenverschiebungen ein. In der Regel ist das aber nicht dramatisch, sondern sorgt nur für eine gewisse Färbung, die dem linearphasigen EQ nicht zueigen ist.

Alles dazu hier: Was ist ein Linear Phase EQ? »

Phasenkorrektur

Bisher ging es um die Phase, die möglichen Ursachen für ihre Verschiebung und die klanglichen Folgen. Jetzt kommen wir darauf zu sprechen, wie Du die Phasenverschiebung entweder eliminieren oder zu deinen Gunsten künstlerisch bewusst einsetzen kannst.

Überprüfe zuerst, ob alle Elemente in deinem Stereomix auch in Mono noch zu hören sind. Das kann sehr wichtig sein, wie Du in unserem Artikel über die Monokompatibilität nachlesen kannst. Beim Abhören in Mono treten viele Probleme mit der Phase überhaupt erst zutage.

Die Methoden zur Korrektur ergeben sich aus den eben genannten möglichen Ursachen für die Entstehung von Phasenverschiebungen:

1. Verwende weniger Mikrofone und/oder platziere sie anders

Oft reicht es aus, sie nur ein kleines Stück zu bewegen.

2. Überprüfe, welche Effektgeräte Verzögerungen bewirken

Dann kannst Du entscheiden, ob diese wirklich benötigt werden oder ob Du noch etwas an den Parametern schrauben kannst, damit sich die Phasenverschiebung nicht mehr negativ auswirkt.

3. Gleiche die Latenzen der Spuren in deiner DAW an

Falls das nicht automatisch geschieht oder trotz automatischer Kompensation Nachhilfebedarf besteht, gibt es spezielle Plugins zur Justierung der Phase. Diese kostenlosen Tools reichen völlig aus:

4. Verschiebe den Audioclip auf der Spur in deiner DAW

Der Natur einer Phasenverschiebung gemäß reich es, den Clip nur um eine Winzigkeit nach links oder rechts zu verschieben (evtl. stark hereinzoomen und das Einrasten am Gitter ausschalten).

Übrigens: Es gibt Geräte bzw. Plugins, die die Phase um eine beliebige Gradzahl zwischen 0° und 360° fließend verschieben können. Hier ist etwa das kostenlose BetabugsAudio PhaseBug  für Windows zu nennen.

Polaritätsumkehr (landläufig: »Phasendrehung«, »Phasenumkehr« o.Ä.)

Eine Phasenauslöschung ist leicht durch eine Umkehr der Polarität des Signals (engl. »polarity reversal«) zu beheben. Auf den meisten Mischpulten und in einigen DAWs gibt es auf jeder Spur bzw. jedem Mixerkanal neben den üblichen Schaltern für Solo & Mute einen Knopf für die Phasenumkehr, in der Regel ist der mit dem Symbol Ø beschriftet.

Musiker und Tontechniker bzw. Produzenten, die es nicht so genau nehmen, sprechen hier gerne von »Phasendrehung« bzw. »Phaseninvertierung« oder »Phasenumkehr«. Das ist irreführend. Schließlich wird das betroffene Signal dabei gar nicht horizontal auf der Zeitachse (in der Phase) verschoben (oder gar gespiegelt, wie man bei »Phasenumkehr« denken könnte). Vielmehr wird die Polarität, also die vertikale Ausrichtung der Welle umgekehrt. Die Wellenform wird quasi um die horizontale Zeitachse gespiegelt.

Verständlich ist dieser Sprachgebrauch aber durchaus, denn die Wirkung der Polaritätsumkehr ist oft derselbe oder sehr ähnlich wie der einer Phasenverschiebung um 180°. Eine identische Wirkung haben diese beiden Vorgänge aber nur bei einer rein sinusförmigen Welle – siehe Abbildung zur Phasenauslöschung.

Phasenverschiebung als künstlerischer Effekt

Ergänzend sei angemerkt, dass die Verschiebung der Phase natürlich auch gewollt sein kann bzw. gerne mitgenommen wird, wenn sich daraus ein interessanter Sound ergibt. Nicht zuletzt bei dem obigen Beispiel mit der Erstreflexion der Gitarrenbox.

Außerdem lassen sich die kleinen Verschiebungen auf der Zeitachse in modulierter Form (schwingend) mit einem Phaser oder mit einem Flanger als künstlerischer Effekt einsetzen.

Adam Szabo Phazor
Adam Szabo Phazor

Mit dem Adam Szabo Phazor   steht ein guter kostenloser Phaser für Windows und Mac OS X zur Verfügung. Hier oben siehst Du ihn abgebildet.

Wenn dir dieser Artikel zur Phasenverschiebung gefallen hat, würden wir uns freuen, wenn Du ihn in deinem Lieblingsforum bzw. auf Facebook, Twitter und sonstigen sozialen Netzwerken mit deinen Freunden teilst. Konstruktives Feedback, fundierte Kritik, Ergänzungen, Relativierungen, Fragen, Anregungen zur Verdeutlichung bestimmter Aspekte im Dunstkreis der Phase etc. sind herzlich willkommen. Danke!

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