Klirrfaktor Erklärung
Was Du über den Klirr wissen musst
Von Felix Baarß
Was ist der Klirrfaktor?
Im Audiobereich beschreibt der Klirrfaktor, wie stark ein Signal durch Verstärker und andere Geräte(-komponenten) mit Obertönen angereichert wird. Diese Obertonanteile nennt man »den Klirr«. Der Klirrfaktor ist ein Maß für die Klangqualität – Mikrofone, Vorverstärker, Mischpulte, Tonbandgeräte, Audio Interfaces, Leistungsverstärker, Lautsprecher etc.
Klirr ist naturgemäß von Nachteil, wenn es im Studio um die höchstmögliche Klangtreue bei Aufnahme, Verarbeitung oder Wiedergabe geht. Im künstlerischen Prozess kann er hingegen für einen warmen, satten, präsenten Sound sorgen – etwa durch bewusst übersteuerte Röhrenverstärker. Die Begriffe »Klirr« und »Klirrfaktor« werden jedoch fast ausschließlich bei unerwünschten Signalbeimengungen verwendet.
Wie entsteht Klirr?
Die Ursache für Klirr sind sogenannte nichtlineare Verzerrungen. Das sind jene, die nicht einfach nur die Amplitude des Ursprungssignals erhöhen (und damit den Pegel, also die Spannungsstärke und die Lautstärke nach Vertonung per Kopfhörer/Lautsprecher), sondern deren Wellenform und damit den Charakter des Klangs ändern.
PASSEND DAZU
- Video Kopfhörer kaufen: Impedanz & Ohm Erklärung
- Video Kopfhörer kaufen: Was Du VOR DEM KAUF wissen musst
- Audio-Technica AT2020 Test: Kondensatormikrofon für Einsteiger
- Was ist ein dynamisches Mikrofon?
- SPL Phonitor x: Umfangreicher Kopfhörerverstärker
Durch nichtlineare Verzerrungen entstehen Obertöne. Das sind ganzzahlige Vielfache der Frequenz(en) des ursprünglichen Signals – lies im nachfolgend verlinkten Artikel alles darüber und hör dir vor allem das erste Klangbeispiel mit der Obertonreihe an:
Der Klirrfaktor steigt insbesondere dann recht stark, wenn das Signal an einem bestimmten Schwellenwert »abgeschnitten« wird. Das Zauberwort ist Clipping und auch dazu haben wir einen ausführlichen Artikel für dich parat – FAQ: Was ist Clipping?
THD & THD+N vs. Klirrfaktor
Sehr oft findet sich auch im deutschen Fachsprachgebrauch das englische Akronym »THD« – es steht für »total harmonic distortion«, was direkt übersetzt »gesamte harmonische Verzerrung« heißt und bei der Angabe in Dezibel als »Klirrdämpfungsmaß« bezeichnet wird.
Klirrfaktor und THD sind nicht das Gleiche:
- Klirrfaktor = Verhältnis des Obertonanteils zum Gesamtsignal (Obertöne + Grundton)
⇨ Angabe in % - THD = Verhältnis des Obertonanteils zum Grundtonanteil
⇨ Angabe in % oder dB (Dezibel)
Der Knackpunkt
Bei den vergleichsweise geringen Verzerrungen zeitgenössischer Elektronik nähern sich die Werte von Klirrfaktor und THD weitestgehend an.
Selbst auf der Website von hochrenommierten Kollegen wie Dipl.-Ing. Eberhard Sengpiel († 2014) ist manchmal leger von »Klirrfaktor (THD)« die Rede und an anderer Stelle werden die Begriffe offenkundig synonym verwendet. Akkurater wäre wohl das im englischen Fachsprachgebrauch übliche THDR (»R« für »root mean square«) und damit das exakte Äquivalent von »Klirrfaktor« – zugrunde liegt dabei die Summierung der Effektivspannungen aller Obertöne.
Bei der Angabe von »THD+N« fließt neben dem Klirrfaktor auch das Grundrauschen des betreffenden Geräts in den Wert ein. So werden die wichtigsten Nebengeräuschquellen in einer Aussage vereint, um der tatsächlichen Klangqualität in der Praxis näherzukommen.
Klirrfaktor in Dezibel oder Prozent?
Es folgt eine Orientierungshilfe für die Umrechnung von Klirrdämpfungsmaß (dB) in THD (%) oder umgekehrt. So kannst Du die abweichenden Spezifikationen von verschiedenen Produkten vergleichen:
20 dB = 10 %
40 dB = 1 %
60 dB = 0,1 %
80 dB = 0,01 %
100 dB = 0,001 %
[…]
⇨ Ein um 20 dB erhöhtes Klirrdämpfungsmaß entspricht einer zehnmal kleineren THD.
Manchmal findet sich auch ein negativer Dezibelwert – das ist lediglich eine andere Betrachtungsweise, der Zahlenwert bleibt gleich. Es handelt sich dann nicht um das Klirrdämpfungs-, sondern das Klirrverstärkungsmaß.
Wann und wie wird der Klirrfaktor hörbar?
Wie stark der Mensch den Klirr wahrnimmt, hängt davon ab, in welchen Frequenzbereichen des Klangs er auftritt.
- Im Bass (bis ~150 Hz) wird ein Klirrfaktor von 5 % meist gar nicht wahrgenommen
- Im »Präsenzbereich« (~1.000 – ~4.000 Hz) können schon 0,5 % klar hörbar sein
Auch die Beschaffenheit des Signals (in der Musik: die betroffenen Instrumente, Stimmen und sonstigen Klänge) ist entscheidend dafür, wie sehr das Klirren zutage tritt. Der Klang eines Flöten-Ensembles ist sehr »anfällig« (ab ~0,5 % kann das Klirren schon zu hören sein), da Flötentöne reinen Sinuswellen vergleichsweise nahe kommen und damit nur wenige, schwach ausgeprägte Obertöne aufweisen. Beim Schlagzeug und sonstigen Quellen, die schon von sich aus reich an Obertönen sind, sieht das ganz anders aus.
Außerdem werden gerad- und ungeradzahlige Obertöne unterschiedlich wahrgenommen – im oben verlinkten FAQ-Artikel zum Thema der Obertöne findest Du mehr dazu, darunter auch separate Klangbeispiele dieser beiden Obertontypen. An dieser Stelle nur so viel: Vereinfacht gesagt klingt bei einem Transistorverstärker der gleiche Klirrfaktor in der Regel nicht so stimmig (umgangssprachlich weniger »harmonisch«) wie bei einem Röhrenverstärker.
Wie entscheidend ist der Klirrfaktor tatsächlich?
Beim Mastering und wenn dir nur das Beste gut genug ist, lohnt sich ein Blick auf den Klirr. Bei der Gegenüberstellung mehrerer Geräte stellt sich die Frage, ob die Werte unter den gleichen Testbedingungen ermittelt worden sind. Frage die Hersteller im Zweifelsfall, welche Frequenz (üblich: 1 kHz) und welchen Pegel der Testton hatte. Über die eventuell abweichenden Pegelangaben (db(A), ungewichtete Dezibel etc.) findest Du hier weitere Auskünfte → FAQ: dB, dBFS, dB(A) & Co.
Abgesehen davon solltest Du dem Klirrfaktor- bzw. THD(+N)-Wert bei der Kaufentscheidung nur eine untergeordnete Bedeutung beimessen. Längst sind praktisch alle Geräte so gut, dass sie bei sachgemäßer Nutzung (v.a. ohne zu übersteuern) kaum Obertöne erzeugen/verstärken.
Selbst bei einer Verkettung von etlichen Geräten und ihrem jeweils eigenen Klirr erhältst Du am Ende ein ausreichend sauberes Signal – bei günstigem Equipment gilt das zumindest für semiprofessionelle Ansprüche und das Homerecording.
Fazit zum Klirrfaktor
Zum Verständnis von Klirr und Klirrfaktor ist die Kenntnis der Obertöne unerlässlich – es handelt sich schlicht um den Obertonanteil eines Signals nach der Verarbeitung durch Mikrofone, Preamps, Wandler, Lautsprecher & Co.
Wie stark und wie (un-)vorteilhaft sich Klirr bemerkbar macht, hängt vom Frequenzgehalt der betroffenen Signale und von der Art der nachträglich erzeugten Obertöne ab. Für Puristen ist Klirr nachvollziehbar unerwünscht, andererseits kann er ganz gezielt eingesetzt werden (Paradebeispiel: übersteuernde Röhrenverstärker für »warmen«, »satten« Sound).
Modernes Equipment ist durch die Bank gut genug, dass bei der Kaufentscheidung auf einen Vergleich der Klirrfaktoren verzichtet werden kann. Lediglich in (Mastering-)Studios mit höchsten Ansprüchen und/oder bei der Reihenschaltung sehr vieler Audiogeräte sollte ein Auge darauf geworfen werfen.
Das könnte dich auch interessieren: Alles zum Overdrive Pedal»
Welche Fragen, Ergänzungen oder Korrekturen hast Du zum Thema? Wir sind sehr gespannt auf dein Feedback, Lob und sachliche Kritik – dein emsiges Team von delamar.