Headroom
Alles zur Aussteuerungsreserve
Von Felix Baarß
Was ist Headroom/Aussteuerungsreserve?
Aussteuerungsreserve (Englisch: Headroom) charakterisiert den Unterschied zwischen dem Nennpegel und dem technischem Maximal-Pegel. Die Begrifflichkeiten stammen aus der Rundfunk- und Fernsehtechnik.
Als Nennpegel wird der Eingangspegel oder Ausgangspegel für das entsprechende Gerät bezeichnet. In unserem Bereich der Audiotechnik sind Nennpegel von +6 dBu bzw. +4 dBV üblich.
Einleitung: Audio Headroom/Aussteuerungsreserve
Den Headroom, auch Aussteuerungsreserve genannt, kannst Du dir als Pufferzone vorstellen. Es handelt sich dabei um einen Sicherheitsabstand zwischen empfohlener und maximaler Signalstärke, der dafür sorgen soll, dass die Aufnahmen nicht übersteuern – selbst wenn sich unerwartete Pegelspitzen einschleichen.
Elektronische Geräte sind zur Verarbeitung von Audiosignalen in einem begrenzten Pegelbereich konzipiert. Klänge, die oft und langandauernd über diesen Bereich hinausschießen, sind nicht nur lauter, sondern auch mehr oder minder stark verzerrt. Zwischen diesem kritischen Bereich und jenem, der für die Aufnahme als optimal gilt, liegt der Headroom.
Damit Du genau verstehst, wie wichtig der Headroom für eine »gesunde Dynamik« in Musikproduktion, Rundfunk und Fernsehtechnik ist, lernst Du hier auch alle untrennbar damit verbundenen Begriffe kennen. In der folgenden Grafik werden sie in einen Zusammenhang gebracht.
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1. Headroom
Der Headroom – Synonym: »Aussteuerungsreserve« – markiert den Bereich zwischen einem sogenannten Bezugspegel (auch »Nennpegel«) und dem höchsten Pegel, den ein Audiogerät verarbeiten kann (»Maximalpegel«).
Es gibt keine Norm für die Größe von Headroom. So kann der Bezugspegel von Gerät zu Gerät variieren, aber für gewöhnlich setzen ihn die Hersteller 20 Dezibel unter der Vollaussteuerung an.
Wenn die Nadel des Aussteuerungsmessers (»VU-Meter«, siehe Bild) rings um den Bezugspegel von ±0 dBVU pendelt (nicht mit dBu zu verwechseln) oder die LEDs nur im grünen Bereich aufleuchten, bleibt dir bei analogen Geräten fast immer genug Spielraum. Auch bei abrupten Pegelspitzen wirst Du hier kaum einmal an die Grenzen der Dynamik stoßen.
Wenn deine Mikrofone z.B. bei Drums, Percussion-Instrumenten und Vocals dennoch zu heftige Pegelsprünge verursachen, drehst Du die Gain-Regler am Mikrofon, Interface oder Recorder eben noch ein kleines Stück herunter. Man könnte sagen, dass Du damit den vom Hersteller empfohlenen Headroom vergrößerst – die Dezibelspanne dieser Aussteuerungsreserve auf dem VU-Meter oder die Farbcodierung der LEDs ist ja lediglich als Empfehlung zu verstehen.
Was, wenn der Headroom nicht ausreicht oder bewusst ignoriert wird?
Vereinfacht gesagt: Wenn der maximale Pegel oft und anhaltend erreicht wird, sprich man von Übersteuerung. Dabei werden sogenannte nichtlineare Verzerrungen erzeugt. Durch diese wird die Dynamik ähnlich wie bei einem Audio-Kompressor »verdichtet« und es kommt zu einer mehr oder minder starken Anreicherung von Obertönen (negative Konnotation: Klirrfaktor).
Warum das sehr willkommen (z.B. beim Verstärker für Gitarre oder Bass), aber auch sehr unvorteilhaft sein kann, wie sich analoges Equipment bei Übersteuerungen von digitalem unterscheidet und mehr erfährst Du hier:
2. Footroom
Das genaue Gegenstück zum Headroom. Diese Region beginnt am unteren Ende des Aussteuerungsbereichs (siehe unten) und erstreckt sich bis zur Obergrenze des Grundrauschens hinab (jedes Audiogerät rauscht ein wenig).
Auch der Footroom ist nur eine Empfehlung – eine Pufferzone, in die deine Audiopegel gelegentlich abrutschen dürfen. Unterschritten werden sollte dieser Bereich nur bei Instrumentierungs- und Gesangspausen, denn sonst wird das Aufgenommene komplett vom Grundrauschen übertüncht.
3. Aussteuerungsbereich
Der Aussteuerungsbereich (auch »Dynamikbereich«) liegt zwischen dem Foot- und dem Headroom. Bei Signalen, die sich überwiegend in dieser Pegelregion bewegen, ist ein optimaler Sound zu erwarten. Einerseits wird die Gefahr von Verzerrungen minimiert, andererseits das Grundrauschen locker überspielt.
Headroom – analoge versus digitale Aussteuerung
Im digitalen Bereich ist der Headroom im bisher beschriebenen Sinne nicht nötig, die Aufnahmen sind ja bereits getätigt. Ob bzw. wie stark bei der Analog-Digital-Wandlung Übersteuerung auftrat und inwieweit sich diese »reparieren« lässt, ist wieder eine ganz andere Frage.
Dennoch sei auch in der digitalen Domäne dringend empfohlen, einen gewissen Sicherheitsabstand am oberen Ende der Signaldynamik einzuhalten. Kurz: Als Richtwert empfiehlt sich ein für alle DAW-Mixerspuren eine durchschnittliche Aussteuerung von etwa -10 dBFS. Warum? Das erfährst Du hier:
Drückt man ein Auge zu, ließe sich die dBFS-Pegelreserve beim Gain Staging auch als Headroom bezeichnen. Doch da sich Übersteuerung bei analogen und digitalen Signalen stark unterschiedlich auswirkt (siehe oben verlinkter FAQ-Artikel über Clipping), sollte von dieser allzu lässigen Begriffswahl Abstand nehmen.
Fazit zum Thema Headroom & Co.
Betrachte den Headroom als Bereich, in den die Pegel bei deinen Aufnahmen gelegentlich vorstoßen dürfen – als Reserve, dank der sporadische Pegelspitzen »abgefangen« werden, also noch nicht zur Übersteuerung und damit Verzerrungen führen.
Faustregel: Das VU-Meter sollte sich im Durchschnitt um den Bezugspegel von ±0 dBVU herumbewegen. Und falls im betreffenden Gerät stattdessen LED-Ketten als Aussteuerungsmesser verbaut sind, sollten diese immer im grünen Bereich aufleuchten. Natürlich kannst Du die Verstärkung deiner Klangquellen an Mischpult, Audio Interface & Co. noch etwas weiter reduzieren und damit den vom Hersteller gewählten Headroom auf eigene Faust vergrößern. Aussteuerungsreserven sind eben nicht in Stein gemeißelt, sondern lediglich als Empfehlung zu verstehen.
All das gilt immer dann, wenn Du mit analogen Signalen arbeiten willst. Bei digitaler Audiobearbeitung, wo die Aussteuerungsmesser mit der Einheit dBFS arbeiten, gibt es keinen Headroom in diesem Sinne. Allerdings sind auch hier sehr wohl Vorteile durch eine gewisse Mäßigung zu erwarten – siehe Gain Staging.
Wie groß gestaltest Du deine Aussteuerungsreserven? Sprichst Du dich dafür aus, dass die hohe Dynamik der Aufnahmen auch später beim Audio-Mastering weitestgehend beibehalten werden soll? Wir freuen uns auf deine Kommentare, Fragen und konstruktives Feedback aller Art – besonders im Bereich Musikproduktion, aber auch aus Rundfunk und Fernsehen.