FM-Synthese
Erklärung der Frequenzmodulation für FM-Klangsynthese
Von Felix Baarß am 20. April 2017
Mysterium FM-Synthese – Erklärung gefällig?
FM-Synthesizer produzieren einen Sound, der oft als »glockig«, »gläsern« oder »metallisch« bezeichnet wird. So werden neuartige E-Pianos, synthetische Bässe, an Harfen und Orgeln erinnernde Sounds und vieles mehr möglich.
FM-Synthese beschwört den Sound der Achtziger-Jahre herauf, typische Beispiele wäre etwa der Soundtrack von Blade Runner oder Alben von Vangelis. Eben Musik, die ohne den legendären FM-Synthesizer Yamaha DX7 so nicht möglich gewesen wäre. Doch auch Sounds für zeitgenössische elektronische Tanzmusik (EDM, Techno, House etc.) sind bestens möglich.
Weitere Methoden der Syntheseformen & Klangsynthese erklärt »
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FM steht für »frequency modulation« (Frequenzmodulation) – auf diesem Verfahren beruht die Klangerzeugung entsprechender Synthesizer, aber wie funktioniert sie eigentlich? Hier erfährst Du die Grundlagen für deine Musik.
FM-Synthese: Erklärung – Inhalt [klickbar]
Die Operatoren – Carrier & Modulator
FM-Synthese wird auf der Grundlage von Oszillatoren erzeugt (hier werden sie »Operatoren« genannt). Diese geben in aller Regel Sinuswellen aus. Einige wenige Synthesizer haben weitere Wellenformen in petto, doch das ist zur FM-Synthese-Erklärung nicht weiter von Belang.
Oszillatoren gibt es auch bei anderen Synthesizern, aber bei der FM-Synthese treten diese stets in eine Wechselwirkung:
FM-Synthese – Erklärung des obersten Prinzips
Die Wellenform des Modulators moduliert die Frequenz des Carriers – was das in der Praxis bedeutet, erfährst Du gleich.
Das obige Bild und vor allem die folgenden zwei Klangbeispiele sagen mehr als tausend Worte. Für Letztere haben wir einfache Sinuswellen als grundlegende Klänge gewählt und beeinflussen ihre Frequenz durch einen Modulator – eine zweite Sinuswelle (anders als im Bild ist diese identisch mit jener des Carriers).
Carrier:
Modulierter Carrier:
Etwas deutlicher wird der Effekt, wenn wir Akkorde spielen:
Carrier:
Modulierter Carrier:
Es wird Zeit für handfeste Merksätze – im Folgenden betrachten wir die zwei grundlegenden Aspekte von Modulatoren und deren Einfluss auf den Klang.
Regel I: Amplitude des Modulators bestimmt Obertongehalt
Mit steigender Lautstärke des Modulators – also bei steigender Amplitude seiner Wellenform – treten zunehmend mehr Obertöne im erzeugten Klang zutage. Der Klang wird voller und höhenreicher, ohne dass der tiefe Grundton absolut betrachtet leiser wird.
Wichtiges Knowhow: Was sind Obertöne? »
Bei sehr lauten Modulatoren – also solchen mit einer hohen Amplitude – entstehen verzerrte Sounds bis hin zu Rauschen. Das kann künstlerisch durchaus erwünscht sein, z.B. bei futuristisch anmutenden Special Effects.
Der Knackpunkt: Die Hüllkurve der Modulatorlautstärke dient zur Skulpturierung der Klangfarbe in den Millisekunden nach dem Tastenanschlag bzw. dem Start der sequenzierten MIDI-Note. Später mehr dazu.
Im folgenden Audiobeispiel hörst Du am Anfang einen Akkord aus drei Sinustönen – dieser Carrier wird nach und nach mit einem in der Wellenform identischen Modulator moduliert. Die Lautstärke des Modulators steigt kontinuierlich, und damit auch die Intensität der Frequenzmodulation.
Regel II: Frequenz des Modulators bestimmt Lage der Obertöne
Steigt die Frequenz der Modulatorwelle, werden die in Regel I erwähnten Obertöne im Spektrum höher angesiedelt. Der Grundklang des Carriers bleibt erhalten, aber die Frequenzen der hinzugefügten Obertöne steigen deutlich spürbar.
FM-Synthese baut auf Audioratenmodulation
Um einen charakteristischen FM-Sound zu bekommen, muss die Frequenz des Modulators 20 Hertz oder mehr betragen. Dann liegt eine sogenannte Audioratenmodulation vor. Liegt die Modulatorfrequenz hingegen darunter (zum Beispiel bei 10 Hertz), entsteht stattdessen ein Vibrato.
Im folgenden Klangbeispiel wird Frequenz des Modulators langsam und stufenlos gesteigert – ausgehend von einer Frequenz, die mit der des Carriers identisch ist, bis hin zur doppelten Frequenz (eine Oktave höher als der Carrier).
Schräg oder harmonisch? Die Obertöne in der FM-Synthese
Die Obertonstruktur (»schief« versus harmonisch klingend) ist vom Verhältnis zwischen den Frequenzen von Carrier und Modulator abhängig:
- Ungeradzahliges Verhältnis → harmonisch anmutend
- Geradzahliges Verhältnis → »schief« oder metallisch anmutend
Im folgenden Klangbeispiel hörst Du diese Verhältnisse aufsteigen, wobei sich ungeradzahlige und geradzahlige abwechseln:
Die Algorithmen
Bei der FM-Synthese bezeichnet man die verschiedenen möglichen Verknüpfungen zwischen den Carriern und Modulatoren als Algorithmen. Ein Algorithmenwechsel führt oft zu starken Klangunterschieden, auch wenn die Einstellungen der Operatoren gleichbleiben.
Je nach FM-Synthesizer und dessen Anzahl von Operatoren stehen unterschiedliche viele Algorithmen zur Wahl. Beim Flaggschiff von Yamaha sind es übrigens stolze 88:
Was bedeutet es, wenn in einem Algorithmus zwei oder mehr Operatoren übereinanderliegen? Und was bedeuten die Verbindungslinien? Ganz einfach:
- Der unterste Operator ist stets der Carrier
- Alle Operatoren »in den höheren Etagen« sind Modulatoren
- Merke: Sind zwei Operatoren in der Algorithmendarstellung miteinander »verkabelt«, beeinflusst (moduliert) jeweils der obere den unteren. Derartige Konstrukte nennen sich »Operatorenstapel« (englisch »operator stack«).
Der Sound von unmodulierten Carriern – sofern man solche Operatoren dann noch als Carrier bezeichnen will – kann freilich auch in die finale Klangmischung einfließen. In der Regel kannst Du einstellen, in welchen Anteilen das geschehen soll.
Feedback
Beim Yamaha Montage und möglicherweise bei anderen komplexen FM-Synthesizern findest Du einen Parameter namens »Feedback« (Rückkopplung). Damit kann sich je ein Operator des Algorithmus‘ selbst modulieren – er fungiert gleichzeitig als Carrier und Modulator. Visualisiert wird das bei Yamaha durch eine Linie, die unten aus dem Operator herausführt, abknickt, nach oben läuft und oben wieder hineinführt. Auf dem folgenden Bild ist das der Operator mit der Nummer 3:
Merke: Feedback bewirkt genau das, was sonst durch einen externen Modulator mit identischer Wellenform bewirkt wird. Siehe Regel I oben.
Die Hüllkurven
Hier haben wir es mit einer Modulationsquelle zu tun, also einem Mittel zur Formung diverser klanglicher Aspekte – typisch sind die Lautstärke, die Filterfrequenz (Cutoff) und speziell bei der FM-Synthese die Schwingraten von Carrier und Modulator.
Lies hier alles dazu: Was ist eine Hüllkurve? »
Für uns sind in dieser FM-Synthese-Erklärung zwei Dinge relevant:
1. Eine Hüllkurve, die auf einen Modulator gelegt wird, beeinflusst dessen Amplitude
Knackpunkt: Diese Hüllkurve bestimmt damit den Intensitätsverlauf der Frequenzmodulation. Anders gesagt: den Grad der Beeinflussung des Carriers durch den Modulator in einem gewissen Zeitfenster.
2. Die Hüllkurve des Carriers beeinflusst den lediglich den Lautstärkeverlauf des Klangs
… Genau wie die »AMP«-Hüllkurve bei den meisten Synthesizern.
Allgemein zusammengefasst kann man sagen, dass erst durch Hüllkurven Bewegung in die Klänge kommt. Die statischen, eher dröge wirkenden Klangbeispiele ganz oben im Kapitel »Carrier & Modulator« gewinnen an Kontur. Erst in diesem Stadium des Sounddesigns werden Klänge wirklich spannend für musikalische Eskapaden aller Art.
Und wie kann sich das anhören? Klick einfach mal auf den folgenden Link, der dich zu unserem praktisch orientierten Tutorial führt.
FM-Synthese: Tutorial mit dem Yamaha Montage »
Schlusspunkt zur FM-Synthese-Erklärung
In diesem FM-Synthese-Ratgeber hast Du gelernt, dass die Klangerzeugung durch Frequenzmodulation auch auf Oszillatoren beruht – genau wie bei den anderen Arten der Klangsynthese. Bei der FM-Synthese werden diese jedoch Operatoren genannt und in zwei Kategorien aufgeteilt.
Im weiteren Verlauf dieses Ratgebers kristallisierten sich unter anderem einige wichtige Merksätze heraus. Und schließlich lassen sich noch zwei knappe Erkenntnisse über Algorithmen komplexerer Natur formulieren. Diese drei Bereiche fassen wir nun noch einmal kurz zusammen:
Die Operatoren – Grundbausteine der FM-Synthese
- Carrier: Oszillatorwelle, die den Grundklang erzeugt
- Modulator: Oszillatorwelle, die die Frequenz des Carriers moduliert
- Operatorenstapel (»operator stack«): Die kleinsten klangerzeugenden Einheiten der FM-Synthese, bestehend aus einem Carrier und mindestens einem Modulator
Die Basismechanismen zur FM-Synthese-Erklärung
- Die Amplitude des Modulators bestimmt den Obertongehalt
- Die Frequenz des Modulators bestimmt die Lage der Obertöne im Frequenzspektrum
- Das Verhältnis der Frequenzen von Carrier und Modulator bestimmt die (Dis-)Harmonie
Komplexere Algorithmen
- Die Amplituden parallel gespielter Carrier bestimmen das Mischverhältnis der Klänge, die von den einzelnen Operatorenstapeln erzeugt werden
- Bei manchen FM-Synthesizern kannst Du einen Operator auch durch sich selbst modulieren lassen – in einer Rückkopplung (engl.: »feedback«), deren Stärke sich regeln lässt
Die Anregung zu diesem Artikel lieferte der schon mehrfach erwähnte Yamaha Montage. Schließlich bietet er acht Operatoren und 88 Algorithmen. Dazu kommen eine 128-fache Polyphonie, viele Effekten (auch pro Part) und zusätzliche Nicht-Sinus-Wellenformen für die Operatoren – das Potential ist gewaltig. Womöglich lebt die über viele Jahre hinweg verblasste Liebschaft zur FM-Synthese bei so manchem gestandenen Musiker wieder auf.
Oh, übrigens macht auch der kleine Yamaha Reface DX [Testbericht] Spaß. Wer ganz ungebunden (batteriegespeist) mithilfe eines superkompakten Instruments Musik qua FM-Synthese erleben will, kann das hiermit tun.
Welche Tricks zur fortgeschrittenen Frequenzmodulation kennst Du? Haben wir etwas Wichtiges für eine verständliche FM-Synthese-Erklärung vergessen? Welchen Synthesizer nutzt Du zur FM-Synthese und warum erzeugst Du gerade mithilfe dieses Instruments deine Klänge? Wir freuen uns auf dein Feedback, gleich hier unter dem Artikel – danke! :)