Was ist Clipping?
Von Felix Baarß
Was bedeutet Clipping?
»Clipping« ist der englische Begriff für das, was mit einem Audiosignal geschieht, wenn dessen Pegel für die Verarbeitung durch ein Gerät/Programm zu hoch wird (Stichwort: Übersteuerung) – die überschüssigen Signalanteile werden von der verarbeitenden Hard- oder Software »abgeschnitten« (to clip = kappen, beschneiden, abschneiden).
Wie hoch der Pegel sein darf, bevor Übersteuerungen auftreten, variiert von Gerät zu Gerät – wenn vergleichsweise hohe Pegel Clipping-frei verarbeitet werden können, spricht man einer hohen Aussteuerungsreserve (»Headroom«).
Die möglichen Klangauswirkungen: Gewöhnliches Clipping führt im Extremfall zu sehr starken, harsch klingenden Verzerrungen, zumindest bei digitalen Audiosignalen. Bei den analogen Signalen von Röhrenverstärkern und manchen Transistorverstärkern sowie bei Audio-Plugins mit sogenanntem Soft Clipping stellt sich jedoch eine musikalisch oft gewinnbringende Sättigung ein.
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- Headroom: Alles zur Aussteuerungsreserve
- Abmischen: Wie laut muss der Mixdown sein?
Im Folgenden findest Du heraus, wie Du Clipping in deiner Hard- oder Software aufspürst, alle Details für den analogen und digitalen Bereich, Maßnahmen zur Verhinderung von Übersteuerungen und Links zu feinen Plugins für Soft Clipping.
Pegel richtig deuten – analog vs. digital
Bei ausgefeilten analogen Effektgeräten, Mikrofonvorverstärkern und sonstigem Equipment findet sich eine Pegelnadel – das sogenannte »VU-Meter«, siehe Bild unten rechts.
Hier musst Du dir keine Sorgen machen, wenn die Pegelnadel ab und zu in den roten Bereich über ±0 dBVU (siehe auch FAQ: dB, dBFS, dB(A) & Co. ») springt. Über dem Nullpunkt hast Du hier noch einen erheblichen Headroom (etwa 20 Dezibel), bevor das Signal überhaupt anfängt, zu clippen.
Im digitalen Bereich werden unbedenkliche Pegelstände als negative Zahlenwerte in der Einheit dBFS angegeben (siehe auch FAQ: dB, dBFS, dB(A) & Co. »). Du entdeckst sie auf den entsprechenden Mixerkanälen in DAWs und Audio-Editoren und meist auch auf den Spurenkontrollfeldern am linken Rand der Arrangement-Ansicht für Audio- und MIDI-Clips. Wenn dein Gerät zur Aufnahme und Analog-Digital-Wandlung eine Mixersoftware besitzt, lassen sich die Pegelstände auch damit überwachen.
Ob während der Aufnahme oder beim Abmischen, in der digitalen Sphäre sind grundsätzlich keine Pegel über 0 dBFS möglich – alle Übersteuerungen werden sofort und vollständig abgeschnitten. Einige DAWs, sonstige Audioprogramme und Plugins zeigen dann trotzdem positive Pegelwerte über 0 dBFS an, doch dabei handelt es sich lediglich um die theoretischen Pegelspitzen. Es gibt also KEINEN Headroom über dem Nullpunkt, anders als bei der analogen dBVU-Skala eines VU-Meters.
Clipping bei analogen Audiosignalen
Bei Geräten mit Röhrenverstärkung – ob Gitarren-Amps, Effektgeräte, Mikrofone, Preamps oder sonstige – können Übersteuerungen zu einer angenehmen Sättigung des Sounds führen.
Dafür verantwortlich zeichnet das sogenannte Soft Clipping, das die Kanten des geclippten Bereichs in der Wellenform abrundet und mit einer Anreicherung von überwiegend geradzahligen Obertönen einhergeht.
Viele Geräte mit gewöhnlicher Transistorverstärkung klingen bei Übersteuerungen nicht so »rund«, denn bei ihnen tritt unweigerlich Hard Clipping auf (im Bild rechts oben nur »Clipping« genannt). Es gibt allerdings auch Transistorgeräte (z.B. einige Gitarrenverstärker) mit zuschaltbarem Soft-Clip-Modus.
Clipping bei digitalen Audiosignalen
Bei gewöhnlichen digitalen Übersteuerungen durch zu hohe Pegel tritt Hard Clipping auf. Je nach Häufigkeit und Länge der abgeschnittenen Wellenformbereiche variiert das klangliche Resultat. In dezente Form ist es praktisch unhörbar, doch mit zunehmender Intensität werden sehr harsche, kratzige, scharfkantig klingende Verzerrungen verursacht.
Hard Clipping wird zuweilen gezielt eingesetzt – zur Maximierung der Lautheit beim Mastering oder für die erwähnt harsche Verzerrung. In der Regel sollte es jedoch durch maßvolles Pegelmanagement vermieden werden, sonst geht ein großer Teil der ursprünglichen Audioinformationen unnötig verloren. Bei Bedarf kann Hard Clipping ohnehin mit Plugins verursacht werden. Ferner kann starkes Hard Clipping deine Lautsprecher (insbesondere dessen Hochtöner) beschädigen oder gänzlich ruinieren.
Tipp: Lies das letzte Kapitel in diesem FAQ-Artikel, wenn Du das angenehmere, musikalisch stimmigere Soft Clipping auch im digitalen Bereich bewusst einsetzen willst!
Maßnahmen gegen Clipping
Grundsätzlich ist anzumerken, dass höheren Bitraten mehr Pegelreserven bedeuten. Der theoretische Dynamikumfang (ungeachtet des Grundrauschens) liegt mit 16 Bit bei 96 dB, mit 24 Bit hingegen bei 144 dB. Sofern es das Equipment erlaubt, sollten deine ersten Maßnahmen gegen Clipping die Aufzeichnung mit (mindestens) 24 Bit und niedrigen Gain-Einstellungen sein.
- Clipping schon bei der Aufnahme? Dreh den Gain-Regler am Audio Interface oder Mischpult herunter!
- Clipping auf der Master-Spur der DAW beim Abmischen? Regle die Fader der Einzelspuren und/oder des Master-Kanals herunter!
- Alternativ kann ein Limiter Übersteuerungen verhindern. Bei der Aufnahme sollte er nur zur Absicherung vor vereinzelten extremen Pegelausschlägen eingesetzt werden, die auch bei vorsichtigen Gain-Einstellungen nicht ausgeschlossen werden können.
Mehr Infos zum Pegelmanagement – FAQ: Was ist Gain Staging? »
Clipping in Audiodaten »reparieren«
Es gibt spezielle Software zur Wiederherstellung der durch Clipping verlorengegangenen Signalanteile in digitalem Audiomaterial. Beispiele sind iZotope RX, Bordmittel von Audio-Editoren wie Steinberg WaveLab, Adobe Audition & Co. sowie Plugins wie »Clip Fix« für den quelloffenen Audio-Editor Audacity.
Bei diesen Programmen kommen die unterschiedlichsten Methoden zum Einsatz, deren Erläuterung hier den Rahmen sprengen würde. Wie plausibel die restaurierten Pegelspitzen klingen, ist von der Software und deren Einstellungen sowie von der Stärke und Art der Übersteuerungen abhängig. Nur so viel: Audiomaterial, dessen Pegelspitzen durch Soft Clipping abgeschnitten wurden, lässt sich in der Regel besser restaurieren.
Falls die Möglichkeit besteht, eine neue Aufnahme ohne Übersteuerungen zu machen, solltest Du dies auch tun – nur wenn der Take absolut grandios war und lediglich an ein, zwei Stellen dezentes Clipping aufgetreten ist, kannst Du wohl ein Auge zudrücken.
Soft Clipping mit Plugins gezielt einsetzen
Wenn Du Sättigungen oder Verzerrungen bewusst herbeiführen willst, kannst Du spezielle Effektgeräte bzw. Plugins dafür nutzen – wie zuvor geschildert, sollte dein Hauptaugenmerk hier auf dem Soft Clipping liegen.
Softube Saturation Knob
Mit dem Softube Saturation Knob steht ein kostenlos erhältliches Plugin für Windows & Mac OS (VST, VST3, AU, AAX, Reason Rack Extension) zur Verfügung, das Soft Clipping in großartiger Art und Weise umsetzt.
Klänge aller Couleur lassen sich entweder leicht sättigen oder so richtig brutal verzerren – aber ohne jemals so kratzbürstig digital wie beim Hard Clipping zu klingen. Bei Bedarf lassen sich die Bässe oder Höhen vom Effekt ausnehmen. Der dahintersteckende Filter ist gut für musikalisches Material aller Art abgestimmt.
Ein- und Ausgangspegelregler hätten dem Plugin sehr gut zu Gesicht gestanden. Sei’s drum, das kannst Du auch mit vor- und nachgeschalteten Insert-Helferlein wie dem Sonalksis Free-G erledigen.
Stillwell Audio Event Horizon
Der Stillwell Audio Event Horizon – ebenfalls für Windows & Mac OS (VST, VST3, AU und AAX) lässt sich entweder als klassischer Limiter mit Lookahead-Funktion oder als Soft-Clipper nutzen. Letzteren kannst Du mit einem Boost bis zu 6 Dezibel anheizen.
Zwar lässt sich auch hier eine heftige Verzerrung bewirken, doch weitaus mehr glänzt das Plugin beim Einsatz als dezenter Sättigungseffekt – wunderbar, welche subtile Wärme und welchen »Kitt« es mit sich bringt.
Der Effekt ist mit 25,- US$ (Lizenz für Reaper und nicht-kommerzielle Nutzung) bzw. 39,- US$ recht erschwinglich, zudem ist die Demoversion zeitlich unbegrenzt und ohne funktionale oder klangliche Einschränkungen lauffähig.
» Stillwell Audio Event Horizon
Fazit zum Clipping
Mehr oder minder scharfkantig gekappte Pegelspitzen können ganz wunderbar oder einfach nur entsetzlich klingen. Ein pauschales Votum dafür oder dagegen kann es nicht geben. Für mich gibt es nur ein Gesetz: Bei der Wandlung vom Analogen ins Digitale – also beim Recording per Audio Interface – sollte dein Signal stets unter dem Höchstpegel von 0 dBFS bleiben.
Wünschst Du Clipping dennoch als künstlerischen Effekt, kannst Du es ja jederzeit nachträglich per Effektgerät oder Plugin verursachen. Dabei ist vor allem Soft Clipping zu empfehlen, wie es auch bei voll aufgedrehten Röhrenverstärkern geschieht.
Was kannst Du zum Thema beisteuern? Vermeidest Du Clipping unter allen Umständen oder setzt Du es bewusst ein? Mit welchen Werkzeugen geschieht das gegebenenfalls? Dein Feedback ist uns sehr willkommen!