Harmonielehre Klavier
Grundlagen für Anfänger
Von Markus Galla am 24. Mai 2022
Inhalt: Harmonielehre Klavier
Was ist Harmonielehre?
Harmonielehre beschäftigt sich mit der Beziehung von Tönen zueinander, mit Konsonanz, Dissonanz, mit Akkorden und Akkordfolgen. Sie ist wichtig für alle, die sich ernsthaft mit Musik und ihrer Funktion auseinander setzen. Das gilt für Trompeter oder Saxofonisten, die über einen Jazz Standard improvisieren wollen, genauso wie für Pianisten, die aus notierten Akkordsymbolen eine Begleitung zaubern möchten.
Harmonielehre ist wichtig für aufstrebende Bassisten, die nicht dauerhaft auf Akkordgrundtönen spielen möchten. Auch Gitarristen, die Gitarrensolos interessanter gestalten wollen und entscheiden müssen, welche Skala über die vorgegebene Akkordfolge passt, sollten Ahnung von Harmonielehre haben.
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Der Ursprung der Harmonielehre
Einstimmige Musik ohne jegliche Begleitung ist absolut legitim und wurde schon immer praktiziert. Man denke nur an den Gregorianischen Choral, der bis heute in der Liturgie vor allem der katholischen Kirche eine Rolle spielt. Die einstimmigen Melodien wurden von einem Liturgen oder einem Chor komplett unbegleitet vorgetragen.
Auch die Flöte als beliebtes Instrument wurde oft unbegleitet genutzt. Die fröhlich vor sich hin gepfiffene Melodie oder das Lied am Stammtisch oder auf Wanderfahrt sind weitere Beispiele dafür.
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Doch gerade durch die Begleitung einer Melodie mit Harmonien eröffnet sich eine ganz neue Welt. Man denke nur an eine einfache Gegenstimme zur Melodiestimme, die gespielt wird. Bereits ein einzelner Ton, der in einem harmonischen Bezug zum Melodieton steht, setzt letzteren in einen Kontext.
Klassische Pianisten denken hier vielleicht an den Kontrapunkt und seine einfachste Form als zweistimmige Invention, wie sie bis heute von unzähligen Klavierschülern gespielt werden. Sänger denken vielleicht an den Kanon, bei dem die Melodie von zwei oder mehreren Gruppen versetzt gesungen und dadurch eine Mehrstimmigkeit erzeugt wird.
Ein sehr charakteristisches Instrument, welches zeigt, dass bereits ein einzelner Bezugston eine große Wirkung entfalten kann, ist die Sackpfeife (auch Dudelsack genannt).
Harmonielehre: Klavier Tastatur
Bis heute wird Harmonielehre vorwiegend am Beispiel der Tastatur unterrichtet. Im Schulunterricht wird meistens eine Papptastatur gebastelt, an derer die Schüler das Erklärte nachvollziehen sollen. Das hat seinen Grund, denn der diatonische Aufbau einer Tastatur hilft beim Verständnis.
Bei einem Saiteninstrument ist das schwieriger. Zwar kann auch der Gitarrist Akkorde spielen und solange man sich auf einer einzelnen Saite bewegt, lassen sich auch prima Halbtöne abzählen.
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Sobald allerdings zwei oder mehr Töne gemeinsam klingen sollen, wird es aufgrund der dann benötigten mehreren Saiten und der Stimmung der Gitarre schon schwieriger, die Theorie dahinter nachzuvollziehen.
Der Aufbau der Tastatur entspricht dem Aufbau der diatonischen Tonleiter. Die heute übliche gleichstufige Stimmung unterteilt die Oktave in zwölf gleiche Töne: Die Halbtöne. 12 Halbtöne reihen sich aneinander zur diatonischen Tonleiter.
Sieben dieser Halbtöne sind Stammtöne, deren Tasten in der Regel weiß sind (Ausnahmen gibt es bei Kirchenorgeln und manchmal bei historischen Instrumenten wie Spinett oder Cembalo). Alle anderen Tasten sind schwarz. Nach 12 Halbtönen beginnt das System um eine Oktave versetzt erneut.
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Halbtonschritt und Ganztonschritt
In der Harmonielehre werden dir auch die Begriffe Halbtonschritte und Ganztonschritte begegnen: Ein Halbtonschritt ist der Abstand von einer Taste zur nächsten Taste. Ein Ganztonschritt ist demnach der Abstand von einer Taste zur übernächsten Taste.
Diese Betrachtung ist wichtig, denn sie macht auf ein Dilemma aufmerksam: Der Abstand von einer weißen Taste zur nächsten weißen Taste ist in zwei Fällen ein Halbtonschritt und in allen anderen Fällen ein Ganztonschritt.
Die beiden Halbtonschritte innerhalb der Stammtonreihe finden wir nämlich zwischen dem dritten und vierten Ton (e und f) und dem siebten und achten Ton (h und c). Die Keyboard-Tastatur macht das sofort sichtbar: Hier fehlen die schwarzen Tasten.
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Die Stammtonreihe
Die Stammtonreihe entspricht den weißen Tasten unserer Tastatur. Mit den Stammtönen lässt sich bereits eine Menge anfangen und viele Betrachtungen der Harmonielehre basieren auf Stammtönen. Auch der Aufbau vieler Tonleitern inklusive der für Improvisation beliebten modalen Skalen lässt sich auf die sieben Stammtöne zurückführen.
Alteration der Stammtöne
Von jedem Stammton lässt sich ein anderer Ton ableiten, indem man den Stammton durch ein Versetzungszeichen verändert. Ein #-Vorzeichen vor einer Note erhöht diese um einen Halbtonschritt (auf der Tastatur bewegen wir uns um eine Taste nach rechts), ein b-Vorzeichen erniedrigt die Note um einen Halbtonschritt (auf der Tastatur bewegen wir uns um eine Taste nach links).
Weitere Alterationen lassen sich durch das Auflösungszeichen und Doppelvorzeichen wie Doppel-# oder Doppel-b herbeiführen.
Der sich daraus ergebende Ton gibt uns durch seinen Namen bis auf einen Fall noch einen Hinweis auf den Stammton:
Im Falle eines #-Vorzeichens wird also an den Stammtonnamen die Silbe „-is“ angehängt. Bei einem b-Vorzeichen hängen wir die Silben „-es“ oder „s“ (Es, As) an. Die Ausnahme bildet der Ton H, der tiefalteriert im deutschen Sprachraum als „b“ bezeichnet wird.
Harmonielehre: Intervalle in der Musik
Der Begriff Intervall bezeichnet in der Musik den Abstand zweier Töne voneinander. Hier geht es also nicht um einen Zeitbegriff, wie man zunächst vermuten könnte, sondern ganz schlicht um den Abstand zweier Töne, den man in Halbton- und Ganztonschritten angeben kann.
Intervalle sind sehr wichtig für die Harmonielehre, da bei Mehrklängen der Abstand der einzelnen Töne zueinander entscheidend ist und zum Beispiel durch ein Akkordsymbol ausgedrückt werden kann.
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Die Grundintervalle
Es gibt acht Grundintervalle bis zur Oktave:
Prime, Sekunde, Terz, Quarte, Quinte, Sexte, Septime, Oktave
Von diesen Grundintervallen werden die Intervalle Prime, Quarte, Quinte und Oktave als reine Intervalle bezeichnet. Die übrigen Intervalle Sekunde, Terz, Sexte und Septime gibt es als kleine und große Intervalle.
Alle Intervalle, also auch die reinen Intervalle, lassen sich durch Alteration in ein übermäßiges oder ein vermindertes Intervall verwandeln.
Die folgende Tabelle zeigt die kleinen und großen Intervalle sowie die reinen Intervalle mit Hoch- und Tiefalteration. Anmerkung: Es fehlen die hoch- und tiefalterierten kleinen und großen Intervalle, da diese in einem Einstiegs-Workshop durch Doppelvorzeichen verwirren.
Mehr als eine Oktave
Zu diesen acht Grundintervallen gesellen sich noch einige weitere Intervalle, die den Oktavraum überschreiten und sich aus zwei Intervallen zusammensetzen. In der Harmonielehre gebräuchlich sind die None (9, Oktave plus Sekunde), die Undezime (11, Oktave plus Quarte) und die Tredezime (13, Oktave plus Sexte).
Bestimmung von Intervallen
Für die Intervallbestimmung hat sich eine Unart eingebürgert, die selbst vielen Musikstudenten in Aufnahmeprüfungen oder in Klausuren zum Verhängnis wird: Das Bestimmen von Intervallen durch das Zählen von Halbton und/oder Ganztonschritten. Hier ein einfaches Beispiel:
Die Prime ist definiert als Tonwiederholung (zum Beispiel c-c). Als reines Intervall kann sie aber auch in übermäßiger oder verminderter Form existieren (zum Beispiel c-cis oder c-ces). In beiden Fällen ist der zweite Ton vom Stammton des ersten Tons abgeleitet und alteriert. Der Abstand beträgt einen Halbtonschritt (das cis ist vom c einen Halbtonschritt entfernt).
Die Sekunde existiert als kleine und große Sekunde. Eine kleine Sekunde wäre zum Beispiel die Tonfolge c-des, eine große Sekunde die Tonfolge c-d. Eine kleine Sekunde hat den Abstand von einem Halbtonschritt, eine große Sekunde den Abstand von zwei Halbtonschritten (oder einem Ganztonschritt).
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Nun sollten die ersten Alarmglocken schrillen! Der Abstand der übermäßigen Prime ist also genauso groß wie der Abstand der kleinen Sekunde. Hat man nun die Intervalle mit ihrem jeweiligen Abstand in Halbtonschritten auswendig gelernt, läuft man gerne in die Falle und bestimmt zum Beispiel die übermäßige Prime als kleine Sekunde.
Beide Intervalle klingen in der gleichstufigen Temperierung exakt gleich. Musiktheoretisch betrachtet sind sie es jedoch nicht. Also aufpassen!
Eine alternative Methode zur Intervallbestimmung
Besser ist es, für die Bestimmung der Intervalle die Tonleiter zu nutzen. Schauen wir uns die Stammtonreihe an, die von c bis c gespielt der Dur-Tonleiter entspricht. Es ergeben sich die folgenden Intervalle:
c-c = Prime (I-I)
c-d = große Sekunde (I-II)
c-e = große Terz (I-III)
c-f = reine Quarte (I-IV)
c-g = reine Quinte (I-V)
c-a = große Sexte (I-VI)
c-h = große Septime (I-VII)
c-c = reine Oktave (I-VIII)
Die Angaben in den Klammern entsprechen den Tonstufen der Tonleiter ausgedrückt als Römische Zahlen. Sie sind eine allgemeinere Angabe, die sich schnell auf andere Tonarten beziehen lässt.
Verändern wir nun den zweiten Ton durch Alteration, ergeben sich die bereits oben in der Tabelle dargestellten Varianten der Grundintervalle (rein, klein, groß, vermindert, übermäßig). Zum Beispiel:
c-cis = übermäßige Prime (I-#I)
c-ces = verminderte Prime (I-bI)
c-des = kleine Sekunde (I-bII)
c-dis = übermäßige Sekunde (I-#II)
c-es = kleine Terz (I-bIII)
c-eis = übermäßige Terz (I-#III)
und so weiter…
Ausschlaggebend für die Bestimmung des Intervalls ist also nicht die Anzahl der Halbtonschritte, sondern welche Stammtöne zugrunde liegen.
Zählt man nur die Halbtonschritte, würde man zum Beispiel das Intervall c-eis fälschlicherweise als reine Quarte benennen. Zwar klingt es als reine Quarte und auch die Tasten auf der Tastatur scheinen identisch (das eis liegt auf der gleichen Taste wie das f), musiktheoretisch handelt es sich jedoch um eine übermäßige Terz und nicht um eine reine Quarte.
Das ist in der Harmonielehre am Klavier für den Aufbau von Akkorden und auch für die Skalentheorie besonders wichtig.
Doch zurück zur Intervallbestimmung. Statt nun Halbtonschritte auswendig zu lernen, lernen wir die oben angegebenen Intervalle der Stammtonreihe, also die Intervalle der Dur-Tonleiter. Damit können wir jedes beliebige Intervall bestimmen.
Erstes Beispiel
Die beiden Töne c-b besitzen den Abstand einer kleinen Septime. Warum? Wir nehmen den ersten Ton als Grundton einer Dur-Tonleiter an. Der Ton ist ein c, demnach C-Dur.
Beim zweiten Ton handelt es sich um einen alterierten Ton (ein tieferalteriertes h). Nun bestimmen wir zunächst das Intervall des nicht-alterierten Stammtons zum c. Das wäre ein h. Das h ist als große Septime in der Tonleiter enthalten.
Durch das b und die Tiefalteration wird die große Septime um einen Halbton zu einer kleinen Septime verkleinert. Das korrekte Ergebnis lautet also: Kleine Septime.
Zweites Beispiel
Zu bestimmen ist das Intervall e-gis. Der Ton e wird als Grundton der Dur-Tonleiter in E-Dur angenommen. Der Ton gis ist Bestandteil von E-Dur und befindet sich auf der dritten Stufe der Tonleiter (III). Es handelt sich also um eine große Terz.
Wäre stattdessen der zweite Ton ein g, wäre dieser nicht Bestandteil von E-Dur und es würde sich um eine tiefalterierte dritte Stufe handeln (bIII). In diesem Fall wäre es eine kleine Terz.
Drittes Beispiel
Zu bestimmen ist das Intervall d-c. Der Ton d wird als Grundton der Dur-Tonleiter in D-Dur angenommen. Der Ton c ist nicht Bestandteil von D-Dur. Es handelt sich um die tiefalterierte siebte Stufe.
cis wäre die siebte Stufe (VII), c also die durch ein Auflösungszeichen tiefalterierte siebte Stufe (bVII). Die siebte Stufe (cis) der Dur-Tonleiter ist eine große Septime. Das c ist also die kleine Septime zum Ton d.
Zusammenfassung: Harmonielehre Intervallbestimmung
- Lerne die Intervalle der Dur-Tonleiter
- Kenne den Quintenzirkel
- Mit den sieben Intervallen der Dur-Tonleiter lässt sich jedes Intervall bestimmen
- Fehler beim Abzählen der Halbtonschritte vermeiden
- Mit etwas Übung gelingt die Intervallbestimmung mit hoher Geschwindigkeit und absolut fehlerfrei
Harmonielehre: Alles Terzen, oder was?
Das wichtigste Intervall der Harmonielehre ist die Terz! Diese Behauptung lässt sich leicht beweisen, wenn man Terzen übereinander schichtet und dabei nur die Töne der Stammtonreihe nutzt.
Terzen lassen sich in der Notenschrift ganz einfach erkennen. Liegt der Grundton auf einer Linie, liegen auch die darüber gestapelten Terzen alle auf einer Linie. Liegt der Grundton in einem Zwischenraum, liegen auch alle darüber gestapelten Terzen in einem Zwischenraum. Und: Das Gebilde sieht immer aus wie ein Schneemann.
Stapeln wir beispielsweise Terzen über dem Ton c, kommen wir irgendwann wieder bei einem c an. Sortiert man die sich ergebenden Töne, bekommt man wieder die Stammtonreihe. In unserem Terzenstapel sind also alle Töne der Stammtonreihe enthalten! Benennt man nun die Intervalle unseres Terzenstapels vom tiefsten Ton (c) aus betrachtet, erhalten wir:
Grundton-Terz (3)-Quinte (5)-Septime (7), None (9), Undezime (11) und Tredezime (13)
Wer schon einmal Akkordsymbole in einem Songbook gesehen hat, versteht nun, was es damit auf sich hat. Das Akkordsymbol verrät uns, wie unser Terzgebilde aussieht. Doch dazu später mehr.
Lesetipp: Taktart
Mit zwei Terzen an die Macht
Nun haben wir eingangs bei den Intervallen gelernt, dass es zwei Terzen gibt (eigentlich sogar vier, berücksichtigt man auch die verminderte und übermäßige Terz): Die kleine Terz und die große Terz.
Je nachdem, ob es sich in unserem Terzengebilde um kleine oder große Terzen handelt, ergeben sich verschiedene Akkorde. Doch beginnen wir mit den ersten beiden Terzen über dem Grundton und einem simplen Dreiklang.
Bei dieser Terzenschichtung über dem Grundton c haben wir es mit einer großen Terz zu tun (c-e) und einer darüber liegenden kleinen Terz (e-g). Dieses Gebilde nennt man Dur-Dreiklang. Immer dann, wenn ein Dreiklang in Terzenschichtung gespielt wird, so dass der Grundton der tiefste Ton ist, nennt man dies Grundstellung.
Kehren wir die drei Töne um, indem wir ihre Reihenfolge vertauschen, erklingt der Dreiklang in einer Umkehrung. Sein Geschlecht bleibt jedoch gleich: Es bleibt ein Dur-Dreiklang. Bei drei Tönen ergeben sich neben der Grundstellung zwei weitere Möglichkeiten:
Nun haben wir also den ersten Dur-Dreiklang mit seinen zwei Umkehrungen kennengelernt.
Schauen wir uns einen weiteren Dreiklang aus Stammtönen an:
Bei dieser Terzenschichtung über den Grundton d haben wir es mit einer kleinen Terz (d-f) und einer darüber liegenden großen Terz (f-a) zu tun. Dieses Gebilde klingt ganz anders als der erste Dreiklang. Man nennt es Moll-Dreiklang. Der Aufbau ist immer Grundton-kleine Terz-große Terz.
Vergleicht man den Aufbau mit dem des Dur-Dreiklangs, stellt man fest, dass die beiden Terzen einfach nur vertauscht sind.
Natürlich lässt sich auch ein Moll-Dreiklang umkehren. Erneut haben wir die uns bereits vom Dur-Dreiklang bekannten Möglichkeiten (Grundstellung, Sextakkord, Quart-Sextakkord). Erneut ändert das Umkehren nichts am Geschlecht des Akkords. Es ist und bleibt ein Moll-Akkord.
Merke: Bei einem Dur-Dreiklang liegt die große Terz über dem Grundton und dann folgt die kleine Terz. Bei einem Moll-Dreiklang liegt die kleine Terz über dem Grundton und dann folgt die große Terz.
Harmonielehre am Klavier: Die Akkorde der Stammtonreihe
Mit diesem Wissen lassen sich nun die Dreiklänge über der Stammtonreihe (= Dur-Tonleiter) bilden. Dazu bauen wir zunächst Schneemänner über jeden einzelnen Ton der Stammtonreihe. Durch einfaches Bestimmen der Terzen können wir nun sagen, welcher Dreiklang Dur und welcher Moll ist:
Das Ergebnis ist eindeutig: Wir finden drei Dur-Dreiklänge (auf der I., IV. und V. Stufe), drei Moll-Dreiklänge (auf der II., III. und VI. Stufe) sowie ein Gebilde, das sich nicht einordnen lässt, weil es aus zwei kleinen Terzen besteht (auf der VII. Stufe). Der letzte Dreiklang heißt verminderter Dreiklang und soll uns erst einmal nicht weiter interessieren.
Diese Abfolge von Dur- und Moll-Dreiklängen ist für jede Dur-Tonleiter gültig, unabhängig von der Tonart! Um die Dreiklangsstruktur einer Tonleiter allgemeingültig aufzuschreiben, nutzt man häufig die hier schon angesprochene Stufenschreibweise in römischen Zahlen.
Strebetendenz-Theorie
Häufig wird behauptet, dass Musik Emotionen in uns auslöst. Die Strebetendenz-Theorie von Bernd und Daniela Willimek ist eine Theorie, die diesen Umstand näher untersucht. So haben die beiden in mehreren Experimenten herausgefunden, dass Musik nicht aus sich heraus emotional wirken kann.
Vielmehr sind es Willensinhalte, die in der Musik encodiert sind. Bei einem Mollakkord identifizierst Du dich beispielsweise mit einem Willen, der „Ich will nicht mehr…“ ausdrückt. Das führt letztendlich dazu, dass Du dich bedrückt fühlst.
Dur-Akkorde identifizierst Du mit einem „Ja, ich will“-Willen. Dadurch fühlst Du dich gut. Allgemein betrachtet führen unterschiedliche Harmonien zu unterschiedlichen Willensprozessen.
Akkordbeziehungen: Die buckelige Verwandtschaft
Das oben angeführte Notenbeispiel fördert bei genauerem Hinschauen Erstaunliches zutage: Bestimmte Akkorde stehen in einer Beziehung zueinander – sie sind miteinander verwandt.
So finden wir zu jedem Dur-Dreiklang einen Moll-Dreiklang, der zwei gleiche Töne besitzt und sich nur in einem Ton unterscheidet. Folgende Beziehungen lassen sich ausmachen:
I – vi
IV – ii
V – iii
Die Mollakkorde können also je nach Kontext als Stellvertreter für ihre Dur-Verwandtschaft gesetzt werden. Probier es doch einfach mal aus!
Lies auch: Dur und Moll
Der verminderte Akkord auf der VII. Stufe hat eine Sonderstellung. Er kann zum Beispiel als Stellvertreter für die V. Stufe mit kleiner Septime genutzt werden und wird dann oft als Dominantseptakkord mit ausgelassenem Grundton interpretiert.
Tipp: Akkordbeziehungen lernt man sehr gut durch das Spielen von Kadenzen. Kadenzen sind Akkordfolgen, zum Beispiel die berühmte ii-V-I Kadenz aus dem Jazz oder die I-IV-V Kadenz, die in vielen Popsongs zu finden ist (zum Beispiel Twist & Shout, La Bamba uvm.).
Aufgabe
Schreibe die Stammtöne von a bis a auf (a, h, c, d, e, f, g, a). Bilde nun die Dreiklänge über jeden Ton und bestimme, ob es sich um einen Moll- oder Dur-Dreiklang handelt (oder einen verminderten Dreiklang).
Schreibe das Ergebnis in Notenschreibweise und allgemeingültig in Stufenschreibweise auf und vergleiche es mit dem oben angegebenen Dreiklangsschema der Dur-Tonleiter. Was fällt auf?
Verändere nun den siebten Ton zu einem gis und berücksichtige diese Veränderung in all deinen Dreiklängen (aus JEDEM g wird ein gis). Bestimme die Akkorde erneut. Was hat sich verändert?
Mach nun aus dem sechsten Ton der Tonleiter (f) ein fis und verändere erneut die Akkorde entsprechend und bestimme sie. Was ist jetzt anders?
Hast Du alles richtig gemacht, erhältst Du drei weitere Dreiklangsstrukturen: Natürlich Moll (auch aeolisch genannt, Töne von a bis a), harmonisch Moll (= Natürlich Moll mit hochalterierter siebter Stufe) und melodisch Moll (= Natürlich Moll mit hochalterierter sechster und hochalterierter siebter Stufe).
Wir setzen einen drauf: Septakkorde
Schon weiter oben haben wir festgestellt, dass ein Akkord im Grunde genommen nichts anderes ist als eine Terzenschichtung. Die Dreiklänge der Stammtonreihe haben sind nun geklärt und Dur und Moll sind keine Fremden mehr. Gehen wir also einen Schritt weiter und setzen auf jeden Dreiklang der Stammtonreihe eine weitere Terz:
Die neuen Gebilde nennen sich Septakkorde und sind Vierklänge. Schauen wir etwas genauer hin und bestimmen den Abstand vom Akkordgrundton zum neu hinzugefügten höchsten Ton. Das machen wir uns einfach: Da die Septime das Intervall vor der Oktave ist, können wir einfach von der Oktave aus zurückrechnen.
Liegt die Septime einen Ganzton (zwei Halbtöne) unter der Oktave, handelt es sich um eine kleine Septime. Liegt die Septime hingegen einen Halbton unterhalb der Oktave, haben wir es mit einer großen Septime zu tun. Es ergibt sich das folgende Bild:
Spielen wir diese Septakkorde am Keyboard, stellt sich sofort ein recht jazziger Klang ein. Beim Akkord über der fünften Stufe erleben wir jedoch eine andere Wirkung. Dieser Akkord hat ohnehin eine starke Funktion innerhalb einer Akkordfolge: Er strebt zurück zum Akkord der ersten Stufe.
Diese Wirkung wird durch das Hinzufügen der kleinen Septime zusätzlich verstärkt. In der Funktionstheorie, die sich stark der Analyse von Akkordbeziehungen verschrieben hat, wird dieser Akkord als Dominantseptakkord bezeichnet.
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Da diese Bezeichnung oft auch außerhalb der Funktionstheorie Verwendung findet, sei sie hier und jetzt erwähnt, ohne tiefer in die Funktionstheorie einzusteigen.
Bei den übrigen Septakkorden der anderen Stufen hingegen hat die Septime eher eine klangliche Wirkung. Das starke Auflösungsbedürfnis hin zu einer anderen Akkordstufe findet nicht oder nur eingeschränkt statt.
Insbesondere die große Septime verleiht sofort jedem Akkord diesen erwähnten jazzigen Touch.
Aufgabe
Spiele den Cmaj7 Septakkord aus dem vorangegangenen Beispiel (Töne c, e, g, h). Verändere nun die große Septime (h) zu einer kleinen Septime (b). Der neue Vierklang heißt C7. Wie ändert sich die Wirkung des Akkords?
Probiere alle Akkorddreiklänge der Stammtonreihe aus. Welcher Akkord eignet sich gut als Folgeakkord für einen C7 Septakkord?
Akkordbenennungen
Um Akkorde korrekt zu benennen, müssen wir ihren Grundton kennen. Für die Ermittlung des Akkordgrundtons muss der Akkord in Terzenschichtung gebracht werden. Der Grundton ist dann der tiefste Ton des sich so ergebenden Gebildes.
Es gibt mehrere Arten, Akkorde zu beziffern. Im Laufe der Zeit haben sich viele verschiedene Schreibweisen eingebürgert. Eine eindeutige, genormte Schreibweise gibt es nicht. Ich stelle hier verschiedene Varianten vor, die mir im Laufe der Zeit begegnet sind.
Es gibt noch viele weitere Varianten und schon diese wenigen Beispiele zeigen, wie verwirrend das sein kann. Die Verwendung von Großbuchstaben und Kleinbuchstaben für Dur und Moll ist längst nicht durchgängig verbreitet.
Besonders verwirrend wird es, wenn # und b sowohl den Akkordgrundton verändern können als auch den angegebenen zusätzlichen Optionston. Die recht willkürliche Verwendung von #, b, + und – zur Veränderung eines Intervalls innerhalb eines Akkords trägt nicht zur Vereinfachung und Vereinheitlichung bei.
Und noch mehr Verwirrung
Auch für weitere Akkorde gibt es mehrere alternative Schreibweisen. Ein gutes Beispiel ist Cadd9. Das steht für einen C-Dur Dreiklang mit hinzugefügter großer None (Töne c, e, g, d).
Cadd2 steht dann also für einen C-Dur Dreiklang mit hinzugefügter großer Sekunde (ebenfalls Ton d, aber eine Oktave tiefer: c, d, e, g).
Leider liest man auch oft für diesen Akkord die Bezeichnung C2 anstelle von Cadd2.
Nun darf man aber nach diesem Muster nicht Cadd9 mit C9 abkürzen. C9 ist nämlich ein Akkord mit hinzugefügter großer None und kleiner Septime (Töne c, e, g, b, d).
Hier wird also die kleine Septime mit eingeschlossen, während bei Cadd9 nur die große None ergänzt wird. Gleiches gilt für C11 und C13. Diese unterscheiden sich von einem Cadd11 und Cadd13 Akkord dadurch, dass auch die dazwischen liegenden Terzen zu spielen sind, die bei Cadd11 und Cadd13 fehlen.
Wieder anders ist es bei dem Akkord C6/9. Dieser müsste eigentlich korrekt als C6add9 geschrieben werden, denn die kleine Septime wird hier nicht gespielt.
Und weil es damit immer noch nicht reicht, schieben wir noch den Cmaj9 Akkord hinterher:
Dieser unterscheidet sich von einem C9 Akkord dahingehend, dass nicht die kleine, sondern die große Septime gespielt werden muss. Die vollständige Schreibweise, die aber so gut wie nie genutzt wird, wäre also Cmaj7/9 oder C^7/9 oder Cj7/9.
Harmonielehre Klavier: Sus-Akkorde
Sus-Akkorde sind sehr beliebt, weil diese einen sehr offenen Klang generieren. Die Abkürzung Sus kommt vom englischen Wort „suspended“, was auflösen, aufheben bedeutet.
In der klassischen Musik war damit meistens gemeint, dass ein Ton aus einem vorangegangenen Akkord mitgenommen wurde, der dann anschließend zur Terz hin aufgelöst wird. Man spricht auch von Vorhalt.
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Typisch sind Wendungen aus der Kirchenmusik mit C4-3-2-3. Die heute üblichen Bezeichnungen Csus4 und Csus2 meinen Akkorde, bei denen die Terz durch die reine Quarte oder große Sekunde ersetzt wird. Anders als in der klassischen Musik werden heute Sus-Akkorde nicht zwingend zur Terz hin aufgelöst, sondern können auch für sich allein stehen.
Erneut sind in der Literatur wieder irreführende Bezeichnungen zu finden. So beziffern einige Pop-Publikationen einen Csus2 Akkord fälschlicherweise als C2 oder schreiben statt eindeutig Csus2 oder Csus4 nur Csus.
Jazzer interpretieren einen Csus-Akkord häufig als C9sus4 (Töne c, g, b, d, f), wenn der Akkord in einer Dominant-Funktion genutzt wird, oder als C7sus4 mit ausgelassener Quinte (Töne c,f,b), also als einen Akkord aus zwei reinen Quarten.
Die Bezeichnung Csus wird von Jazzern oft als C7sus4 interpretiert. Der Ton g kann auch weggelassen werden. Oft wird stattdessen die None d hinzugefügt.
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Verminderte und übermäßige Akkorde
Verminderte und übermäßige Akkorde entstehen, wenn die Terzen des Dreiklangs durch Alteration verändert werden. Während eine Veränderung der mittleren Terz das Tongeschlecht ändert (kleine Terz = Moll, große Terz = Dur), bewirkt eine Veränderung der darüber liegenden Terz (= Quinte vom Grundton aus) eine drastische Spannungsänderung im Klang. Erneut gibt es verschiedene Schreibweisen.
Cdim bezeichnet einen verminderten Dreiklang, der aus zwei kleinen Terzen besteht (c, es, ges).
Caug ist das Gegenteil: Der Dreiklang besteht aus zwei großen Terzen (c, e, gis).
In manchen Publikationen wird Cdim als C5- und Caug als C5+ geschrieben.
Uneindeutig wird es erneut, wenn man einen verminderten Dreiklang zum Vierklang erweitert. Cdim7 meint nicht etwa die Ergänzung eines verminderten Dreiklangs um eine kleine Septime, sondern einen vollverminderten Dreiklang (drei kleine Terzen) mit verminderter Septime (Ton heses).
Cm7b5 hingegen ist die Bezeichnung für einen c-Moll Akkord mit kleiner Septime und verminderter Quinte (Halbverminderter Akkord). Gleiches Gebilde kann aber auch mit Cø bezeichnet werden, während C° den vollverminderten Vierklang (nur aus kleinen Terzen bestehend) meint.
Hilfestellungen bei Problemen mit der Harmonielehre
Verwirrt? Eine gute Akkordsammlung gehört in jedes Buchregal. Alternativ hilft das Internet.
Tipp: Das Internet und insbesondere Google helfen häufig weiter, wenn man sich auf eine Akkordbezeichnung keinen Reim machen kann. Es hilft oft, die Akkordbezeichnung bei Google einzutippen gefolgt von dem Wort „chord“. Die Worte „keyboard“ oder „piano“ schränken das Ergebnis zusätzlich ein. Alternativ hilft auch die direkte Suche auf der Website pianochord.org.
Auch eine App kann hilfreich sein, wenn es darum geht, Akkorde immer griffbereit zu haben. Für das iPhone und iPad gibt es zum Beispiel die App PianoCompanion. Hier findet sich eine Auflistung gängiger und seltener Akkorde als Griffdiagramm und in Notenschreibweise.
Fazit
Harmonielehre und speziell die Akkordlehre gehören zum Handwerkszeug eines jeden Musikers, unabhängig davon ob dieser Laie oder Profi ist. Schwierigkeiten bereiten oft die vielen Varianten in der Bezeichnung von Akkorden.
Je mehr man sich mit Akkorden und Akkordsymbolen beschäftigt, desto mehr Erfahrung sammelt man in der Interpretation von Akkordsymbolen. Eine gute Akkordtabelle gehört ebenfalls mit dazu – egal ob gedruckt, virtuell als PDF oder als App.