Reportage
Ein Tag am Abbey Road Institute
Von Jens Bender am 16. Oktober 2018
Das Abbey Road Institute ist die Ausbildungsstätte der berühmten Londoner Abbey Road Studios, in denen vor allem eins im Vordergrund steht: die Musik.
Ich habe einen Tag am Abbey Road Institute in Frankfurt verbracht und dort sowohl mit Dozenten als auch mit Studenten gesprochen. Im Folgenden erfährst Du, wie sich die Ausbildung gestaltet und wie der Studentenalltag vor Ort aussieht.
Was kannst Du hier lernen?
Am Abbey Road Institute wird dir das Handwerkszeug mitgegeben, das Du brauchst um Musik aufzunehmen, zu bearbeiten und zu vertreiben. Dazu gehört ein umfassendes Wissen über aktuelle und historische Produktionstechniken, tontechnische Grundlagen, sowie Kenntnisse im Musikbusiness.
PASSEND DAZU
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- Waves REDD: Mischkonsolen der Abbey Road Studios emuliert
Eine gesunde Mischung aus Praxis und Theorie
Das Abbey Road Institute legt außerdem hohen Wert auf musikalische Inhalte und die musiktheoretische Ausbildung. Denn diese gehören, nach Überzeugung des Institutes, zwingend zum Tätigkeitsfeld eines professionellen Musikproduzenten dazu.
Erfahrungen aus über 80 Jahren im Bereich der Musikproduktion fließen in den Unterricht ein. Mehr über den historischen Hintergrund der Abbey Road Institutes erfährst Du unter anderem in unserem letzten Ausbildungs-Special.
Räumlichkeiten & Ausstattung
Zu beiden Seiten des Institutes befinden sich Klassenräume, die für jeweils 24 Studenten ausgelegt sind. An jedem Arbeitsplatz steht eine dedizierte Workstation mit aktuellem Apple-Rechner, Audio-Interface und Kopfhörer zur Verfügung. Gearbeitet wird mit den Programmen Pro Tools, Ableton Live und Logic.
Das Institut verfügt über drei Aufnahmeräume und vier Studios mit hochwertigem Equipment. Die Studios und Klassenräume sind zudem mit einem professionellen Dante-Audio-Netzwerk verbunden. Das bedeutet, es können z. B. die zur Abnahme eines Drum-Sets eingesetzten Mikrofone simultan mit allen im Haus installierten Workstations mitgeschnitten werden. Jeder Student könnte also das Drum-Set aufzeichnen und gleich im Anschluss individuell editieren, nachbearbeiten und mischen. Ein spannendes Konzept.
Abschluss am Abbey Road Institute
Advanced Diploma in Music Production and Sound Engineering
Kursdauer
Vollzeit: 12 Monate
Teilzeit: 24 Monate
Zeitlicher Aufwand
Vollzeit: Montag bis Freitag 10-18 Uhr
Teilzeit: vier Stunden täglich
Kosten
11.650 Euro Vorkasse, bzw. 12.390 Euro bei Ratenzahlung
(Vollzeit monatlich 995 Euro, Teilzeit monatlich 497,50 Euro)
Nächste Kursstarts
Vollzeit: 6. März und 4. September 2017
Teilzeit: 3. April und 2. Oktober 2017
Standorte in Deutschland
Berlin und Frankfurt
Wie ist der Kurs aufgebaut?
Der Kurs ist in drei »Terms« (= Trimester) aufgeteilt. Der Unterricht findet somit in 48 Wochen pro Jahr statt. Jeder Term ist einem der drei Studienschwerpunkte gewidmet:
- »Music Theory and Production«
- »Sound Engineering and Acoustics«
- »Management and Business«
Ein Besuch der Abbey Road Studios in London vor Ort bildet den Abschluss des Kurses.
Die Lerninhalte greifen ineinander
Die Themengebiete sind nicht strikt voneinander getrennt, sondern im gesamten Lehrplan miteinander verflochten.
Dies ist der besonderen Methode des Progressive Continuous Learning (PCL) geschuldet, die von Carlos Lellis in Zusammenarbeit mit den Abbey Road Ingenieuren in London entwickelt wurde.
Alle Dozenten sind erfahrene Musikproduzenten, Engineers und Business-Experten mit jahrelanger praktischer Berufserfahrung. Im Institut in Frankfurt sind derzeit insgesamt elf Dozenten tätig. Die meisten davon lehren auf freiberuflicher Basis, da sie hauptberuflich als Musikproduzenten oder in einem anderen Bereich der Branche arbeiten.
Progressive Continuous Learning (PCL) – ein Beispiel
Montags werden beispielsweise in der Theorieeinheit »History of Music Production« die Aufnahmetechniken der 1950er Jahre besprochen. Am Dienstag sind Frequenzen das Thema in den Grundlagen der Tontechnik. Aufnahmen aus den 1950ern klingen deutlich anders als moderne Musikproduktionen. Das liegt u. a. daran, dass damals noch nicht das gesamte Frequenzspektrum mit der zur Verfügung gestandenen Technik aufgezeichnet werden konnte. Und trotzdem verfügen die Aufnahmen über einen besonderen Charme, der heute noch viele Menschen anspricht.
Am Mittwoch werden passive EQs behandelt, da es in den 50ern nicht möglich war Frequenzen anzuheben, sondern nur bestimmte Frequenzen abzusenken. Am Donnerstag geht es dann mit einer Session in die Praxis. Diese wird von den Abbey Road Studios zu Übungszwecken zur Verfügung gestellt und mit Hilfe von passiven EQs bearbeitet und Mono abgemischt – da ein Stereo-Mix damals noch nicht möglich war. Die Aufgabe in Mono zu mischen, schult zudem das Kreieren eines ausgewogenen Mixes.
Wochenplan und Themenbereiche
- Montag: Music Theory and Production
- Dienstag: Principles (Grundlagen der Tontechnik)
- Mittwoch: Tools (Handhabung von Equalizer, Kompressor, etc.)
- Donnerstag: DAW (Arbeit mit den Digital Audio Workstations)
- Freitag: Eigene Projekte der Studenten
Praxisorientiertes Lehrkonzept
Zusätzlich zu jeder Theoriestunde werden praktische Übungen durchgeführt, um die soeben behandelten Inhalte direkt anwenden zu können. Betreut wird die Praxis durch den Dozenten, der in der Theoriestunde gelehrt hat. Ziel ist es, dass die Studenten am Ende nicht nur über passives Wissen verfügen, sondern anwendungsorientiert und berufspraktisch geschult werden. Schließlich geht es darum, sie richtig auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.
In der Praxisphase bearbeiten die Studenten ihre eigenen Projekte. Zu Beginn des Kurses sind das vor allem Übungen zur Gehörbildung. Hier lernen sie – wie der Name schon sagt – ihr Gehör zu trainieren, um in einem Mix auf Anhieb herauszuhören, ob eine bestimmte Frequenz zu stark betont wird, oder der Kompressor zu hart eingestellt ist.
Im späteren Kursverlauf sollen die Studenten vorgegebene Sessions nach bestimmten Kriterien abmischen. Die Fortgeschrittenen bearbeiten schließlich ihre eigenen Produktionen, die sie in den Studios selbst aufgenommen haben.
Wie sieht der Studienalltag im Vollzeitkurs aus?
Angefangen wird um 10 Uhr morgens, was den einen oder anderen Langschläfer sicherlich freuen dürfte. Der Tag ist aufgeteilt in zwei große Blöcke zu je drei Stunden (10-13 Uhr, 14-17 Uhr). Bei den Kurseinsteigern liegt die Praxisphase morgens und die Theorieeinheit abends – bei den Fortgeschrittenen verhält es sich genau umgekehrt.
Die wichtigste Eigenschaft, die Du mitbringen musst: Leidenschaft für Musik
Von 17 bis 18 Uhr haben die Studenten Zeit, sich ihren eigenen Projekten und Aufgaben zu widmen oder an diesen weiterzuarbeiten, bevor sich die Tore des Abbey Road Institutes schließen.
Aufgrund der dichten Studienstruktur ist bei einem Vollzeitkurs das Arbeiten nebenher kaum möglich. Wenn überhaupt, dann nur abends oder am Wochenende. Deshalb bietet das Abbey Road Institute auch eine Teilzeitvariante an, die sich über zwei Jahre erstreckt. Wer sich bereits im Vorfeld Gedanken über die Finanzierung seiner Ausbildung macht, kann es sich also aussuchen.
Eindrücke: Lautsprecher-Theorie bei Peter Bremm
Im Theorieunterricht bei den Fortgeschrittenen (10-13 Uhr) werden heute die Eigenschaften von verschiedenen Speakern gemessen. Der Dozent Peter Bremm war u. a. Entwicklungsleiter bei Stubbe Electronic, Technischer Leiter bei Firmen wie Studio Sound & Music, Teac & Tascam sowie bei BFE für die Planung professioneller Tonstudios verantwortlich.
Das Programm, mit dem er die Messungen durchführt, hat er selbst geschrieben. Im Anschluss an die Messungen soll von der Gruppe ein eigener Lautsprecher gebaut werden, der auch als Subkick-Mikrofon für die Abnahme einer Bass-Drum verwendet werden kann.
Das theoretische Wissen, das in den zwei Stunden vermittelt wurde, wird direkt – unter Aufsicht des Dozenten – angewandt. Eher trockene Theorieanteile prägen sich damit besser ein. In diesem Fall benötigen die Studenten die Messdaten der Lautsprecher, um die Maße für das Gehäuse der Box berechnen zu können.
Eindrücke: EQ-Unterricht bei Jens Kleinhuis
Im Unterricht des Anfängerkurses bei Jens Kleinhuis (14-17 Uhr) werden zunächst verschiedene Equalizer-Typen und deren Unterschiede wiederholt (z.B. High Pass vs. High Shelf Filter, grafischer vs. parametrischer EQ).
Anschließend werden drei verschiedene EQ Plugins und deren Funktionen vorgestellt, die dem Lernstand der Studenten im Sinne des Progressive Continuous Learning, entsprechen. Zum Abschluss der Unterrichtseinheit bearbeiten die Studenten eine Stunde lang Zeit eine Session mit den gerade kennengelernten Plugins.
Der Dozent geht hierbei proaktiv von Student zu Student und bietet Hilfestellungen an. Die Studierenden haben von 17-18 Uhr und in der Praxisphase am nächsten Tag Zeit, selbständig an ihrem Mix weiterzuarbeiten.
Welche Voraussetzungen solltest Du mitbringen?
Die wichtigste Eigenschaft, die Du mitbringen musst: Leidenschaft für Musik. Der straffe Lehrplan erfordert von jedem Studenten ein hohes Maß an Eigenmotivation und selbständigem Arbeiten. Das ist, was auch in der Zeit nach der Ausbildung im Beruf benötigt wird.
Abgesehen davon musst Du mindestens 18 Jahre alt sein, einen mittleren Bildungsabschluss haben und gut Englisch verstehen sowie sprechen können.
Vor der Bewerbung steht ein persönliches Erstgespräch mit dem Schulleiter. Dann benötigst Du das ausgefülltes Bewerbungsformular inkl. aller darin geforderten Dokumente, wie z.B. Lebenslauf, Passfoto, etc. Du kannst Dich persönlich vor Ort oder postalisch bewerben.
Aufnahme-Interview
»Wir legen dem Bewerber oder der Bewerberin beim Aufnahme-Interview nicht irgendwelche zu lösenden Standardaufgaben aus der Musik oder Elektrotechnik hin. Was wir erkennen wollen, ist die Leidenschaft und der Enthusiasmus für diesen Job. Das muss spürbar sein.
Idealerweise bringt eine Bewerberin oder Bewerber ihr/sein Instrument mit und spielt uns etwas vor. Auch bereits eigens erstellte Aufnahmen sollten zu diesem Termin mitgebracht werden. Wir fragen natürlich auch: Was ist deine Motivation eine solche Ausbildung machen zu wollen? Was treibt dich an, was ist dein Motor? Und da wollen wir natürlich hören, dass Musik der Motor ist.«
Ulli Schiller (Institutsleiter)
Eigene musikalische Betätigung und technisches Interesse
Du solltest auf jeden Fall musikalisch aktiv sein. Ebenso solltest Du dich bereits intensiv mit Musiktheorie beschäftigt haben und die Strukturen von Musikstücken durchdringen können. Erfahrungen mit der Aufnahme und Bearbeitung von Musik sind selbstredend von Vorteil.
Musikalität geht vor
Die technischen Grundlagen sind allerdings recht gut erlernbar, wie Headcoach Jens Kleinhuis sagt: »Das Technische kann ich jemandem viel leichter beibringen, als das Musikalische, sprich das Talent. Wer aber sagt: ‚Ich bin tierisch technisch interessiert, ich will ein reiner Engineer werden‘, der aber weder ein Instrument spielt, noch eine Musikalität besitzt, noch eine Begeisterung für Musik, der ist bei uns einfach nicht richtig aufgehoben, da gibt es andere Institutionen.«
Welche Berufschancen hast Du nach dem Abschluss?
Absolventen des Abbey Road Institutes können überall dort arbeiten, wo professionelle Sound-Bearbeitung und eine tontechnische Ausbildung gefragt sind. Ob nun als selbständiger Musikproduzent, oder als Freiberufler in einem Tonstudio, als Tontechniker bei Radio, Fernsehen oder Live-Veranstaltungen etc. – bei der Jobauswahl kommt es ganz auf die eigenen Vorstellungen, Interessen und Fähigkeiten an.
Durch die guten Verbindungen zur Musikindustrie und zum internationalen Musikmarkt ist es dir möglich, schon während des Studiums Kontakte zu wichtigen Personen und Institutionen zu knüpfen und diese zu pflegen.
Im Laufe des Studiums fertigen die Studenten ein Demo Reel an, das mindestens vier bis fünf eigene professionelle Produktionen beinhaltet. Damit haben sie auf jeden Fall gute Chancen, sich von Mitbewerbern abzusetzen.
Ziel des Kurses
»Wir wollen hier Leute rausgehen sehen, die selbst in der Lage sind, Content zu schaffen – die also nicht reine Engineers sind und Knöpfchen drehen können, sondern die auch als Interpreten und als Komponisten kreativ arbeiten können und es somit leichter haben, einen Job zu finden.«
Jens Kleinhuis, Headcoach und Dozent
Zum Abschluss
Die technische Ausstattung des Institutes hinterlässt einen gewaltigen Eindruck auf mich. Ein bisschen neidisch bin ich schon auf die Studenten, die beispielsweise an den Potis der 64-kanaligen SSL-Konsole in Studio 1 herumschrauben dürfen …
Abgesehen von all der Technik, hat mich am meisten jedoch der offene Umgang zwischen Dozenten und Studenten beeindruckt. Hier gibt es kein »Herr Professor Dr. So-und-so«, man duzt sich vom ersten Tag an.
Hier kommen Musiker aller Couleur zusammen
Musikalisch sind unter den Studenten die verschiedensten Instrumente, individuellen Fähigkeiten und Vorlieben im Bereich der Popularmusik zu finden. Vom Singer-Songwriter bis zum Elektrosound-Tüftler ist alles vertreten, was einen positiven Effekt auf die Gruppendynamik hat. »Das ist ein Melting Pot, da passiert was«, unterstreicht Ulli Schiller diesen Punkt.
Einziger Wermutstropfen ist die hohe Kursgebühr, die von vorn herein den ein oder anderen talentierten Interessenten ausschließen dürfte. Wer sich den Kurs jedoch finanziell sowie zeitlich leisten kann, bekommt mit Sicherheit eine umfassende Ausbildung im Bereich der Musikproduktion, die es ermöglicht im Musikbusiness Fuß zu fassen.
Kontakt & weitere Infos
Homepage: abbeyroadinstitute.de
Standort Frankfurt
Hanauer Landstraße 172, 60314 Frankfurt
Tel.: 069 34 87 66 81
Standort Berlin
Salzufer 15-16, House B, 3. Hof, 10587 Berlin
Tel.: 030 12 08 97 28
Interessante Veranstaltungen
- Open Studio Days mit Vorführungen in allen Top-Studios
- Study for a day – einen Tag die Ausbildung testen
- Insider Secrets – aus dem Erfahrungsschatz bekannter Musikproduzenten und Sound Engineers