Reamping Tutorial – Auf dem Weg zum perfekten Gitarrensound
Von Carlos San Segundo
Inhalt: Reamping Tutorial
Tutorial zum perfekten Gitarrensound mit Reamping
Wie oft hast Du dir schon beim Abmischen deiner Songs gewünscht, Du hättest einen anderen Gitarrenklang gewählt? Mit Reamping steht dir diese Möglichkeit jederzeit offen – auf der Grundlage eines parallel aufgezeichneten cleanen Signals der Gitarre.
Und wie oft haben schon die Nachbarn die Polizei gerufen, weil Du deinen Gitarrenverstärker nach 22 Uhr noch laut anhattest, um das Riff für deine neue Ballade einzuspielen? Auch das muss nicht sein, wenn Du Reamping betreibst – zumindest, wenn Du beim (Wieder-)Verstärken des erwähnten cleanen Signals eine Amp-Simulation in deiner DAW-nutzt.
Wer auch immer einen guten Gitarrenklang in seinem Homerecording-Tonstudio machen möchte und vielleicht nicht die tausende Euro Musik Equipment (oder den Raum oder das entsprechende Knowhow) zur Verfügung hat, wird um ein Reamping seiner Gitarre kaum herumkommen. Denn mithilfe von Reamp lässt sich ohne megateure Hardware und Kosten ein fantastischer, maßgeschneiderter Gitarrenklang zaubern.
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Warum eigentlich Reamping betreiben?
1. Du kannst sehr schnell einen beliebigen Sound am Verstärker einstellen, der für das richtige Feeling und damit vielleicht überhaupt erst für eine gute Performance sorgt. Das kann, muss aber nicht der finale Klang sein. Denn…
Reamping spart Zeit, Geld und Nerven
2. Später lassen sich dank des trocken aufgenommenen Signals beliebige andere Amps, Pedals, Lautsprecher und Mikrofone bzw. andere Einstellungen oder Positionierungen dieser nutzen. Als Alternative dienen die erwähnten Amp-Simulationen als Plugins in deiner DAW.
3. Aufnahmen müssen nicht immer wieder mit anderem Equipment bzw. geänderten Einstellungen gemacht werden. Ergo: In professionellen Tonstudios sparst Du Zeit und Geld, zudem werden die Nerven der Musiker geschont.
4. Zuhause aufgenommene Spuren des reinen Gitarrensounds kannst Du in Tonstudios oder sonstigen Umgebungen mit Reamping versehen, damit die Nachbarn verschont bleiben.
Was ist Reamping?
Allein das Wort Reamping kann uns schon eine Menge über dessen Bedeutung erzählen. Es besteht aus zwei Teilen: Das »Re« kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie »wieder« und das Wort »Amp« ist das englische Kurzwort für »Amplifier« oder zu deutsch »Verstärker«. Ein Reamping bedeutet also zusammengesetzt in etwa »wiederverstärken«.
Damit ist in diesem Fall gemeint, dass eine vorher aufgenommene Gitarrenaufnahme über einen Gitarrenverstärker verstärkt wird. Die erwähnte Gitarrenaufnahme sollte möglichst »clean« (unverstärkt, unverzerrt, ohne Effekte) sein, da man mit dem Reamping ja von Grund auf einen neuen Sound kreieren möchte.
Ursprünglich wurde die Technik hauptsächlich für Gitarren genutzt, denn dadurch lässt sich das Aufnehmen von Gitarre vom Kreieren des Verstärkerklangs separieren. Die Wahl des Gitarrenverstärkers und der verwendeten kann dann zu einem späteren Zeitpunkt geschehen. In vielen Tonstudios dieser Welt verlässt man sich aber auch heute lieber darauf, den Gitarrenklang gleich mit allen Verstärkern und Effekten aufzunehmen. Zur gleichen Zeit wird aber auch das trockene Signal auf eine eigene Spur aufgenommen – für alle Fälle.
Geht Reamping nur mit Gitarre?
Natürlich geht das mit jedem Instrument, das normalerweise über einen Verstärker abgenommen wird. Einem E-Bass, einem Rhodes mit Box oder einer Westerngitarre, die Du über eine Combo spielst. Genauso gut könntest Du ein Reamping mit einem Vocal machen, das Du durch eine Box in eine Reverb Chamber gibst und mit Effekt wieder aufnimmst.
Was brauche ich zum Reamping?
- Gitarre
- DI-Box mit Splitter
- Verstärker
- Mikrofon + Mikrofonstativ/-halter
- Audio Interface mit 2 simultanen analogen Eingängen
- Computer + Aufnahmeprogramm
- Zwei 6,3-mm-Kabel (Monoklinke)
- Zwei Kabel für Verbindung DI-Box ⇨ Audio Interface
- optional: Reamping-Box
- optional: Kabel für Verbindung Audio Interface ⇨ Reamping-Box
Achtung: Die benötigten Kabeltypen zur Verbindung DI-Box ⇨ Interface bzw. Interface ⇨ Reamping-Box können je nach Gerät unterschiedlich ausfallen. Bringe also zuerst in Erfahrung, welche Buchsenformate an den Geräten verfügbar sind und besorge dir entsprechende Kabel – XLR-Klinke, XLR-XLR oder Klinke-Klinke sind möglich.
Recording-Technik
Die Gitarre wird mit der DI-Box verbunden. Diese splittet das Signal auf und gibt es an zwei Ausgänge aus. Das erste, hochohmige Signal am sogenannten Thru-Ausgang wird an den Gitarrenverstärker geführt; zwischen Verstärker und DI-Box kannst Du bei Bedarf noch Effektgeräte schalten.
Das zweite Signal am Line-Ausgang geht mit Mikrofonpegel direkt zum Audio Interface, damit es in der DAW-Software oder sonstigen Programmen aufgenommen werden kann.
DI-Box
Dies ist ein spezielles Gerät, das dir erlaubt, den Pegel eines Audiosignals auf ein anderes Level zu bringen. So kannst Du etwa dein Gitarrensignal in eines mit Line-Pegel wandeln. Es gibt eine Menge Boxen jeglicher Preiskategorie zur Auswahl, zum Beispiel Radial, Palmer, BSS oder ART.
Du kannst den Gitarrenklang aus dem Verstärker nur zum Monitoring nutzen (also einfach um zu hören, was Du gerade spielst) und auf eine Aufnahme mit dem Mikrofon verzichten. Meistens ist es jedoch besser, auch den originalen Verstärkerklang aufzunehmen, da deine Spielweise sich an diesen anpassen wird und dadurch eine ganz eigene Dynamik entsteht.
Hierzu benötigst Du mindestens ein entsprechendes Mikrofon, das vor dem Gitarrenvestärker platziert wird. Das Signal des Mikrofons wird dann entweder direkt über dein Audio Interface oder über einen Preamp in die DAW geführt und dort ebenfalls aufgezeichnet.
Boxensound ohne Mikrofonierung?
Manche Verstärker bieten übrigens einen XLR-Ausgang mit Mikrofonpegel und nachgebildetem Sound einer Gitarrenbox – wenn dir der Sound sehr gut gefällt, kannst Du dir die Mikrofonierung sparen umgehen und ein XLR-Kabel zur direkten Verbindung von Verstärker und Interface nutzen.
Aufnahme … und bei Bedarf noch eine Abkürzung
In deiner DAW-Software oder deinem Audio-Editor legst Du nun zwei Monospuren an und weist diesen die Eingänge deines Interfaces zu, in die Du die Kabel gesteckt hast. Schalte beide Spuren für die Aufnahme scharf und pegele die Eingänge an den Gain-Reglern deines Interfaces bzw. in dessen Mixer-Software ein.
Jetzt kannst Du die Aufnahme starten. Auf der einen Spur sollte der direkte Gitarrenklang zu hören sein, während die andere den Sound des Verstärkers beinhaltet. Schon hast Du zwei separate Spuren von exakt derselben Performance, wobei eine als Backup für das Reamping selbst zur Verfügung steht.
Das Ergebnis dieser Technik sind zwei Spuren mit Gitarrenaufnahmen – genügend Material, um damit einen deftigen Gitarrenklang für deine Mixe zu basteln:
- Der trockene Klang aus der Gitarre ohne jegliche Effekte
- Der Amp-Sound, wie Du ihn selbst beim Spielen gehört hast
Feiner Gitarrensound aus Nullen und Einsen?
Die moderne Software macht’s möglich: Du könntest komplett auf die zweite Aufnahmespur verzichten und in der DAW konsequent auf Amp-Simulation-Plugins setzen. Hierbei ersparst Du dir die Kosten für die Splitter-bestückte DI-Box und etwas Zeit im Aufbau.
Allerdings erkaufst Du dir diesen Vorteil durch die Latenz deines Musik Equipments beim Aufnehmen. Wenn dein Audio Interface nicht schnell genug in der Verarbeitung ist, wirst Du eine störende Verzögerung zwischen deinem Spiel und dem Monitoring-Sound hören.
Das Reamping selbst
Kommen wir nun zum eigentlichen Reamping, denn bisher haben wir nur die Grundlage dafür geschaffen. Viele Produzenten aus dem Bereich Homerecording werden sicherlich den kurzen Weg gehen und den Gitarrenklang nun innerhalb der DAW mithilfe von Amp-Simulation-Plugins formen. Da ist auch nichts Verwerfliches dabei. Wenn dir der Klang gefällt und er dynamisch genug ist, dann ist das sicherlich der schnellste und bequemste Weg.
Das Reamping fängt aber dann an, Spaß zu machen, wenn Du die trockene Spur nun zurück ins »echte Leben« – in dein Tonstudio – zurückgibst und damit herumspielst. Je nachdem, was Du mit den trockenen DI-Tracks anfangen möchtest, unterscheiden sich die Vorgehensweisen. Beginnen wir mit der offensichtlichen Methode, den trockenen Gitarrenklang nun wieder an einen Verstärker zu schicken, um dort einen Klang zu erschaffen.
Die Ausgabe der Tracks über deine DAW geschieht mit einem Line-Pegel, der deutlich über dem liegt, was der Gitarrenverstärker am Eingang erwartet. Daher ist es wichtig, das Audiosignal vorher zu konvertieren. Hierfür gibt es so genannte Reamp- bzw. Reamping-Boxen. Diese werden einfach zwischen Audio Interface (bzw. DAW) und Gitarrenverstärker geschaltet, wie in untenstehender Abbildung gezeigt.
Jetzt kannst Du in aller Ruhe den Klang am Gitarrenverstärker optimieren. Du musst niemanden bitten, die Parts immer und immer wieder zu spielen, um den richtigen Klang zu finden und hast alle Zeit der Welt für jedwede Experimente. Den Gitarrenverstärker nimmst Du jetzt wieder, wie in Abbildung 1 festgehalten, über ein Mikrofon auf. Das Schöne an einem solchen Reamping ist, dass Du die bequemen Möglichkeiten der digitalen Welt des Editierens mit dem bombastischen Klang der realen Welt und Gitarrenverstärker kombinieren kannst.
Auch beim Aufstellen und Herumrücken der Mikrofone, den Experimenten mit unterschiedlichen Mikrofontypen und/oder Verstärker sowie Kombinationen dieser beiden wird dir kein gelangweilter Gitarrist böse Blicke mehr entgegensenden.
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